Hier im Norden, wo sich unsere Redaktion befindet, sagen wir: Sturm ist erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben. In den letzten Jahren begleitet uns der Wind immer häufiger auf der Laufstrecke. An heißen Sommertagen ist er eine willkommene Abkühlung, im Herbst geht er einem auf die Nerven, wenn er täglich weht. Tatsächlich wird der Wind von Läuferinnen und Läufern unterschiedlich empfunden: Was sich für die einen wie eine steife Brise anfühlt, ist für andere ein orkanartiger Sturm.
Aber egal, wie stark der Wind weht: Er kostet Kraft, physisch und psychisch. Und er macht uns stärker. Wir erklären, wann du lieber nicht mehr draußen laufen gehen solltest und mit welchen Tipps auch diejenigen, die den Wind nicht mögen, bedenkenlos ihre Laufschuhe schnüren können.
Joggen bei Wind: Warum Luftwiderstand mehr ausmacht, als du denkst
Wir laufen immer gegen den Luftwiderstand. Deshalb lautet die Empfehlung für ein übertragbares Training auf dem Laufband, die Steigung auf etwa 1,5 Prozent einzustellen. Bei Windstille ergibt sich der Strömungswiderstand durch unsere Laufgeschwindigkeit. Je höher das Tempo, desto höher also der Widerstand.
Wenn es um die Auswirkung von Wind auf die Laufgeschwindigkeit geht, kommt es besonders auf vier Faktoren an:
Windrichtung
Eine Studie von 1980 zeigt: Gegenwind reduziert die Laufgeschwindigkeit doppelt so stark, wie Rückenwind das Lauftempo erhöht. Mit einem Gegenwind von etwa 15 km/h verliert man pro Kilometer ungefähr 7,5 Sekunden, gewinnt bei gleichem Rückenwind allerdings nur knapp 3,7 Sekunden hinzu. Bei einem dreistündigen Marathon im Gegenwind würdest du etwa 10 Minuten länger laufen, bei einem vierstündigen Marathon wären es 15 Minuten. Eine zweite Studie konnte zeigen, dass bei Gegenwind der Sauerstoffverbrauch steigt, wodurch sich auch der Energieverbrauch erhöht.
Streckenführung
Gegenwind direkt nach dem Start oder in der Mitte der Streckenführung wirkt sich weniger stark auf die Laufgeschwindigkeit aus als kurz vor dem Zieleinlauf. Klar: Am Ende eines Laufs haben wir weniger Energie übrig, um das Tempo gegen den Wind aufrechtzuerhalten.
Laufgeschwindigkeit und Streckenlänge
Wer langsam läuft, ist länger auf der Strecke und muss dementsprechend auch länger im Gegenwind laufen. Bist du schon einmal bei windigem Wetter unterwegs gewesen, weißt du, dass es einen Unterschied macht, ob man 30 Minuten, eine Stunde oder 90 Minuten gegen den Wind ankämpft. Deshalb haben Läuferinnen und Läufer mit einer niedrigeren Geschwindigkeit durchschnittlich höhere Leistungseinbußen, obwohl der Windwiderstand bei einer schnelleren Pace eigentlich höher ist.
Windschattenlaufen
Dass Windschattenlaufen sinnvoll ist und schneller macht, ist lange bekannt. Nicht umsonst haben die Profis Tempomacher oder Hasen. Amateurinnen und Amateure wiederum kämpfen bei wichtigen Wettkämpfen darum, direkt nach dem Start in die richtige Gruppe zu laufen, weil es allein nicht nur mental, sondern auch physisch anstrengender ist. So legte eine Studie aus 1971 folgende Verringerungen des Windwiderstandes offen: 80 Prozent bei 1 Meter, 50 Prozent bei 1,5 Meter und 30 Prozent bei 3 Meter.
Wie stark macht Gegenwind mich langsamer?
Jetzt wird es ein wenig theoretisch: Die Auswirkung von Wind auf die Laufgeschwindigkeit steigt mit zunehmendem Lauftempo bzw. Windstärke im Quadrat an. Wie auch bei Windstille ist der bremsende Effekt des Windes also stärker, je schneller du läufst. Wenn du beispielsweise mit 12 km/h gegen 15 km/h Windgeschwindigkeit anläufst, läufst du gegen einen Widerstand von 27 km/h. Mit 17 km/h rennst du bei gleicher Geschwindigkeit gegen 32 km/h an. Allerdings scheint sich Gegenwind bei langsameren Läuferinnen und Läufern insgesamt stärker auf die Gesamtzeiten auszuwirken.
Für alle, die es ganz genau wissen wollen, gibt es hier einen Rechner für die Auswirkung von Wind auf die Laufgeschwindigkeit.
Kann man bei starkem Wind joggen – und ab wann wird es gefährlich?
Die Antwort auf die Frage lautet: Ja, man kann bei starkem Wind joggen gehen. Allerdings solltest du dabei einige Hinweise beachten:
Die Beaufort-Skala gibt einen Überblick darüber, welche Auswirkungen die jeweiligen Windstärken auf die Umwelt haben. Daran kannst du recht gut ablesen, wie sicher das Laufen im Freien bei einer bestimmten Windstärke ist.
Der ADAC mahnt ab Windstärke 5 zur Vorsicht und empfiehlt, ab Windstärke 8 Motorräder und Autos stehenzulassen. Beim Skispringen stehen Wettkämpfe bereits ab Windstärke 3 auf der Kippe. Bei Laufwettkämpfen, vor allem bei Bergläufen, ist spätestens „starker Wind“, also Windstärke 6, je nach Streckenverlauf Grund genug für eine Absage.
Allerdings lautet die Frage auch: Was ist starker Wind? Wo fängt Sturm an? Unten findest du die Windstärken im Überblick:
Was ziehe ich beim Joggen bei Wind an?
Bei Wind fühlt sich die Außentemperatur kühler an, als sie tatsächlich ist. Man spricht hierbei auch vom sogenannten Windchill(-Effekt). Dieser gibt für Temperaturen unterhalb von 10 °C den Unterschied zwischen der gemessenen und gefühlten Temperatur, abhängig vom Wind, an.
Bei windigen Bedingungen solltest du am besten enge, winddichte Kleidung anziehen. Herumflatternde Klamotten sorgen zwar für Antrieb bei Rückenwind, machen das Laufen gegen den Wind jedoch deutlich anstrengender als notwendig. Und schließlich gilt: Das Rennen gewinnt man nicht mit dem Wind, sondern gegen den Wind. Empfehlenswert sind enge Tights, ein atmungsaktives Unterhemd und ein T-Shirt oder Langarmshirt. Manchmal können auch zwei Langarmshirts übereinander sinnvoll sein. Darüber lieber eine Weste als eine Jacke. Das gilt vor allem im Sommer, wenn es neben dem Wind warm genug für ein kurzes Shirt oder ein Lauftop ist.
Wichtig ist, dass der Oberkörper nicht auskühlt. Wer lieber mit Trainingsjacke, Laufjacke oder Sportpulli läuft, sollte auf eine Kapuze verzichten. Diejenigen, die zu Halskratzen oder Halsschmerzen neigen, ziehen am besten eine Jacke oder Weste mit hohem Kragen an. An kühlen Tagen können ein Loop oder ein Halstuch zusätzlich schützen. Im Herbst und Winter hält ein Stirnband oder eine Mütze Ohren und Kopf warm.
In Sachen Material solltest du darauf achten, dass deine Kleidung atmungsaktiv ist, damit du nicht zu sehr schwitzt. Das erhöht nämlich das Risiko, sich eine Erkältung einzufangen. Läuferinnen, die anfällig für Blasenentzündungen sind, können eine Shorts über ihre Tights ziehen, damit der Beckenbereich im Wind warm bleibt.
Verzichte nach Möglichkeit auf Accessoires wie Schirmmütze oder Sonnenbrille. Bei starkem Wind ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du sie auf der Strecke verlierst.
Wenn du beispielsweise von der Arbeit nach Hause laufen möchtest, aber nicht auf windige Bedingungen vorbereitet bist, kann ein großer Müllsack mit drei Löchern für Kopf und Arme Hilfe leisten. Im Notfall reicht sogar ein kleiner Müllbeutel, den du an Bauch unter Unterrücken zwischen Unterhemd und Laufshirt klemmen kannst. So schützt du dich vorm Auskühlen.
Laufstil im Gegenwind: So passt du dein Training an
Ein spezieller Laufstil bei Gegenwind? Ja, das ist sinnvoll. Allerdings ist es mit dem Gegenwind ähnlich wie mit dem Bergauflaufen: Die meisten verändern ihren Laufstil intuitiv und passen Körperhaltung, Schrittlänge und Schrittfrequenz sowie Lauftempo an die anspruchsvollen Gegebenheiten an.
Beim Laufen mit Gegenwind fühlt es sich so an, als würden wir in der Luft stehenbleiben. Um den Vortrieb zu erhalten, solltest du deshalb die Schrittlänge verkürzen. Das ist weniger anstrengend, und ein häufiger Bodenkontakt mit vielen Abdruckphasen hält das Tempo hoch.
Indem du deine Schrittlänge verkürzt, erhöhst du fast automatisch deine Schrittfrequenz. Bei starkem Wind ist das erste Ziel, die übliche Frequenz zu halten, das zweite, sie zu erhöhen. Das spart Energie und erleichtert es, das Tempo aufrechtzuerhalten.
Beuge zusätzlich deinen Oberkörper leicht nach vorn und lehne dich in den Wind. Normalerweise passiert das automatisch, aber wer bewusst darauf achtet, kann dadurch vor allem am Ende der Laufrunde etwas Energie sparen. Bei Rücken- und Seitenwind kannst du bei deinem gewohnten Stil bleiben.
Du hast deine Schrittlänge verkürzt, die Schrittfrequenz erhöht, läufst leicht nach vorn gebeugt, und trotzdem gibt es kein Vorwärtskommen? Dann hilft nur eins: Lauftempo reduzieren und langsamer laufen! Vielleicht wird an diesem Tag aus dem schnellen Lauf ein langsamer Dauerlauf oder aus dem Intervalltraining ein Training im Grundlagenausdauerbereich.
Die richtige Laufstrecke bei Wind
Bei leichtem Wind ist eine Laufrunde durch den Wald eine echte Alternative! Der Wind ist hier oft kaum spürbar und hat somit keinen nennenswerten Effekt auf dein Tempo und dadurch auch auf die geplante Trainingsintensität.
Eigentlich versteht es sich von selbst, trotzdem weisen wir explizit darauf hin: Laufen im Wald oder auf Strecken mit vielen Bäumen bei Windstärken über 5 kann gefährlich werden! Auch wenn es bequemer erscheint, im windgeschützten Wald zu laufen, solltest du bei starkem Wind und Windböen eine Strecke abseits von Wäldern suchen. Wenn möglich, verlege dein Training auf die Laufbahn oder ins Stadion.
Vielen Läuferinnen und Läufern ist es ein Gräuel, die gleiche Strecke für den Hin- und Rückweg zu nutzen. Bei starkem Wind ist diese Variante jedoch ein guter Tipp. Denn auf diese Weise kannst du deine Kräfte besser einteilen. Laufe zuerst gegen den Wind, dann bist du nämlich noch frisch und motiviert. Auf dem Rückweg kannst du den Rückenwind entweder nutzen, um dich entspannt nach Hause pusten zu lassen, oder um eine bessere Pace zu jagen.
Hast du ein Tempo- oder Intervalltraining auf der Tartanbahn geplant, kommst aber gegen Wind kaum vorwärts? Wechsle zwischendurch einfach die Laufrichtung! Renne mal mit dem Wind und mal gegen den Wind. Das eine motiviert und das andere trainiert.
Wind am Wettkampftag: So passt du Pace und Taktik an
Windige Bedingungen am Wettkampftag stellen Läuferinnen und Läufer vor eine zusätzliche Herausforderung und können die gesamte Wettkampftaktik zunichtemachen. Besonders ärgerlich, da die meisten monatelang für eine neue Bestzeit trainiert haben.
5 Tipps für einen Wettkampf mit Gegenwind
Lauftempo anpassen
Erlaube dir, bei Gegenwind langsamer zu laufen. Auch, wenn du genau in diesem Rennen eine Bestzeit aufstellen wolltest. Lasse dich von sieben bis 20 Sekunden Temporeduzierung pro Kilometer im Gegenwind nicht aus der Ruhe bringen.
Höheren Energieverbrauch einplanen
Gegenwind kostet Kraft und Energie. Auf Langstrecken wie Halbmarathon, Marathon oder Ultramarathon solltest du mehr Verpflegung mit- und zu dir nehmen.
Regelmäßig trinken
Wind trocknet die Schleimhäute aus. Trinke regelmäßig, damit du gut hydriert ins Ziel kommst und um einen trockenen Hals und Husten zu vermeiden.
Windschattenlaufen
Suche dir eine Gruppe und nutze den Windschatten anderer Läuferinnen und Läufer. Stellt sich jeder mal in den Wind, erleichtert das Laufen in der Gruppe den Kampf gegen den Wind.
Rückenwind ausnutzen
Nutze den Antrieb des Rückenwinds, um deine Pace zu erhöhen. Aber vor allem: Atme durch und erhole dich kurz von den Strapazen des Gegenwinds.
Bei Bergläufen gibt es vor Wettkampfbeginn häufig Angaben und Hinweise zum Wetter. Hier wird unterschieden zwischen Windwarnung und Sturmwarnung. Aus Haftungsgründen entscheidet der Veranstalter über Wettkampffortführung oder Rennabbruch.
Wann du dein Lauftraining bei Wind lieber verschiebst
Auf Empfehlung des ADAC ist ab Windstärke 5 Vorsicht geboten. Hier kommen Bäume bereits ins Schwanken, sodass man ihre Äste ein wenig im Auge haben sollte. Ab Windstärke 8 können Zweige und Bäume reißen und wegfliegen, weshalb man spätestens jetzt Motor- und Fahrräder stehenlassen sollte.
Windige Bedingungen herrschen nicht immer über einen langen Zeitraum. Manchmal ist Wind auch der plötzliche Vorbote eines Wetterumschwungs oder eines Gewitters. Die Windstärke ist in solchen Situationen schwer vorhersehbar, meist ist eher der nachfolgende Regen oder das Unwetter der limitierende Faktor fürs Laufen. In solchen Momenten hilft ein Blick in die Wolken: Bei sehr dunklen, flächendeckenden Wolken solltest du dich entweder auf den Heimweg machen oder dafür sorgen, dass du dich im Notfall sicher unterstellen kannst. Im aktuellen Smartphone-Zeitalter helfen Apps, die eine ziemlich genaue Wettervorhersage ermöglichen, zum Beispiel die WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes (DWD).
Das Training sollte deine Gesundheit fördern und sie nicht gefährden. Überlege also immer, wann du dich draußen noch sicher fühlst und wann nicht mehr. Macht dir Wind grundsätzlich nichts aus, solltest du ab Windstärke 5 vorsichtig sein und spätestens bei Windstärke 8 über ein Alternativprogramm nachdenken.
Fragen rund um das Laufen bei Wind
Kälte stellt beim Laufen erst einmal kein Problem für unsere Lunge dar. Kalte Luft kann die Atemwege durchaus mehr reizen als es bei warmer Luft der Fall ist. Bis die eingeatmete Luft in Bronchien und Lunge angekommen ist, dauert es allerdings, sodass sie bis dahin erwärmt ist.
Um ein zu starkes Reizen oder Unterkühlen der Atemwege zu verhindern, kann das Anpassen der Atmung helfen. Versuche, so lange wie möglich durch die Nase zu atmen, und achte möglichst auf eine Zwerchfellatmung. Daneben kann auch ein Schal oder Schlauchtuch vor Mund und Nase helfen, die Luft beim Einatmen zu erwärmen und somit die Lunge weniger zu strapazieren.
Verlässliche Informationen zur Windstärke in deiner Region findest du beispielsweise beim Deutschen Wetterdienst (DWD). Hier kannst du spezifisch nach einem Ort suchen oder ein bestimmtes Bundesland auswählen. Außerdem kannst du nach Art der Wetterwarnung filtern und etwa zwischen Wind-, Glätte- oder Kältewarnung unterscheiden. Wenn du dir bei den unterschiedlichen Einstufungen unsicher bist, findest du dazu auch eine entsprechende Erläuterung des DWD.
Draußen ist es zu stürmisch, um das Training bedenkenlos zu absolvieren? Verständlich, dass jetzt Frust aufkommt, die Bewegung muss allerdings nicht komplett ausfallen. Hast du die Möglichkeit dazu, kannst du die Einheit auf das Laufband verlegen. Oder du nutzt die Chance und machst ein Stabi-Training, um deine Laufform zu optimieren. Wenn du eher Lust auf Ausdauertraining hast, könntest du auch in die Schwimmhalle fahren und hier einige Bahnen ziehen.
Selbstverständlich kannst du den spontanen Trainingsausfall auch einfach als Anlass für eine Pause nehmen und zum Beispiel mehr Zeit mit Familie oder Freunden verbringen. Eine Laufeinheit mehr oder weniger in der Woche, tut deinem Körper und deiner Fitness gar nichts.





