Lauf der Woche
Donnerstag 18.06.2020
Tübingen / Braunschweig
Meisterschafts-Dauerlauf
Ich melde mich vom Dauerlaufen heute mit einem Gruß nach Darmstadt, in die Zentrale des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), genauer: ein Gruß an unseren Präsidenten dort, Herrn Jürgen Kessing.
Lieber Herr Kessing, aus den Medien habe ich erfahren, dass es im August nun doch eine Deutsche Leichtathletik Meisterschaft gibt. Das finde ich superklasse. Soweit die gute Nachricht.
Nun die schlechte: Leider sollen dort keine Mittel- und Langstrecken angeboten werden. Keine 1500 Meter. Keine 5000 Meter. Keine Hindernis-Rennen.
Das finde ich schade. Sehr schade.
Mit dieser Meldung vor gut einer Woche sank die Motivation bei vielen Läuferinnen und Läufer in diesem Lande auf nahezu null. Nein, ich spreche nicht von den wenigen sehr guten Athleten, die immer irgendwo, auch zu Coronazeiten, einen Wettkampf finden. Ich spreche von den vielen, gerade mal qualifizierten Athleten, für die ein Start bei Deutschen Meisterschaften der letzte Strohhalm in einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Saison war. Oder sollte ich Nicht-Saison dazu sagen? Die ganze Vorbereitung, fokussiert auf einen einzigen Lichtblick, einen einzigen Wettkampf. Die Vielleicht-Deutsche Meisterschaft.
Nun kam die Nachricht: Deutsche Meisterschaften, ja. Laufen, nein. Motivation geht anders.
Nun können Sie diese Entscheidung mit Pandemie- bzw. Hygieneplänen rechtfertigen. Sie könnten sagen, die Behörden hätten einer Meisterschaft mit Laufwettbewerben, bei denen Schulter an Schulter gelaufen wird, nicht zugestimmt. Sie könnten weiter argumentieren, zur Absicherung der Meisterschaft haben Sie auf das Laufen verzichtet.
Ich brauche Ihnen an dieser Stelle nicht zu sagen, dass die Leichtathletik sich gerade durch ihre Vielfalt auszeichnet. Und trotzdem sind wir eine Sportart. Ohne Werfen, ohne Sprinten, ohne Springen oder Laufen ist es keine ganze Leichtathletik. Alles gehört zusammen, im Stadion, an einem Tag. Das unterlaufen Sie mit dieser Entscheidung. Sie lassen eine ganze Disziplingruppe außen vor.
Stellen wir uns einmal vor, die Genehmigung der Fußballspiele wäre durch Behörden dadurch in Frage gestellt worden, dass die Spieler bei einem Eckball Schulter an Schulter, eng zusammen stehen. Sie stehen ja nicht nur, sie stemmen sich gegeneinander, schirmen sich ab, halten sich eng umschlungen. Hätte der Fußballverband jemals gesagt, „nun gut, dann spielen wir ohne Eckball“? Ich denke nicht.
Warum geht das im Fußball? Genauso beim Basketball, Radsport, Tischtennis. Fast alle spielen, weil sie testen. Ja, die Athlet*innen, Spieler*innen werden vor den Spielen getestet und wenn eine/r positiv wäre, tritt sie/er nicht an. Warum ist es also nicht möglich, die Teilnehmer*innen dieser drei Disziplinen, 1500 Meter, 5000 Meter, 3000 Meter Hindernis, jeweils zu testen? Es sind maximal 15 Athlet*innen pro Disziplin am Start. In den Medien habe ich gelesen, Kostenpunkt eines Covid-19 Schnelltests wären Euro 200,- und nach ein paar Stunden ist das Ergebnis da. Warum machen wir nicht einfach am Freitag einen Test und alle, die den Virus nicht in sich tragen, dürfen am nächsten Tag an den Start. Selbstverständlich wären alle 15 Athleten*innen pro Disziplin diese eine Nacht gemeinsam in einem Hotel und hätten keinen Kontakt zu anderen Personen.
Pro Disziplin bräuchten wir Euro 3000.-. Ich gehe, nein, ich laufe mit gutem Beispiel voran und stelle mich als finanzieller Pate für die 5000 Meter der Männer zur Verfügung. 3000 Euro. Was meinen Sie, lieber Herr Präsident, es wäre doch gelacht, wenn wir für die weiteren fünf Disziplinen nicht auch Paten gewinnen könnten.
Lieber Herr Kessing, lassen Sie uns laufen!
Ich meine natürlich die Athleten in Braunschweig und ja, wir beide können auch laufen, gemeinsam, hier am Spitzberg in Tübingen machen wir einen Dauerlauf. Zur Not mache ich auch mal eine Ausnahme, wir laufen in Ihrem Tempo. Versprochen.