Training Stress Score: Trainingsbelastung objektiv messen

Training Stress Score
So misst du deine Trainingsbelastung objektiv

Veröffentlicht am 15.05.2025
Läuferin
Foto: Getty Images

Läufst du zu viel, zu wenig oder gerade richtig? Diese Frage ist oft nicht so leicht zu beantworten. Gerade bei ambitionierten sportlichen Zielen kann die Selbsteinschätzung trügen. Harte Läufe werden gerne unter- und lockere überschätzt. Der Training Stress Score (TSS) objektiviert den Effekt, den eine Einheit auf deinen Körper und deine Leistungsfähigkeit hat. Anhand einer konkreten Zahl siehst du genau, wie fordernd ein Lauf wirklich war und ob du danach eher einen Ruhetag brauchst oder Gas geben kannst.

Was bedeutet Training Stress Score?

Per sportwissenschaftlicher Definition ist der Training Stress Score eine Kennzahl, mit der du deine Trainingsbelastung standardisiert ermitteln und vergleichen kannst. Entwickelt wurde der TSS ursprünglich von dem amerikanischen Sportphysiologen Dr. Andrew Coggan, um im Radsport auf Basis aufgezeichneter Wattmessdaten die tatsächliche körperliche Belastung durch eine Einheit zu bestimmen. Heute wird das Konzept des Trainingsbelastungsfaktors im Ausdauersport allgemein angewendet. Athletinnen und Athleten sowie deren Coaches erhalten einen objektiven Messwert, um das Training besser vergleichen und steuern zu können. Der Nutzen des Training Stress Scores liegt vor allem darin, dass sich eine ggf. falsche Selbsteinschätzung korrigieren lässt und du Unter- oder Übertraining vermeiden kannst. Letzteres kann vor allem dann auftreten, wenn auch dein Alltag sehr belastend ist und sich negativ auf deine Gesundheit auswirken.

Von welchen Faktoren hängt der Training Stress Score ab?

Der Training Stress Score zieht nicht nur Einzelwerte wie die Durchschnittsgeschwindigkeit, Durchschnittsleistung oder die Herzfrequenz für die Analyse einer Einheit heran, sondern besteht aus verschiedenen Faktoren – und setzt sie in Relation zu deiner individuellen Leistungsfähigkeit. Dadurch bekommst du eine umfassende Bewertungsmöglichkeit für die Quantität und Qualität deines Trainings.

Im Wesentlichen basiert der TSS auf:

  • Der Dauer der Einheit: Je länger du trainierst, desto höher ist der TSS.
  • Der normalized Power (NP): Dabei handelt es sich um einen gewichteten Mittelwert deiner Leistungswerte, der kurzzeitige Spitzen einbezieht und die Intensität der Einheit exakter bewertet als ein einfacher Durchschnitt.
  • Die Functional Threshold Power (FTP): Deine individuelle aerob-anaerobe Schwelle – die Leistung, die du maximal über eine Stunde aufrechterhalten kannst.
  • Der Intensity Factor (IF): Der Intensitätsfaktor stellt das Verhältnis von NP zur FTP dar. Er ist also ein Bruchteil deiner persönlichen Schwelle.

Die Werte Normalized Power, Intensity Factor und Training Stress Score sind Marken von TrainingPeaks.

Wie berechne ich den Training Stress Score?

Mit den vier Faktoren lässt sich der Training Stress Score berechnen. Das geht mit folgender Formel:

TSS = (Belastungsdauer in Sek. x NP x IF) / (FTP x 3600 Sek.) x 100

Zur Erklärung: Läufst du beispielsweise genau 60 Minuten – also 3600 Sekunden – mit einem Intensitätsfaktor von 1, ergibt sich ein Training Stress Score von 100. Höher kann er bei einem einstündigen Training nicht ausfallen, da der FTP-Wert per Definition an eine Stunde gekoppelt ist. Bei einem langen Lauf ist dagegen ein höherer TSS möglich, weil der Wert der Belastungsdauer für die Berechnung maßgeblich ist. Eine knackige Tempoeinheit kann denselben TSS haben wie ein langer Riemen – die Belastung für dich ist gleich. So kannst du völlig verschiedene Einheiten vergleichen und deinen Trainingsplan danach abstimmen.

Wie kommst du aber an deine NP, FTP und den IF, um die Formel anzuwenden? Das erfordert einigen Aufwand, sofern du alles selbst ermitteln willst. Die FTP lässt sich noch relativ einfach über die Herzfrequenz herausfinden: Läufst du beispielsweise 30 Minuten konstant an der Schwelle, ergibt die mittlere Herzfrequenz der letzten 20 Minuten den Wert. Der IF ist dann die Herzfrequenz geteilt durch diesen Wert. Die NP dagegen lässt sich nicht so einfach vom Rad- auf den Laufsport übertragen. Besitzt du kein entsprechendes Gerät für die Wattmessung beim Laufen, gibt es kaum eine praktikable Möglichkeit für die Ermittlung dieses Parameters ohne Hilfsmittel. Du brauchst Hard- und Software dafür.

Mit welchen Tools messe ich meinen Training Stress Score?

Möchtest du deinen Training Stress Score wie ursprünglich vom Erfinder gedacht wattbasiert und möglichst exakt ermitteln, kommst du um den Einsatz eines entsprechenden Messgeräts nicht herum. Verschiedene Hersteller wie Garmin oder Stryd bieten Sensoren an, die du am Schuh oder am Bund deiner Hose befestigen kannst. Die Daten werden direkt an eine kompatible Laufuhr gesendet bzw. an eine Trainingssoftware und fließen in die Berechnung des Training Stress Scores ein.

Genügt dir eine weniger genaue Berechnung, kannst du den TSS herzfrequenzbasiert mit einer passenden Laufuhr mit Pulsmessung am Handgelenk oder via Brustmessgurt bestimmen. Den Training Stress Score per HR messen z. B. die Suunto-Uhren Run, Race, Vertical und 9 Peak. Bei Garmin sind die Serien Forerunner, Fenix und Vivoactive dazu in der Lage, wobei man für die Anzeige eine Erweiterung aus dem Connect IQ Store benötigt. Andere Hersteller wie Polar nutzen eine ähnliche Metrik unter anderem Namen – bei Polar etwa heißt sie Training Load Pro.

Zur übersichtlichen Auswertung und Analyse über die Zeit gibt es verschiedene Trainingsprogramme. Hier kannst du die Plattformen der Uhrenhersteller verwenden oder ein herstellerunabhängiges Portal. Dort werden der TSS und verschiedene, damit verbundene Metriken angezeigt. Etwa der akute/aktuelle Belastungswert, der längerfristige TSS (Chronic Training Load, CTL) und deren Verhältnis zueinander. Aus diesen und weiteren Werten leiten die Tools unter anderem deinen Erholungsbedarf ab und zeigen dir, ob dein Trainingsaufbau aus Mikro- und Makrozyklen stimmt.

Was ist ein guter Wert beim Training Stress Score?

Ein hoher TSS-Wert ist nicht automatisch ein guter TSS-Wert: Es kommt auf deine Trainingsziele, deine Leistungsfähigkeit und den Zeitpunkt in der Trainingsperiodik an. Orientierung bieten dir folgende Tabellen:

Hier siehst du, ob deine Laufeinheit die Zielsetzung erfüllt hat. Zeigt deine TSS beispielsweise für einen Regenerationslauf einen Wert von 125 an, war die Belastung viel zu hoch.

Ein zu hoher wöchentlicher Training Stress Score zerschießt mittel- und langfristig nicht nur deine Form, sondern ist auch ein Warnsignal für eine Überlastung.

Warum ist der Training Stress Score so wichtig?

Der TSS ist eine wichtige Metrik in der professionellen Trainingsplanung und Periodisierung – er hilft dir, deine Be- und Entlastungsphasen zu optimieren und so das Maximum aus deinem Sportprogramm herauszuholen. Der Training Stress Score ist sinnvoll, wenn du ambitionierte Laufziele hast. Du oder auch deine Trainerin oder dein Trainer kann damit:

  • Deine Belastung objektiv messen: Der Training Stress Score fasst Dauer und Intensität einer Einheit in einer einzigen Zahl zusammen. So kannst du auf einen Blick erkennen, wie „hart“ oder „leicht“ dein Training im Verhältnis zu deiner individuellen Leistungsfähigkeit war.
  • Dein Training steuern und periodisieren: Durch die laufende Erfassung von TSS-Werten über Tage und Wochen hinweg lässt sich das Gesamt-Trainingsvolumen genauso ableiten wie die kurzfristige Ermüdung. Die Hinweise auf deinen Fitness- und Erholungszustand ermöglichen es dir, den Trainingsplan optimal aufzubauen.
  • Übertraining vermeiden: Ein dauerhaft zu hoher Wochen-TSS gegenüber der Erholungskapazität führt zu kumulierter Ermüdung oder sogar Übertraining. Du kannst rechtzeitig Erholungsphasen einplanen, um Leistungsstagnation oder Verletzungen vorzubeugen.
  • Belastungen vergleichen: Ob Laufen, Radfahren oder Indoor-Training oder verschiedene Athleten – über den normierten Stress Training Score lassen sich Trainingsbelastungen direkt vergleichen und Benchmarks setzen.
  • Deine Leistungsentwicklung optimieren: Indem du deine TSS-Werte mit deinen Wettkampfergebnissen korrelierst, kannst du erkennen, welcher Trainingsumfang und welche Intensität bei dir zu den größten Fortschritten führen.
  • Deine Motivation fördern: Klare Zahlen machen deine Erfolge objektiv sichtbar, ob im Training oder Wettkampf. Das fördert die Lust auf Bewegung und hält den inneren Schweinehund in Schach.

Warum ist der Training Stress Score sinnvoll fürs Lauftraining?

Auch wenn der Training Stress Score aus dem Radsport kommt und eigentlich eine Wattmessung erfordert, spielt er auch beim Lauftraining seine Stärken aus. Denn hier spielen die Bodenbeschaffenheit und das Gelände eine große Rolle. Eine im Flachen auf Asphalt absolvierte Trainingseinheit hat eine ganz andere Auswirkung auf den Körper als Trailrunning in bergigem Terrain. Pace und Herzfrequenz lassen nur sehr bedingt Rückschlüsse auf die Trainingsbelastung und den Trainingseffekt zu. Mit dem Training Stress Score kannst du völlig verschiedene Einheiten vergleichen und die Gesamtbelastung kontrollieren. Alternativtraining etwa fließt auch in die Gesamtbilanz ein.

Fazit: Der Training Stress Score schafft Klarheit

Gehörst du zu den Läuferinnen und Läufern, die sich mit der Einordnung ihres Trainings schwertun und gerne mal zu viel des Guten tun? Stagniert deine Leistung seit einiger Zeit ohne erkennbaren Grund? Bist du häufig verletzt oder krank, obwohl du deiner Meinung nach gar nicht so viel trainierst? In solchen Fällen kann der Training Stress Score dir wirklich weiterhelfen. Zahlen lügen nicht und mit der Kennzahl erkennst du, wo das Problem liegt – und kannst an den nötigen Stellschrauben drehen, um dein Training wieder auf die Spur zu setzen.