Viele Läufer steigen gerne aufs Rad, auch in der Marathonvorbereitung. Das hat unsere Userumfrage "Frage der Woche" auf www.runnersworld.de eindeutig ergeben. Wir haben die User gefragt: "Was ist nach Laufen Ihre zweitliebste Sportart?" Die meisten gaben Straßenradfahren an (23 Prozent), dicht gefolgt von Mountainbiken (20 Prozent). Danach kam Kraft- und Fitness-Training mit 17 Prozent, gefolgt von Schwimmen (13 Prozent). Die anderen User gaben weitere Sportarten wie Langlauf, Fußball, Surfen und Tennis an. Doch was bringt Radfahren eigentlich in der gezielten Vorbereitung auf einen Marathon?
"Die Trainingslehre kennt ein Prinzip, nämlich das der 'hohen dynamischen Übereinstimmung'. Dies ist sehr wichtig", sagt Dr. med. Kai Röcker, Oberarzt der Sportmedizin an der Universitätsklinik Freiburg. Das bedeutet, die Bewegungsform im Training sollte derjenigen im Wettkampf so weit wie möglich entsprechen. Somit ist die Rolle des Radtrainings im systematischen Trainingsaufbau eines wettkampforientierten Läufers eigentlich schon klar vorgegeben, denn das heißt: Je näher ein Wettkampf rückt, desto weniger Zeit sollte ein Läufer auf dem Rad verbringen. Am Anfang und in der Halbzeit eines Marathonplanes kann das Radfahren als Trainingseinheit gut eingebaut werden, jedoch gegen Ende hin ist es nicht mehr zu empfehlen.
Lange Läufe lassen sich nicht ersetzen
Der lange Lauf in der Marathonvorbereitung lässt sich zum Beispiel nicht durch eine entsprechende Radausfahrt ersetzen. "Die organische Belastung von Herz/Kreislauf ließe sich bei entsprechend langer Radausfahrt eventuell zwar imitieren, aber die muskuläre Belastung sei und bliebe beim Laufen, besonders beim langen, langsamen Laufen eine eigene, eben ganz andere als beim Radfahren", äußert sich Röcker. Beim Radfahren werden zwar ähnliche, aber doch bei Weitem nicht die gleichen Muskelgruppen wie beim Laufen angesprochen.
So bauen Sie Radfahren in die Vorbereitung ein
"Es gebe nur zwei Aspekte, unter denen das Lauftraining durch Radfahren sinnvoll ergänzt werden könne", sagt Röcker: "Erstens sei dies regeneratives Training nach harten Laufbelastungen. Zweitens: Als Grundlagenausdauereinheit mit hoher Trainingsdauer (eine bis sechs Stunden) und insgesamt geringer Belastungsintensität", so der Experte.
Die Übertragung der Belastung beim Radfahren auf die beim Laufen ist sehr problematisch, da hierbei viele unterschiedliche physikalische und leistungsphysiologische Größen eine Rolle spielen. Ein Vergleichsmaß könne jedoch die Berechnung des Energieverbrauchs sein, der für das Laufen mit etwa 4 kJ pro Kilogramm Körpergewicht und pro gelaufenem Kilometer angegeben werde, sagt der Arzt. Dieser Wert ist interessanterweise vom Lauftempo ziemlich unabhängig, da geschwindigkeitsabhängige Größen wie der Luftwiderstand beim Laufen keine wesentliche Rolle spielen.
Beim Radfahren sieht dies anders aus: Der Energieverbrauchswert steigt hier von 0,2 kJ bei 4 km/h bis auf das Zehnfache bei 45 km/h an. Diese Berechnung gilt für einen 70 Kilogramm schweren Sportler, der sein Radtraining auf ebener Strecke ohne Gegenwind auf dem Rennrad absolviert. Bei einem Tempo von 20 km/h auf dem Fahrrad müsste man also etwa viermal so viele Radkilometer absolvieren, um denselben Energieverbrauch zu erzielen wie beim Laufen. Bei einem Lauftempo von 10 km/h entspräche dieses Beispiel also einer doppelten Belastungsdauer für das Radfahren. Fazit: Mit einem Umrechnungsfaktor von etwa einem Laufkilometer zu vier Fahrradkilometern erhalten Sie hier einen Durchschnittswert. Bei einem regenerativen 10-km-Lauf im Trainingsplan, den man nun durch eine Radeinheit ersetzen möchte, hieße dies: Man sollte mindestens 40 Kilometer auf dem Rad sitzen, um einen ähnlichen Effekt zu bewirken.
Die Vorteile auf dem Rad
Jedoch hat das Radtraining, wenn es sinnvoll in die Vorbereitung integriert wird, auch deutliche Vorteile. In der Marathonvorbereitung wird der menschliche Bewegungsapparat bei Kilometer-Umfängen von manchmal über 80 Kilometern pro Woche stark beansprucht. Das kann sich bei leichten Fehlstellungen langfristig negativ auswirken. Deshalb sind auch in der gezielten Vorbereitung Alternativsportarten wichtig. Denn so kann man länger und intensiver trainineren - ohne sich schnell dem Risiko von Verletzungen auszusetzen.
Fazit: Die richtige Mischung ist der Schlüssel zum Erfolg
Während zu Beginn und im Mittelteil der Marathon-Vorbereitung das Radfahren eine gute Alternative zu weiteren Laufkilometern darstellt, sollte in der finalen Phase der Vorbereitung auf das Radtraining verzichtet und stattdessen der Schwerpunkt auf das Laufen gelegt werden. Nichtsdestotrotz zählt das Radfahren nicht nur zu den beliebtesten alternativen Trainingsmethoden, sondern bietet auch viele Vorteile, so etwa, dass der menschliche Bewegungsapparat bei sonst noch höheren Laufkilometer-Umfängen etwas geschont wird. Das Radtraining kann den Trainingsplan sinnvoll ergänzen, (auch muskulär) für einen gewissen Ausgleich sorgen und einen zusätzlichen Trainingseffekt sowie Abwechslung bringen. Mit der richtigen Mischung kommen Sie gesund und mit ausreichend Spaß und Abwechslung ans Ziel, auch wenn dies das Erreichen einer neuen persönlichen Marathon-Bestzeit sein sollten.
/// BILD: Jubelnder Läufer beim Marathonfinish ///