Haben Sie in letzter Zeit schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Sie beim Laufen schief angeguckt wurden? Oder dass Passanten demonstrativ weit zur Seite gehen, wenn Sie ihnen entgegenkommen? Tatsächlich scheint sich die Unsicherheit gegenüber schwer keuchenden Sportlern groß zu sein. Geht von ihnen und ihren Atemwolken nicht vielleicht doch ein erhöhtes Ansteckungspotential aus?
Zu genau diesem Schluss kommt ein kürzlich veröffentlichter Aufsatz, der von Medien weltweit rezipiert wurde und auf Social-Media-Kanälen im wahrsten Sinne "viral" gegangen ist. Darin heißt es, dass der empfohlene Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern beim Sport nicht ausreichen könnte. Was ist davon zu halten?
Das sind die häufigsten Fragen zum Thema Ansteckungsgefahr beim Laufen.
Worum geht es in der neuen Studie?
Eine Gruppe Wissenschaftler der TU Eindhoven und der KU Leuven in Belgien hat in einem Aufsatz die Tröpfchenbewegung beim Laufen bzw. Radfahren mit der beim normalen Gehen und Stehen verglichen. Per Computermodulation wurde untersucht, wie sich die ausgeatmete Luft – und damit potentiell ansteckende Mikroteilchen – verteilen.
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Aber: Als echte Studie lässt sich das, was die Wissenschaftler bisher veröffentlicht haben, eigentlich gar nicht bezeichnen. Zu den wissenschaftlichen Methoden und dem genauen Ausgangsannahmen der Simulation ist nichts bekannt. Alle Medien berufen sich auf diese kurze Zusammenfassung der Ergebnisse.
Zu welchen Ergebnissen sind die Wissenschaftler gekommen?
Die Quintessenz der Ausarbeitung: Je schneller eine Person sich bewegt, desto größer ist die Wolke an Aerosolen, die sich hinter ihr bildet. "Wenn jemand beim Laufen oder Fahrradfahren ausatmet, hustet oder niest, zieht er die Mikropartikel im Windschatten hinter sich her. Personen, die sich in diesem Windschatten befinden, geraten in eine Tröpfchenansammlung", erklärt der Leiter der Studie Bert Blocken. Beim Laufen könne diese Wolke bis zu 5 Metern lang werden, beim Radfahren sogar bis zu 20 Meter.
Zwar würden die schweren Partikel, die Vieren normalerweise am stärksten übertragen (für Covid-19 ist das noch nicht belegt), auch beim Sport sehr schnell nach unten fallen. "Innerhalb der Tröpfchenwolke können sie aber trotzdem auf dem Körper der nachfolgenden Person landen", erklärt Blocken. Konkret würde das bedeuten, dass der allgemein empfohlene Sicherheitsabstand von 1,5 bis 2 Metern beim Sport nicht ausreicht. Eine Ansteckung bei einem (unwissentlich) infizierten Sportler wäre laut der Studie innerhalb dieses Abstandes nämlich möglich.
Wie aussagekräftig sind die Ergebnisse?
Da zum genauen Aufbau der Studie nichts bekannt ist, lässt sich deren Aussagekraft nicht einschätzen. Die Wissenschaftler selbst weisen darauf hin, dass sie "aufgrund der Dringlichkeit der Situation" ihren Text veröffentlicht haben, ohne die gängigen wissenschaftlichen Begutachtungsverfahren (Peer Review) zu durchlaufen. Spätestens bis das passiert ist, sind die Ergebnisse also mit Vorsicht zu genießen. Kritisiert wird außerdem, dass Studienleiter Blocken und sein Team aus den Bereichen Aerodynamik und Ingenieurwesen kommen und sich zwar mit Windschatten, nicht aber mit Virenübertragung auskennen.
Solange keine vollständige und überprüfte Studie vorliegt, sind Verhaltensempfehlungen für Läufer auf Basis dieser Erkenntnisse unseriös. Bedenklich ist, dass die Bilder und Simulationen in den Sozialen Medien geteilt werden und damit Unsicherheit gegenüber Läuferinnen und Läufern schüren.
Was sagen andere Experten zum Thema Ansteckungsgefahr beim Sport?
Darüber, wie gut sich das Coronavirus in der Luft unter freiem Himmel wirklich verteilt, gibt es noch keine belastbaren Erkenntnisse. Aktuell wird davon ausgegangen, dass die Coronaviren bis zu drei Stunden in Areosolen, also auf schwebenden Minipartikeln in der Atemluft, überleben können. Allerdings verflüchtigen diese sich im Freien sehr schnell. "Wenn man draußen ist, verdünnt sich das, was man ausatmet und damit auch ein Virus", sagt Virologe Christian Drosten in seinem NDR-Podcast. Er verweist auch auf äußere Einflüsse wie Wind, die praktisch immer vorhanden seien.
Auch die offiziellen Stellen haben ihre Empfehlungen zum Verhalten in der Öffentlichkeit nicht angepasst. Weiterhin gilt: Den Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten und sich im öffentlichen Raum nur alleine oder mit Haushaltsangehörigen bzw. einer weitern Person aufzuhalten. Individueller Sport ist unter diesen Voraussetzungen weiterhin erlaubt.
Schützen Masken beim Laufen?
Masken, Mundschutze oder über Mund und Nase gezogene Schlauchtücher schützen nicht vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus. Aber sie können helfen, den eigenen Tröpfchenausstoß zu verringern und damit andere schützen. Besonders an stark frequentierten Orten kann das Tragen einer solchen Bedeckung empfehlenswert sein. In jedem Fall lässt sich damit als Läufer ein rücksichtsvolles Signal an die Mitmenschen senden.
Wie laufe ich am sichersten – für mich und meine Mitmenschen?
Glaubt man den niederländisch-belgischen Wissenschaftlern, sollten Läufer mindestens einen Abstand von fünf Metern zueinander halten, wenn sie hintereinander laufen. Besonders in Parks und auf beliebten Wegen ist das aber fast unmöglich. Das können Läufer trotzdem tun:
- Vermeiden Sie die stark frequentierten Laufstrecken. Wenn Sie die Möglichkeit haben, Laufen Sie in der Natur. Je einsamer und weitläufiger, desto besser.
- Verlagern Sie Ihr Training auf ungewöhnliche Zeiten. Früh am Morgen und spät am Abend sind weniger Menschen unterwegs.
- Rücksicht geht vor Tempo. Wer auf andere Menschen trifft, sollte langsamer werden und großzügig ausweichen. An engen Stellen kann das auch bedeuten, stehenzubleiben und andere passieren zu lassen.
- Überholen Sie andere Läufer oder Spaziergänger möglichst großzügig.
- Sollte ohnehin klar sein: Wer sich nicht fit fühlt und/oder Symptome zeigt, sollte in keinem Fall Laufen gehen.
Auch wenn eine neue wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hindeuten, dass der bisher geltende Sicherheitsabstand für Läufer möglicherweise nicht groß genug ist, ist es weiterhin sicher, draußen laufen zu gehen. Bis die Erkenntnisse überprüft sind, sollten Sie sich nicht verunsichern lassen. Jetzt noch mehr auf Abstandsregelungen zu achten und beliebte Laufstrecken zu meiden, ist aber nicht verkehrt.

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