Lauf der Woche
Donnerstag, 25.06.2020
Tübingen / Hamburg
Der-auf-Teufel-komm-raus-Marathon
Ich melde mich vom Dauerlaufen heute in Hamburg. Nein, natürlich nicht. Ich laufe in Tübingen am Spitzberg. Klar würde ich auch gerne in Hamburg laufen, am liebsten Marathon. Stimmt natürlich auch nicht. Ist für mich viel zu lang. Doch der Traum könnte für viele wahr werden. Am 13. September 2020 möchten die Hamburger ihren Marathonlauf starten. Ob es ein Traum oder am Ende ein Alptraum wird, muss sich zeigen.
Im Netz wird der Plan mal als mutig, mal als grob fahrlässig kommentiert. Was ist richtig in diesen Zeiten und was nicht? Klar brauchen wir für die Laufszene ein „Lebenszeichen“, einen Plan, wie wir zukünftig solche Veranstaltungen durchführen können. Aber eine Frage: Müssen gleich 10.000 Leute auf die Straße? Dazu in Hamburg, einer Großstadt, bei der es keine wirkliche Lenkung der Zuschauer geben kann. So sehr die Veranstalter betonen, auf das Beiprogramm verzichten, so sehr wird dieses Beiprogramm überschätzt. Zuschauer kommen wegen den Läuferinnen und Läufern. Weil eine Freundin läuft, ein Onkel, die Frau, der Mann. Bei 10.000 Teilnehmern macht das mindestens 10.000 Zuschauer.
Warum ein solcher Wettkampfversuch nicht in einer kleineren Stadt? Bei der die Läuferinnen und Läufer hinaus aufs Land geleitet werden können, damit ist es weniger zuschauerfreundlich und einhergehend auch weniger infektionsgefährlich. Und: Warum ein Wettkampfversuch nicht mit 2.000 Menschen?
Der Sport muss aufpassen, nicht zwischen die politischen Fronten zu geraten. Denn was hier passiert, ist ein Wettlauf von Stadtmarketing, Stadt und Landespolitik. Motto: „Schaut, wir in Hamburg können das! Der erste Marathon in Deutschland in Coronazeiten!“ Klar, wir laufen an der frischen Luft. Klar, wir können in kleinen Gruppen starten, klare Überholspuren schaffen, Startnummer per Post versenden, Ein- und Ausgänge trennen. Man kann sogar an alle Verwandten und Bekannten appellieren, zu Hause zu bleiben. Manche sagen: „Spannend. Probieren!“
Ja, vielleicht klappt das in Deutschland. Weil wir gut organisiert sind, diszipliniert und uns meist an das halten, was gesagt und vorgeschrieben ist. (Sorry, aber so sind wir und in Pandemiezeiten ist das ein Vorteil.) Und weil wir so sind, ist die Lage in Deutschland sehr gut. Wollen wir das, wegen 42 Kilometern durch die Straßen von Hamburg, leichtfertig aufs Spiel setzten? Offen und ehrlich: Ich möchte das nicht.