Wenn der Muskel die Notbremse zieht
Was hilft bei Muskelkrämpfen?

Ein Muskelkrampf kann während und nach körperlichen Belastungen auftreten, beim Laufen und beim Marathon. Wir erklären, was gegen Krämpfe hilft.
Wenn der Muskel krampft, entsteht eine extreme, unwillkürliche Kontraktion des betroffenen Muskels.
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In diesem Artikel:
  1. Die Symptome: Wie erkenne ich einen Muskelkrampf?
  2. Was sind die Ursachen für Muskelkrämpfe?
  3. Wie entsteht ein Muskelkrampf genau?
  4. Wie können Sie Muskelkrämpfe lösen?
  5. Wann sollte man mit Muskelkrämpfen zum Arzt?
  6. Hilft Magnesium gegen Muskelkrämpfe?
  7. Regelmäßiges Dehnen beugt Muskelkrämpfen langfristig vor
  8. So können Sie mit ausreichend Flüssigkeit und Natrium Muskelkrämpfen vorbeugen
  9. Bewusste Ernährung beugt Muskelkrämpfen vor
  10. Übungen gegen Muskelkrämpfe
  11. Fazit: Magnesium ist nicht die Universallösung gegen Muskelkrämpfe

Muskelkrämpfe, egal ob beim Sport oder nachts im Bett, sind schmerzhaft und unangenehm. Auch unter Läufern gibt es beim Thema Muskelkrampf häufig den Tipp: Magnesium. Dabei hilft Magnesium gerade bei Ausdauersportlern oft nicht gegen Muskelkrämpfe. Lesen Sie hier, wie Sie Muskelkrämpfe vermeiden können, wie Sie damit umgehen, wenn die Muskulatur trotzdem einmal krampft und warum Magnesium keine Lösung bei Muskelkrämpfen ist.

Die Symptome: Wie erkenne ich einen Muskelkrampf?

Wenn der Muskel krampft, entsteht eine extreme, unwillkürliche Kontraktion des betroffenen Muskels. Der Muskel zieht sich zusammen, ohne zwischenzeitlich zu entspannen. Die Folge sind sehr starke Schmerzen, die nicht selten zum Abbruch der sportlichen Betätigung führen.

Was sind die Ursachen für Muskelkrämpfe?

Bei höheren Temperaturen oder während einer großen körperlichen Anstrengung, wie beispielsweise beim Marathon, verliert der Körper einen Großteil an Flüssigkeit und Mineralstoffen und wird dadurch anfällig für einen Muskelkrampf. Es wird angenommen, dass ein aufgebrauchter Glykogenspeicher, Flüssigkeitsmangel (Dehydration) und Salzmangel bzw. Natriummangel Auslöser für Muskelkrämpfe sein können.

Außerdem können jegliche Faktoren, die die Blutzirkulation beeinträchtigen, Krämpfe auslösen: zu eng sitzende Socken, zu eng geschnürte Schuhe, kaltes Wetter, Infektionen und eine Anhäufung an Laktat (Milchsäure) im Muskel. Der Verlust von Salzen und Mineralien führt auch zu Muskelkrämpfen.

Wie entsteht ein Muskelkrampf genau?

Damit ein Muskel kontrahiert oder anspannt, müssen sich die Aktinfilamente und Myosinfilamente einer Muskelzelle miteinander verbinden. Dafür wird in der Zelle Kalzium ausgeschüttet: Es entsteht eine Muskelkontraktion. Um diese Anspannung wieder zu lösen, benötigt der Muskel Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP), dem Energielieferanten der Zellen. Das ATP ist in den menschlichen Körperzellen an Magnesium gebunden. Außerdem ist Magnesium der Gegenspieler von Kalzium. Daher wurde ein Mangel an Magnesium in der Zelle immer als hauptverantwortlicher Faktor für einen Muskelkrampf angenommen. Neue Untersuchungen zeigen jedoch, dass in Wirklichkeit bestimmte Nervenimpulse dafür verantwortlich sind, dass Muskeln während des Laufens, nach einer starken sportlichen Belastung oder mitten in der Nacht krampfen.

Wie können Sie Muskelkrämpfe lösen?

Wenn Sie einen Krampf bekommen, sollten Sie nicht weiterlaufen. Abhilfe schafft vorsichtiges Dehnen: Der Antagonist (gegenwirkender Muskel einer Bewegung oder sogenannter Gegenspieler) des krampfenden Muskels sollte aktiviert und der krampfende Muskel gedehnt werden. Halten Sie die Dehnung 20 bis 60 Sekunden und lösen Sie sie dann langsam wieder. Versuchen Sie es außerdem mit einer funktionellen Massage des betroffenen Muskels, insofern Sie den Massagedruck aushalten können. Bei einer funktionellen Massage übt man mit einer Hand leichten Druck auf den krampfenden Muskel aus und bringt ihn gleichzeitig in die dehnende Bewegung.

Wann sollte man mit Muskelkrämpfen zum Arzt?

Ärztlichen Rat sollten Sie in Anspruch nehmen, wenn Muskelkrämpfe mehr als dreimal pro Woche und in unnormal heftiger Form auftreten. Besonders, wenn der Krampf nicht im Zusammenhang mit einer starken, körperlichen Belastung steht. In Ausnahmefällen können Krämpfe ein Symptom einer Erkrankung sein, die entweder als Diagnose ausgeschlossen werden sollte oder bei ärztlicher Bestätigung einer Behandlung bedarf, beispielsweise Schilddrüsenfehlfunktionen, Muskelentzündungen oder Diabetes Mellitus.

Hilft Magnesium gegen Muskelkrämpfe?

Bei Muskelkrämpfen wird fast immer Magnesium empfohlen. Der Grund dafür ist, dass Magnesium im Körper der Gegenspieler von Kalzium ist. Und Kalzium wiederum sorgt für die Kontraktion der Muskeln. Durch Studien nachgewiesen wurde die Wirkung von Magnesium allerdings nicht. Wahrscheinlicher ist, dass Muskelkrämpfe durch nicht weitergeleitete oder fehlgeleitete Impulse des Gehirns über die Nerven ausgelöst werden.

Zudem ist mittlerweile bekannt, dass besonders bei Läufern und anderen Ausdauersportlern eher Flüssigkeitsmangel, Natriummangel und mangelhafte Aufwärmprogramme die Ursache darstellen. Zudem hat die Einnahme von Magnesium nicht nur Auswirkungen auf die mitunter krampfende Skelettmuskulatur, sondern ebenso auf die glatte Muskulatur des Magen-Darm-Traktes und kann den Blutdruck senken und müde machen. Wer also vor anstrengenden Laufeinheiten Magnesium zu sich nimmt, läuft Gefahr, Darmprobleme zu bekommen.

Ein großes Blutbild beim Hausarzt oder Internisten kann Aufschluss darüber geben, ob wirklich ein Mangel des Mineralstoffs Magnesium vorliegt und eine Einnahme indiziert ist. Ist das nicht der Fall, können Sie es mit einem weniger bekannten, unter Leistungssportlern aber oft genutzten Geheimtipp versuchen: Gurkenwasser. Die saure Flüssigkeit aus einem Glas saure Gurken setzt die Nervenleitungen im Handumdrehen quasi "auf Null" zurück. Für eine schnelle Wirksamkeit brauchen Sie etwa einen Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht.

Regelmäßiges Dehnen beugt Muskelkrämpfen langfristig vor

Um Muskelkrämpfe langfristig zu vermeiden, sollten Sie Ihre Waden- oder Oberschenkelmuskulatur täglich abends vor dem Schlafengehen drei- bis fünfmal circa 15 Sekunden dehnen. Für die Wadenmuskulatur reicht es aus, wenn Sie sie in Schrittstellung in die Dehnposition bringen. Am besten helfen jedoch regelmäßig durchgeführte Mobilisationsübungen für die größten Muskelgruppen: Bauch, Rücken, Gesäß / Hüfte.

Dehnungs-Übungen für die drei wichtigsten "Läufer-Muskeln"

1. Waden-Dehnung

Problem: Die Wadenmuskulatur krampft.

Dehnübung: Gehen Sie in einen leichten Ausfallschritt. Das nicht verkrampfte Bein ist vorn, das hintere Bein durchgestreckt. Nun schieben Sie vorsichtig die Hüfte und das Knie des vorderen Beins nach vorn, bis Sie im hinteren Bein einen leichten Zug spüren. Drücken Sie die Ferse des verkrampften hinteren Beins immer wieder leicht in Richtung Boden, um die Dehnung zu verstärken.

Henning Heide

2. Dehnung des vorderen Oberschenkels (Quadrizpes-Dehnung)

Problem: Der vordere Oberschenkelmuskel krampft.

Dehnübung: Die Dehnung des Quadrizeps funktioniert am Besten aus dem Kniestand (siehe Bild), kann aber auch im Stehen durchgeführt werden. Umgreifen Sie das Sprunggelenk des verkrampften Beins und ziehen Sie den Fuß vorsichtig Richtung Gesäß. Sobald Sie einen Zug spüren, die Position halten. Sie können die Dehnung verstärken, indem Sie den vorderen Beckenknochen nach vorne schieben und gleichzeitig leicht die Lendenwirbelsäule nach hinten drücken und den Bauch anspannen. Falls Sie Probleme heben, das Gleichgewicht zu halten, umfassen Sie den Fuß einhändig und halten Sie sich mit der anderen Hand an der Wand, einem Baum oder einem Mitläufer fest.

Henning Heide

3. Dehnung des hinteren Oberschenkels (Ischios dehnen)

Problem: Der hintere Oberschenkel krampft.

Dehnübung: Diese Dehnungübung wird am besten aus dem Kniestand (siehe Foto) durchgeführt, kann aber auch im Stehen gemacht werden. Stellen Sie das krampfende Bein mit durchgestrecktem Knie nach vorne. Ihr Körpergewicht befindet sich auf dem anderen hinteren Bein. Beugen Sie sich mit durchgestrecktem Rücken ganz langsam nach vorne über das ausgestreckte Bein, bis Sie eine starke Dehnung spüren. Ziehen Sie gleichzeitig den Vorfuß des krampfenden Beins nach oben an.

Henning Heide

So können Sie mit ausreichend Flüssigkeit und Natrium Muskelkrämpfen vorbeugen

Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und eine der Sportart (zum Beispiel Laufen) gerechte Ernährung muss geachtet werden, sodass dem Körper alle wichtigen, durch den Schweiß verloren gegangenen, Mineralien und Elektrolyte wieder zugeführt werden. Das gilt vor allem bei heißem und trockenem Klima.

Als Faustregel gilt hier, dass je Kilokalorie zusätzlichem Energiebedarf durch Sport ein Milliliter Flüssigkeit zugeführt werden sollte. Wenn sie beim Laufen beispielsweise 700 Kilokalorien verbrauchen, sollten Sie 700 Milliliter zusätzlich zum normalen Tagesbedarf trinken. Um Natriummangel vorzubeugen, sollten Sie ein bis zwei Gramm Kochsalz pro Stunde Trainings- oder Wettkampfbelastung zuführen. Isotonische Getränke und Getränkepulver haben meist 1 - 1,5 Gramm Kochsalz pro Liter. Ein Gramm Natrium steht übrigens für 2,54 Gramm Kochsalz.

Bewusste Ernährung beugt Muskelkrämpfen vor

Um einen Mineralstoffmangel zu vermeiden, sollten Sie nicht nur vor, während und nach dem Sport ausreichend trinken, sondern grundsätzlich im Alltag auf eine ausgewogene und mineralstoffreiche Ernährung achten. Wichtige Mineralstoffe, die mit der Entstehung von Muskelkrämpfen in Verbindung gebracht werden, sind:

  • Kalium, enthalten in: Obst (v. a. Banane), Gemüse, Getreide, Nüssen
  • Natrium, enthalten in: Kochsalz, Wurst, Käse
  • Kalzium, enthalten in: Milchprodukten, Grünkohl, Spinat, Eigelb, Mineralwasser
  • Magnesium, enthalten in: Mineralwasser (siehe Etikett), Vollkornprodukten, Nüssen, grünem Gemüse, Milchprodukten

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Übungen gegen Muskelkrämpfe

Muskelkrämpfen können Sie nicht nur mit einer bewussten Ernährung und regelmäßigen Dehnübungen vorbeugen, sondern auch mit einem bewussten Training der konzentrischen (aktive Verkürzung eines Muskels) und exzentrischen (aktive Verlängerung eines Muskels) Aktivität der Beinmuskulatur. Die folgenden beiden Übungen haben sich in der Vergangenheit bewährt, sind wissenschaftlich jedoch nicht belegt:

Quadrat-Hüpfen: Vor und Zurück

Sie stehen auf dem rechten Bein, hüpfen vorwärts, landen auf dem linken, hüpfen zurück und landen wieder auf dem rechten Bein. Dann hüpfen Sie seitwärts, landen auf dem linken Bein und hüpfen wieder zurück auf das rechte.

Down Jump: Ab- und Vorwärts

Stellen Sie sich auf einen Kasten (Höhe zweite Treppenstufe). Springen Sie von dort auf den Boden, landen Sie so sanft wie möglich auf beiden Füßen und hüpfen sofort nach vorn.

Fazit: Magnesium ist nicht die Universallösung gegen Muskelkrämpfe

Fehlgeleitete Nervenimpulse scheinen die Ursache für die meisten Muskelkrämpfe bei Läufern und anderen Sportlern zu sein. Um Muskelkrämpfen vorzubeugen, sollten Sie ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen und dynamische Dehnübungen in Ihr Trainingsprogramm integrieren. Am Wettkampftag kann die gezielte Zufuhr von Kochsalz Muskelkrämpfe verhindern und lindern. Magnesium wiederum hilft nicht unbedingt gegen verkrampfende Muskeln und sollte nur eingenommen werden, wenn im Blutbild ein Mangel des Mineralstoffs ärztlich nachgewiesen werden kann.

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04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023