Dem Halbmarathon gehört die Zukunft. Diese Prognose drängt sich auf, wenn man die Teilnehmerentwicklung auf dieser Strecke betrachtet, die deutlich nach oben zeigt – während gleichzeitig die Teilnehmerzahlen bei den Marathonläufen leicht sinken. Der Halbmarathon mausert sich zur beliebtesten Laufdistanz in Deutschland – vielleicht weil er den Marathon im Namen trägt, ohne so lange zu dauern. Mythos ist Mythos, auch zur Hälfte sozusagen.
Worin der Erfolg des Halben auch immer liegen mag, eins steht jedenfalls fest: Ein Halbmarathon ist weit mehr als ein halber Marathon. Denn auch der Halbmarathon stellt mit seinen 21 Kilometern eine echte Herausforderung dar, hat aber seine eigenen Reize. „Einfach so“ kann man einen Halbmarathon natürlich nicht mitlaufen. Im Gegenteil. Die Vorbereitung bedarf zwar eines geringeren Aufwands als der Marathon, doch das Gefühl, sich auszubelasten, ist ausgesprochen intensiv. Es dauert nur eben nicht so lange wie beim Marathon, und entsprechend ist auch die Zeit des Leidens nur halb so lang, wenn nicht kürzer.
Wie groß ist der Trainingsaufwand für einen Halbmarathon?
Wenn Sie noch nie einen Halbmarathon absolviert haben, reicht es aus, in ein und demselben Tempo mindestens dreimal pro Woche insgesamt über zwei Stunden unterwegs zu sein. Ansonsten gilt dasselbe wie beim Marathon: Je mehr Sie laufen, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Pauschal kann man aber sagen: Um erfolgreich einen Halbmarathon zu finishen müssen Sie zwei- bis dreimal pro Woche trainieren.
3 bis 4 Mal Training/Woche: Ein Zeitziel bis 2:00 Stunden ist machbar
4 bis 5 Mal Training/Woche: 1:45 Stunden sind möglich
5 bis 6 Mal Training/Woche: 1:35 Stunden sind möglich
6 Mal Training/Woche: 1:25 Stunden sind möglich
Wie lange dauert die Vorbereitung für einen Halbmarathon?
Um sich auf die speziellen Ansprüche einer Laufstrecke einzustellen, braucht der Körper drei Monate. Die Streckenlänge des Wettkampfziels spielt dabei keine große Rolle. Wer über fünf oder zehn Kilometer topfit an den Start gehen will, benötigt diese Zeit, um seine Fähigkeit auszubauen, schnell zu laufen, obwohl der Körper durch Ansteigen des Laktatspiegels zu übersäuern beginnt. Wer einen Marathon finishen will, braucht ebenso lange, um seine Fähigkeit zu trainieren, unterhalb der Laktatschwelle zu laufen, und wer einen Halbmarathon laufen will, braucht die Zeit für das Training im Bereich der Laktatschwelle.
Drei Monate sind eine lange Zeit, deshalb lautet die Devise: Weg mit überflüssigen Laufkilometern, um keine Energie zu vergeuden. Jeder Laufkilometer, der nicht einer sinnvollen Vorbereitung dient, ist ein „toter“ Laufkilometer, also einer, der Sie eher ermüdet als weiterbringt. Ruhetage gehören deshalb zum Pflichtprogramm in unserer Vorbereitung. Bei Halbmarathon-Einsteigern besteht die Woche sogar aus mehr Ruhe als Lauftagen, bei den engagierten Läufern folgt fast auf jeden Lauftag ein regenerativer Tag, und erst bei den Profis gibt es überhaupt keine Ruhetage mehr.
Was ist die wichtigste Laufeinheit in der Halbmarathon-Vorbereitung?
Der Halbmarathon ist eine Distanz, die direkt an der sogenannten Laktatschwelle gelaufen wird. Diese Schwelle ist der wichtigste Gradmesser für den Halbmarathon-Erfolg. Sie lässt sich nur im Rahmen einer leistungsdiagnostischen Untersuchung messen, aber alle, die nie eine solche Untersuchung machen lassen, sollten wissen: je höher die Laktatschwelle, desto schneller lässt sich der Halbmarathon laufen. Die wichtigste Form, um dies zu trainieren, sind sogenannte Tempodauerläufe.
Dabei laufen Sie über zunehmend längere Abschnitte nahezu im angestrebten Halbmarathon-Renntempo. Das trainiert Ihre Fähigkeit, dieses Tempo möglichst lange durchzuhalten, ohne zu ermüden. Ihr Körper lernt, mit der Erschöpfung der Energiespeicher umzugehen. Nicht zu verachten ist aber auch der psychologische Effekt, denn man gewöhnt sich dabei an die Wettkampfgeschwindigkeit und verliert die Angst vor dem Zieltempo.
Muss man vor dem Halbmarathon auch lange Läufe machen?
Ebenso wie man beim Marathon im Training nicht die gesamte Strecke laufen muss, um am Tag X den Marathon zu schaffen, ist dies auch beim Halbmarathon nicht nötig. Allerdings wäre es beim Halbmarathon grundsätzlich ein geringeres Problem, denn eine vermehrte orthopädische Belastung tritt erst nach einer Laufdauer von über drei Stunden ein – danach nimmt das Verletzungsrisiko sprunghaft zu.
Da aber kaum jemand mehr als drei Stunden für einen Halbmarathon benötigt (die langsamsten Läufer brauchen etwa 2:45 Stunden), wäre es – selbst wenn man zu dieser langsamen Gruppe gehört – durchaus möglich, schon im Training Einheiten zu absolvieren, die ebenso lange dauern, wie man für den Halbmarathon brauchen wird. Doch das tut nicht not, und deshalb schlagen wir es in unseren Trainingsplänen auch nicht vor.
Alle Effekte eines Long Jogs werden schon bei Läufen von 90 Minuten Dauer erreicht. Das heißt nicht, dass man nicht länger laufen muss, aber es bedeutet, dass eine positive Anpassung des Herz-Kreislauf-Systems nicht mit jeder weiteren Minute proportional ansteigt. Die Erfahrung zeigt, dass der längste lange Lauf in der Vorbereitung auf einen Halbmarathon nach der folgenden Formel festzulegen ist: Zielzeit minus 15 Prozent gleich längster Lauf. Bei Läuferinnen und Läufern mit einer Zielzeit von 2:15 Stunden bedeutet das, dass Sie im Training knapp zwei Stunden am Stück gelaufen sein sollten, wenn Sie am Wettkampftag den ganzen Halbmarathon laufend bewältigen wollen.
Für Laufprofis, die für die 21 Kilometer weniger als 90 Minuten benötigen, gilt diese Formel allerdings nicht, denn die erwünschten Effekte eines langen Laufs setzen erst ab einer Laufdauer von etwa 90 Minuten ein. So lange muss also auch ein Weltklasse-Halbmarathon-Läufer in der Vorbereitung unterwegs sein, der für diese Distanz im Wettkampf gerade mal eine gute Stunde braucht.
Schwierigkeiten bei der Halbmarathon-Vorbereitung
Sie haben sich viel vorgenommen. Unsicherheiten sind da normal und in den Griff zu bekommen.
In der Halbmarathon-Vorbereitung permanent hungrig und müde zu sein – ist das normal?
Das Phänomen ist nichts Ungewöhnliches, denn für eine Wettkampfvorbereitung, gerade für die langen Distanzen, gelten zwei Regeln:
- Wer mehr trainiert, muss mehr essen. Für jeden Kilometer, den Sie plötzlich im Training mehr als sonst laufen, benötigen Sie etwa 60 Kalorien extra – außer Sie wollen abnehmen. Laufen Sie nun 60 statt 40 Kilometer, brauchen Sie pro Woche 1.200 Kalorien mehr. Das heißt, Sie müssen täglich zirka 170 Kalorien zusätzlich zu sich nehmen.
- Wer mehr trainiert, muss mehr schlafen. Wer zu wenig schläft, gewährt dem Körper nicht genügend Zeit, sich zu regenerieren. Bei einem gesteigerten Trainingsaufwand gilt die RUNNER’S-WORLD-Faustregel: Für jede zusätzlichen 10 Trainingskilometer pro Woche brauchen Sie 15 Minuten mehr Schlaf pro Nacht. Wer statt 40 nun 60 Kilometer wöchentlich läuft, sollte also regelmäßig eine halbe Stunde länger schlafen.
Gibt es eine Möglichkeit festzustellen, ob das Training zu viel ist?
Ja, machen Sie dazu folgenden Test:
- Legen Sie sich 10 Minuten ruhig und entspannt hin. Stehen Sie anschließend langsam auf und warten Sie exakt 12 Sekunden, bevor Sie Ihren Puls 6 Sekunden lang messen. Schreiben Sie die Pulszahl auf.
- Messen Sie exakt 90 Sekunden, nachdem Sie aufgestanden sind, noch einmal Ihren Puls, diesmal über einen Zeitraum von einer halben Minute. Notieren Sie sich wieder die Zahl der Schläge.
- Multiplizieren Sie nun die erste Zahl mit 10 und die zweite mit 2, dann erhalten Sie jeweils einen Wert, der die Herzfrequenz pro Minute angibt.
- Machen Sie diesen Test jeden Tag zur selben Tageszeit. Sind Sie übertrainiert oder laufen Sie Gefahr, zu viel zu trainieren, werden Sie über einen längeren Zeitraum einen Anstieg der Herzfrequenz im Test beobachten. Bleibt die Herzfrequenz gleich oder sinkt sie, besteht kein Anlass, etwas am Training zu ändern.
Der Wettkampf
Sie haben lange auf Ihren Halbmarathon trainiert. Noch einige Tipps auf die Rennstrecke.
Was ist die beste Renntaktik für einen Halbmarathon-Wettkampf?
Eine von uns immer wieder zitierte Untersuchung der University of Wisconsin (USA) kommt zu einem differenzierten Resultat: Danach scheint die beste Renntaktik für ein Langstreckenrennen wie den Halbmarathon die „51-49-Einteilung“ zu sein. Bei der Studie erreichten diejenigen Probanden bei einem Halbmarathon die schnellsten Endzeiten, welche die erste Hälfte in 51 Prozent der angestrebten Endzeit zurücklegten und die zweite Hälfte in einem Tempo liefen, das den verbliebenen 49 Prozent entsprach. Die Erklärung scheint plausibel: Wer zu schnell in den Halbmarathon startet, läuft schnell oberhalb der Laktatschwelle und bildet schon in der Anfangsphase so viel Milchsäure, dass eine optimale Leistung im Schlussteil unmöglich erscheint.
Was bedeutet die 51-49-Taktik nun für Sie konkret? Nehmen wir an, Sie wollen den Halbmarathon in zwei Stunden bewältigen. Das entspräche zwei gleich schnell gelaufenen Hälften à 60 Minuten auf 10,5 Kilometer (5:40 Minuten/Kilometer). Die 51-49-Taktik würde nun bedeuten, dass Sie die erste Hälfte in 61:30 Minuten (5:50 Minuten/Kilometer) anlaufen und dann so forcieren, dass Sie die zweite Hälfte in 58:30 Minuten schaffen, was einem Tempo von 5:35 Minuten/Kilometer entspricht.
Unser Tipp: Erscheint Ihnen eine solche Temposteigerung zu extrem, entwickeln Sie doch einfach Ihre eigene Taktik, natürlich nach diesem Vorbild. Es müssen ja nicht genau 51 und 49 Prozent sein. Hauptsache, der erste Teil wird langsamer angelaufen als das Zielzeittempo und – das Wichtigste – keinesfalls schneller. Hier geht es zur Tempotabelle für den Halbmarathon.
Unterscheidet sich die Ernährung in der Halbmarathon-Vorbereitung von der eines Marathonwettkampfs?
Das vom Marathon bekannte „Carboloading“, das Tanken von Kohlenhydraten am Tag vor dem Wettkampf, lohnt sich erst ab Distanzen, die länger sind als 25 Kilometer – es sei denn, der Halbmarathon-Kurs ist sehr bergig. Berglaufen verbrennt nämlich derart viel Muskelglykogen, dass sich bei stark profilierten Strecken ein Carboloading schon ab Distanzen von 10 Kilometern lohnt.
Die Flüssigkeitsaufnahme ist während eines Halbmarathons nur halb so wichtig wie bei einem Marathon. Natürlich schadet es auch ambitionierten Läufern nicht, beim Laufen zu trinken, aber ob sie deshalb schneller ins Halbmarathon-Ziel kommen, ist zu bezweifeln. In der Regel geht man davon aus, dass Sportgetränke erst nach 45 bis 75 Minuten Wirkung zeigen. Je länger Sie unterwegs sind, desto wichtiger ist die Getränkeaufnahme. Wer über zwei Stunden für die Distanz benötigt, ist gut beraten, mindestens dreimal zwischendurch zu trinken. Eine entscheidende Rolle spielt das Wetter: Je wärmer es am Wettkampftag ist, desto mehr müssen Sie trinken und desto eher sollten auch schnellere Läufer zur Flasche greifen.