Sportliches Burnout-Syndrom
Was ist Übertraining?

Wie ausgebrannt: Bei Übertraining durch zu viel oder zu intensives Training hilft nur eine Reduzierung der Belastung.
Was ist Übertraining?
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In diesem Artikel:
  • Woran merkt man, dass man im Übertraining ist?
  • Was sind die Ursachen von Übertraining?
  • Was passiert im Körper bei Übertraining?
  • Wie werden die Symptome von Übertraining behandelt?
  • Wie kann man Übertraining vorbeugen?
  • 7 Tipps, mit denen Sie Übertraining vermeiden können

Sie haben sich in den letzten Wochen spitzenmäßig gefühlt, sind häufiger und länger gelaufen als Sie eigentlich geplant hatten und haben hier und da ein funktionelles Krafttraining eingebaut – und den ein oder anderen Wettkampf, weil alles wie am Schnürchen lief. Beim Wettkampf-Wochenende sind Sie im vorderen Feld über die Ziellinie gelaufen, haben vielleicht gar Ihre Bestzeit unterboten – und jetzt fühlen Sie sich ausgelaugt, schlapp, matt, einfach unwohl. Und obwohl Sie die letzten Nächte wirklich lange im Bett waren, kommt die Energie einfach nicht zurück.

Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, befinden Sie sich in einer typischen Situation des Übertrainings. Sie sind zu viel gelaufen, zu schnell, zu oft. Jetzt gilt es, die Belastung herunterzuschrauben, weniger, aber regelmäßig laufen zu gehen und den Fokus von der Leistung in Richtung Regeneration zu verschieben. Denn die Heilung von Übertraining beginnt im Kopf.

Woran merkt man, dass man im Übertraining ist?

Chronische Müdigkeit, Mattigkeit, hoher Ruhepuls, Verletzungen und Trainings- und Wettkampfergebnisse, die unter den Erwartungen bleiben – also genau das Gegenteil davon, was mit Training eigentlich erreicht werden sollte, sind typische Symptome für ein Übertraining. Schlimmer noch: Erschöpfungszustände und mäßige Wettkampfergebnisse können sich über Wochen, manchmal sogar über Monate hinziehen. So kann es jedoch nicht nur Läuferinnen und Läufern ergehen, sondern auch Triathletinnen und selbst Bodybuildern.

Und dann sind da noch die Symptome, die sich erst nach und nach einstellen und die man oft erst später mit einem Übertraining in Verbindung bringt: die Schwächung des Immunsystems, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und bei Frauen das Ausbleiben der Regelblutung (in der Fachsprache: Amenorrhoe).

Was sind die Ursachen von Übertraining?

Ursache des Übertrainings sind vor allem zu hohe Trainingsbelastungen, zu starke Steigerungen von Trainingsintensität und Trainingsumfängen und zu wenig Regeneration bzw. Tapering. Kurzum: Wenn Sie zu schnell aufeinanderfolgend Trainingsreize setzen, von denen Sie sich wiederholt nicht ausreichend erholen, geraten Sie in eine Abwärts- statt eine Aufwärtsspirale. Wer sich mit dem Stichwort "Superkompensation" noch nie beschäftigt hatte, kann dies hier tun.

Wichtig: Übertraining ist kein ausschließlich sportliches Überlastungssyndrom. Auch berufliche oder familiäre Belastungen können für eine geringere sportliche Leistungsfähigkeit sorgen und so zum Übertrainingszustand beitragen. Auf der Suche nach der Ursache für ein Übertrainingssyndrom sollten Sie deshalb immer Ihren gesamten aktuellen Lebensstil beleuchten.

Was passiert im Körper bei Übertraining?

Eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit erreicht man, indem auf Trainingsbelastungen Ruhepausen folgen, in denen sich der Körper vollständig erholen kann. Training folgt damit dem Prinzip der Superkompensation. Am Beispiel einer Laufeinheit bedeutet das, dass Sie an einem Tag X eine Stunde lang laufen. Während dieses Trainings verbrauchen Sie Energie, Sie beanspruchen Muskulatur, andere Körperstrukturen wie Bindegewebe, Sehnen, Bänder und auch Ihr Herz-Kreislauf-System. Nach der Trainingseinheit sinkt die Leistungsfähigkeit aller genannten Strukturen, aber auch die Widerstandkraft Ihres Immunsystems je nach Belastungsintensität und Trainingsdauer bis zu 48 Stunden unter das Ursprungsniveau vor dem Training ab. Deshalb sind wir beispielsweise nach einem Wettkampf deutlich anfälliger für Infektionen wie Erkältungen als im üblichen Alltag abseits von Wettkämpfen.

Um sich zu erholen benötigt der Körper nun die Zeit der Regeneration oder des Tapering. Am Ende der Regenerationsphase steigt die Leistungsfähigkeit über das Leistungsniveau vor dem Training hinaus. Und zwar nur zu genau diesem Zeitpunkt. Sie sind jetzt schneller und widerstandfähiger. Und genau jetzt setzen Sie optimalerweise den nächsten Trainingsreiz, mit dem Sie nach dem gleichen Prinzip die nächsthöhere Leistungsstufe erreichen. Stellen Sie sich einen Trainingsplan, der das Prinzip der Superkompensation beachtet, also wie eine Treppe vor, auf der Sie Stufe für Stufe nach oben klettern.

Wer die Reize zu eng setzt, erreicht genau den gegenteiligen Effekt. Die Regenerationszeit fehlt. Der nächste Trainingsreiz fällt dann nämlich in die Phase, in der Ihr Körper sich noch unterhalb des Leistungsniveau vor dem Training befindet. Legen Sie Ihr Training mehrfach in diese Phase erreichen Sie genau das Gegenteil von erfolgreichem Training: Ihre Leistung wird immer schlechter, Sie steigen die Leistungstreppe sozusagen Stufe für Stufe herab. Bis die Symptome des Übertrainings entstehen, weil der Körper der Belastung nicht mehr standhalten kann. Das ist auch der Grund, warum so viele Verletzungen am Ende von Trainingsphase, am Saisonende und im Wettkampf enstehen.

Wie werden die Symptome von Übertraining behandelt?

Bei Übertraining reduzieren Sie das Training für mindestens zwei Wochen. Experimentieren Sie mit einer Verringerung des Kilometerumfangs, zusätzlichen Ruhetagen und dem Ersetzen bestimmter Laufeinheiten durch alternative Belastungsformen, um herauszufinden, was am besten wirkt. Falls Sie unter schwerem Übertraining leiden, sollten Sie Ihr Training auf zwei Einheiten in der Woche mit nur 30 bis 45 Minuten moderater Belastung zurückschrauben und zusätzlich ein erweitertes Stretching-Programm durchführen.

Sobald das Allgemeinbefinden wieder gut ist und Sie den Fokus wieder auf das Lauftraining legen können, sollten Sie eine Jahresplanung vornehmen, bei der auf Perioden mit intensiver Belastung und langen bzw. intensiven Läufen sowie Wettkämpfe konsequent Phasen mit reduzierter Belastung folgen.

Wenn Sie feststellen, dass Sie es alleine nicht schaffen, Ihr Training neu und für Ihren Körper verträglich zu sortieren, weil Sie die Laufeinheiten zwingend brauchen, um den Alltag bewältigen zu können, hilft Ihnen vielleicht eine begleitende Psychotherapie. Eine solche Therapie ist kein Zeichen von Schwäche, auch wenn man selbst heute noch manchmal komisch angeschaut wird bei den Worten: Ich gehe zur Psychotherapie.

De facto holen Sie sich Hilfe, die darin besteht, dass jemand Unabhängiges Ihre Gedanken mit Ihnen gemeinsam neu sortiert. Die Gesprächstherapie kann Ihnen helfen, langfristig Prioritäten neu zu setzen und entspannter ans Training heranzugehen. Denn Sport ist zwar gesund - aber nur, solange man sich Trainingshäufigkeit, -intensität und Wichtigkeit des Wettkampferfolgs selbst aussuchen kann und solange man in der Lage ist, Signale seines Körpers zu erkennen und ihnen nachzugeben ohne sich dabei schlecht zu fühlen.

Wie kann man Übertraining vorbeugen?

Übertraining oder Fehltraining betrifft längst nicht mehr nur Profisportlerinnen und Profisportler, sondern auch viele Amateure und Freizeitläuferinnen und Freizeitläufer. Ausdauersportler, die im Training hohe Umfänge absolvieren, laufen leicht Gefahr, im Übertraining zu landen. Steigern Sie deshalb Ihre Trainingsumfänge und die Trainingsintensität langsam und achten Sie auf ausreichende Regenerationsphasen. Ein gutes Bauchgefühl für den eigenen Körper, eine sinnvolle und zielführende Trainingsplanung sowie eine Trainingspause pro Jahr sind die beste Vorbeugung.

Zyklisches Training: Belastung und Regeneration im Wechsel

Wenn Sie gerade mit dem Laufen beginnen oder nach einer längeren Pause wieder anfangen: Laufen Sie nicht direkt täglich, sondern maximal jeden zweiten Tag. Drei Laufeinheiten pro Woche reichen aus, um das Herz-Kreislauf-System zu stärken und auf intensivere Trainingsphasen vorzubereiten. Es bleiben pro Woche vier regenerative Tage, an denen entweder überhaupt kein Sport oder Alternativsportarten (Gehen, Schwimmen, Radfahren etc.) im entspannten Grundlagenausdauer 1 (GA1)-Trainingsbereich auf dem Programm stehen. Im Allgemeinen halten sich auch die meisten Läufer mit höheren Wochenumfängen an den Rat, mindestens einen Tag pro Woche zu pausieren. Vielleicht würde Ihnen aber auch ein weiterer Ruhetag gut tun.

Bauen Sie in längere zusammenhängende Trainingsabschnitte Erholungsphasen ein. Leistungsphysiologische Tests zeigen, dass sich insbesondere komplette Wochen mit verminderter Belastung sehr günstig auf den Formaufbau auswirken. In einer Studie zu diesem Thema wurde festgestellt, dass Läufer, die ihre Trainingsbelastung eine Woche lang um 60 bis 70 Prozent, mindestens aber um 50 Prozent, zurückgeschraubt hatten, ihre 5-km-Zeit im Durchschnitt um 29 Sekunden verbesserten. Ebenso konnten eine bessere Laufökonomie und geringere Beinmuskelermüdung bei einem darauffolgenden 10-km-Wettkampf nachgewiesen werden.

Die Wissenschaftler leiten aus diesen Ergebnissen die Empfehlung ab, einen solchen einwöchigen Erholungsblock alle sechs Wochen einzuplanen. Einige Sportler erreichen einen größeren Effekt, wenn sie den empfohlenen Zyklus auf vier Wochen verkürzen. Testen Sie diese Planung mal im Monatsrhythmus: 23 Tage lang steigern Sie allmählich die Trainingsbelastung und anschließend reduzieren Sie Ihr Training sieben beziehungsweise acht Tage deutlich.

Erst die Wettkämpfe, dann die Trainingseinheiten: Legen Sie Wettkämpfe über das Jahr verteilt und planen Sie Ihre Laufeinheiten danach. Vermeiden Sie spontane Laufwettkämpfe, wenn Sie bereits über das Jahr verteilt mehrere Saisonhöhepunkte eingeplant haben, auf die Sie gezielt hintrainieren.

Sportwissenschaftliche Untersuchung

Eine australische Studie der Universität Queensland beschäftigt sich mit Schwimmerinnen und Schwimmern (neun Frauen und fünf Männer), die hohe Trainingsumfänge laufend und schwimmend absolvieren. Ziel war es, die Ursachen eines Übertrainings herauszufinden. Während der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften kamen drei von ihnen in den Zustand des Übertrainings, fühlten sich schlapp und ausgebrannt. Die Schwimmzeiten wurden ein bis zwei Prozent schlechter im Vergleich zum Saisonbeginn. Die restlichen elf Schwimmer berichteten, sie würden sich voller Energie fühlen. Ihre Zeiten hatten sich um zwei bis vier Prozent verbessert.

Im Ergebnis bestand ein direkter Zusammenhang zwischen dem Gesamtumfang des Schwimmtrainings und dem Übertraining, nicht aber zwischen der Trainingsintensität und dem Übertraining. Ein Beispiel: Zu Beginn der Saison schwammen die später übertrainierten Schwimmer 62 Kilometer pro Woche, im Gegensatz zu gerade einmal 39 Kilometern, die die anderen Schwimmerinnen und Schwimmer zurücklegten. In der zweiten Hälfte der Saison absolvierten die später fitten Schwimmer zwischen 54 und 60 Kilometer pro Woche, wogegen die später Übertrainierten auf 45 Kilometer kamen.

Eine jährliche Pause einlegen

Sich eine Zeit lang trainingsfrei zu geben, kann vor Übertraining schützen: Sportler, die das gesamte Jahr hindurch regelmäßig trainieren, benötigen – selbst wenn sie die oben empfohlenen Erholungsblöcke einschieben – irgendwann eine Ruhephase, die länger als eine Woche dauert. Entweder man gewährt seinem Körper diese Pause freiwillig oder er fordert sie irgendwann mit Überlastungssymptomen ein. Wir Sportlerinnen und Sportler brauchen diese Pause, um stark beanspruchte Muskeln und Bindegewebe vollständig zu regenerieren, aerobe Enzyme zu synthetisieren und andere biologische Prozesse herunterzufahren, anzupassen und zu optimieren.

Viele Eliteläufer berichten, dass ihnen ein Monat »Faulenzen« richtig gut bekommt, nicht nur aufgrund der mentalen Abwechslung. Vier Wochen abzuschalten und sich nicht mit Gedanken an Trainingsplanung, Abhaken von Trainingseinheiten und Rennen zu beschäftigen ist in der Vorbereitung auf eine neue Wettkampfsaison ebenso wichtig wie die körperliche Erholung. Die erfolgreichen afrikanischen Bahnläufer gönnen sich in der Regel nach der Saison ein paar Wochen Ruhe, in denen sie zu Hause ihren Geschäften nachgehen.

7 Tipps, mit denen Sie Übertraining vermeiden können

Die folgenden 7 Regeln helfen Ihnen dabei, Ihren Körper vor Überlastungen im Sport zu schützen.

1

Zusätzliche Ruhetage

Sobald Ihr Trainingsprogramm dazu führt, dass Sie sich müde fühlen und launisch sind, legen Sie einen (zusätzlichen) Ruhetag ein.

2

Kein doppelter Stress

Achten Sie darauf, dass Sie Ihr Trainingsprogramm nicht zu einem Zeitpunkt intensivieren, zu dem Sie ohnehin unter Stress stehen – sei es zu Hause oder am Arbeitsplatz.

3

Kilometer zählen

Überwachen Sie Ihren Kilometerumfang im Training. Nicht immer führen mehr Kilometer pro Woche zu einem größeren Trainingserfolg. Manchmal verhilft ein Alternativtraining wie beispielsweise ein Athletiktraining, Krafttraining, eine Radeinheit oder ein Tag im Schwimmbad zu einer größeren Leistungssteigerung - und schützt vor Überlastung des Körpers.

4

Intensität steigern

Eine Leistungsverbesserung erreichen Sie vor allem über eine Erhöhung der Trainingsintensität, beispielsweise in Form eines Tempotrainings, anstelle von mehr Trainingskilometern.

» So finden Sie das richtige Lauftempo finden

5

Den Kopf trainieren, anstatt zu laufen

Wenn Sie morgens aufwachen, die Muskeln schmerzen, der Ruhepuls höher ist als normal und Ihnen einfach nicht nach Laufen zu Mute ist, nehmen Sie an diesem Tag trainingsfrei und trainieren Sie an den folgenden Tagen weniger intensiv – auch wenn Ihr Trainingsplan eigentlich etwas anderes vorschreibt. Ein Schmöker über den richtigen Laufstil oder eine spannende Laufgeschichte trainieren nicht den Körper, aber den Kopf. Stichwort: Mentales Training.

6

Richtig ausruhen

An einem Ruhetag sollten Sie sich wirklich ausruhen. Begehen Sie nicht den Fehler, an diesem Tag tausend andere Dinge zu erledigen. Lassen Sie sich hängen, lesen Sie und legen Sie sich aufs Ohr, hören Sie Musik, wenn Ihnen danach zumute ist. Ihr Ziel sollte sein, den Tag ausgeglichen und ausgeruht zu beenden.

7

Nicht zu mehr Training zwingen

Vermeiden Sie einen der typischen Fehler, den immer noch zu viele Läuferinnen und Läufer machen: Zwingen Sie sich auf keinen Fall zu härterem Training, wenn Sie ein Training oder ein Rennen hinter sich haben, mit dem Sie nicht zufrieden waren. Wenn Sie sich im Training müde und schlapp fühlen und Ihre Wettkampfergebnisse schlechter werden, vermeiden Sie es unbedingt, den Kilometerumfang und die Intensität der Trainingseinheiten zu steigern. Ruhen Sie sich ein paar Tage aus und steigen Sie körperlich und geistig ausgeruht wieder ins Training ein. Wer sich in einem solchen Zustand quält gewinnt damit nichts.

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 19.09.2023