Corona hat einen regelrechten Laufboom ausgelöst. Und: Viele Läufer sind sehr an nachhaltiger Ausrüstung interessiert, aber das Angebot ist derzeit noch verhältnismäßig gering. Das waren zwei Erkenntnisse des RUNNER’S WORLD Laufsymposiums auf der ISPO Munich Online.
Der Branchen-Treff in diesem Jahr nur virtuell
Die weltgrößte Fachmesse für Sportartikel fand in diesem Jahr coronabedingt als reine Online-Messe statt. Dementsprechend konnte auch das Laufsymposium – das traditionell im Rahmen der ISPO veranstaltet wird – nur virtuell stattfinden.
Beim RUNNER’S WORLD Laufsymposium treffen sich viele Insider der Running-Branche aus Industrie, Handel und Medien. Präsentiert werden Forschungsergebnisse, Umfragen und Studien zum Laufmarkt und zu Läufern. Im Rahmen des Symposiums wurden auch die neuesten Zahlen zum Laufverhalten gezeigt.

Das Laufverhalten hat sich 2020 drastisch geändert
Wenig überraschend ist, dass das Interesse von Läufern, sich an Wettkämpfen anzumelden, in den letzten zwölf Monaten erheblich gesunken ist. Immerhin planen aber noch 59% der Befragten eine Wettkampfteilnahme. Allerdings waren es im Vorjahr noch deutlich über 80%. Dafür kann man mehrere Gründe finde. Offensichtlich ist, dass aufgrund der Corona-bedingten Event-Absagen logischerweise weniger Wettkämpfe geplant werden.
Gleichzeitig gab es in den letzten zwölf Monaten, also ab dem ersten Lockdown im März 2020, einen rapiden Anstieg an Lauf-Einsteigern. Nicht zuletzt wegen geschlossener Fitnessstudios und nicht ausübbarer Vereinssportarten haben viele Menschen mit dem Laufen begonnen. Auffällig: Bei Befragungen steht der „Gesundheit- und Fitness“-Gesichtspunkt an allererster Stelle der Gründe für einen Start in den Laufsport. „Einfach, weil es mir Spaß macht“, „Kondition und Ausdauer verbessern“ und „Stress abbauen“ sind darüber hinaus die meistgenannten Gründe, warum Läufer ihren Sport ausüben.
Die Menschen entdecken also ihre Eigenverantwortung für ihre Gesundheit, und sie wollen, na klar, raus an die frische Luft, suchen eine Alternative zu Home-Office, Home-Schooling und mangelnder täglicher Abwechslung. Befragt wurden übrigens 10.000 Läuferinnen und Läufer im Rahmen der jährlichen Leserumfrage von RUNNER'S WORLD.
Nachhaltigkeit ist Läufern wichtig
Ein weiteres großes Thema beim RUNNER'S WORLD Laufsymposium war „Nachhaltigkeit“. Hier bedarf es einer differenzierten Betrachtungsweise: Einerseits ist die Aufgeschlossenheit der Läufer für das Thema groß. Bereits ein Viertel gibt an, dass sie bereit wären, für nachhaltige Produkte mehr Geld auszugeben. Ebenso gibt ein Viertel der Läufer an, sich in den letzten 12 Monaten bereits ein nachhaltiges Läufer-Produkt angeschafft zu haben. In den meisten Fällen war dies ein Laufshirt (29%). Immerhin 31% achteten beim Laufschuhkauf auf die Nachhaltigkeit.
Andererseits ist aber gerade hier das Angebot noch sehr überschaubar: Von 19 abgefragten Marken in der Befragung wurden gerade mal 1,6 Marken im Durschnitt als besonders nachhaltig erachtet; ein schlechtes Zeugnis für die Hersteller. Aber das Problem ist bewusst, und gerade die Schuhhersteller arbeiten daran. Auch dies wurde bei den Partner-Präsentationen beim Laufsymposium deutlich.
Vier Marken präsentierten sich auf dem Laufsymposium
Joe Nimble: "Functional Footwear" für gesundes Laufen

Die junge Marke ist mittlerweile längst nicht mehr nur Insidern bekannt. Markengründer Sebastian Bär profiliert Joe Nimble aus der Markengeschichte der Bär-Manufaktur heraus immer mehr zu einer Gesundheits- und Läufermarke. Mit der erfolgreich gelaunchten Addict-Serie wird konsequent das Prinzip der Zehenfreiheit verfolgt. Das „Functional Footwear“-Konzept bewährt sich bei Straßen- und Trailschuhen. Dazu macht sich die in Süddeutschland beheimatete Marke aber auch ganzheitliche Gedanken: Sowohl was die läuferische Gesundheit betrifft als auch Produktionsstätten, Transportwege und Nachhaltigkeit. Markengründer und Kreativkopf Sebastian Bär präsentierte beim Laufsymposium diese Markenphilosophie; Biomechaniker und Lauftrainer Lee Saxby ergänzte mit wissenschaftlichen Belegen zur Bedeutung der Zehenfreit beim Laufen – und zwar nicht nur für die Bequemlichkeit, sondern auch für eine bessere Leistungsfähigkeit und zur Verletzungsprophylaxe.
On: Ein Laufschuh zum Mieten

Die Marke aus der Schweiz hat sich vor elf Jahren erstmalig im Rahmen der ISPO präsentiert: Damals war On bei dem „Brand New“- Startup Wettbewerb einer der Gewinner (2010) – und zählt heute zu den erfolgreichsten Laufschuhmarken. Laufschuhe und Bekleidung von On sind heute im Running-Markt ein fester Bestandteil. Im Zentrum der Präsentation beim RUNNER'S WORLD Laufsymposium stand ein völlig neuer, disruptiver Ansatz zum Thema Nachhaltigkeit: On hat mit seinem „Cyclon“-Laufschuh – übrigens Gold-Winner beim diesjährigen ISPO-Award – nicht nur ein nachhaltiges Produkt erdacht, sondern auch ein ganz neues Business-Modell vorgestellt.
Der Schuh kommt nämlich nicht in den Verkauf, sondern er wird in einem Abonnement dem Läufer zur Verfügung gestellt. Nach Verschleiß des Schuhs gibt der Läufer ihn zurück und erhält einen neuwertigen Ersatz. Der alte Schuh wird fast vollständig recycelt. Dazu besteht der Cyclon aus einer sehr reduzierten Anzahl an Komponenten: Die Sohlenpartie etwa wird auf Basis eines aus Rizinusöl hergestellten Kunststoffes gefertigt. Das Obermaterial besteht aus einem Strickmaterial gefertigt, das sich komplett recyceln lässt. „Das Cyclon-Projekt ist bei uns wie die erste Expedition ins Weltall“, so fasst On-Mitbegründer Caspar Coppetti den Aufwand zusammen (übrigens auch hier im Podcast zu hören). „Aber für uns ist es ein riesiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.“
Under Armour: Der neue "Flow Velociti Wind" verzichtet auf eine Außensohle

Als einer der großen Player im internationalen Sportmarkt hat sich der amerikanische Shootingstar mittlerweile auch mit Laufschuhtechnologien profiliert. Jüngstes Beispiel ist der auf dem Laufsymposium erstmals präsentierte Flow Velociti Wind. Bei dem leichten Schuh bilden Außen- und Mittelsohle eine Funktionseinheit. Die herkömmliche Außensohle, die unter die Mittelsohle geklebt wird, fehlt. Möglich ist dies freilich nur durch den Einsatz modernster Komponenten – die einerseits hohe Dämpfungs- und Reaktivitätseigenschaften besitzen, andererseits abriebfest genug sind, um als Außensohle zu taugen.
Einen interessanten Einblick in jüngste Forschungsergebnisse lieferte Under-Armour-Schuhspezialist Joshua Rattet: Durch den Einsatz eines Chips in der Mittelsohle der Laufschuhe – die Technologie wurde bereits beim Under-Armour-Beitrag auf dem Laufsymposium im vorletzten Jahr präsentiert – können zahlreiche Daten aus dem individuellen Laufverhalten ausgelesen werden. Läufer können mittels Smartphone-App ihren Lauf auswerten. Und zwar nicht nur hinsichtlich Dauer oder Distanz, sondern auch im Hinblick auf Schrittfrequenz oder -länge. Bei einer Auswertung von 130 Marathonläufern zeigte sich, dass sich nach zwei Dritteln der Strecke die Kadenz der Läufer drastisch änderte: Je müder ein Läufer wird, desto mehr verändert sich sein Laufschritt. Aus diesen Erkenntnissen können wesentliche Rückschlüsse für die Fertigung zum Beispiel von speziellen Marathon-Laufschuhmodellen gezogen werden.
Adidas Terrex: Ein Sieger in Nachhaltigkeit und Innovation

Mit den Adidas Terrex-Produkten versorgt Adidas ein breites Spektrum von Outdoor-Sportlern. Ob Wanderer, Kletterer, Alpinisten, Mountainbiker, Skisportler oder natürlich auch die stetig wachsende Zielgruppe der Trailrunner. Die Kategorie Trailschuhe hat übrigens 2020 das größte Wachstum im Markt der Laufschuhe erfahren – mit einem Plus von 21%. Die Terrex-Modelle decken ein breites Einsatzspektrum ab, vom lockeren Waldlauf bis hin zum Ultra-Abenteuer. Dabei werden Adidas-bekannte Technologien wie etwa die Boost-Dämpfungstechnologie oder die Continental-Außensohlen eingesetzt, aber zahlreiche Neuentwicklungen sorgen für spezifische Einsatzqualitäten.
Der Adidas Terrex Agravic Ultra erhielt in diesem Jahr die hochangesehene Auszeichnung mit dem ISPO-Gold-Award, ebenso wie das Agravic Windweave Pro Insulation Jacket. Die Produktspezialistin Birte Fahrbach demonstrierte an der Jacke, „wie hier Prinzipien des Bodymapping umgesetzt werden: Für jeden Körperbereich gibt es eine Funktionszone – und das geschlechtsspezifisch.“ Adidas Terrex-Produkte gehören auch zu Vorreitern in Sachen Nachhaltigkeit. Denn bei der RUNNER’S WORLD-Leserbefragung, die auf dem Symposium präsentiert wurde, ging Adidas als großer Sieger in Sachen Nachhaltigkeit hervor – keine andere Marke wurde in diesem Punkt als so fortschrittlich erachtet wie Adidas.
Einen ausführlichen Nachbericht des Symposiums lesen Sie auch in der kommenden April-Ausgabe von RUNNER'S WORLD. Wir bedanken uns ganz herzlich bei der ISPO Munich, unseren Präsentations-Partnern und allen Besuchern für die gute Zusammenarbeit und das Interesse.