Frauen sind anders – eine banale Feststellung, die aber in der Lebenspraxis überraschend oft ignoriert wird. Auch beim Training der Kondition wird selten auf die Unterschiede geachtet: So kursieren im Internet tausende von Unisex-Marathon-Trainingsplänen, aber nur ganz wenige, die spezifisch auf das weibliche Geschlecht zugeschnitten sind. Das ändert sich langsam, seit in der Sportwissenschaft häufiger Themen wie das zyklusbasierte Training auf der Agenda stehen. Im Folgenden erfährst du, wie sich Frauen und Männer bei der Ausdauer unterscheiden und was das ganz konkret für dein Training bedeutet.
Die physiologischen Unterschiede beim weiblichen und männlichen Körper haben einen Effekt auf die Ausdauerleistungsfähigkeit. Insbesondere Herz, Lunge, Muskelmasse und Hormonsystem beeinflussen, wie und welches Konditionstraining bei Frauen und Männern optimal wirkt und welche Erholungszeiten für eine Superkompensation nötig sind.
Das zeichnet Männer und Frauen beim Sport aus:
Dass du als Frau ein kleineres Herz und ein anderes Hormonsystem hast, daran kannst du nichts ändern – das Training lässt sich aber darauf abstimmen.
Wie Hormone das Training beeinflussen
Für so manche Sportlerin ist das zyklusbasierte Training ein Gamechanger. Gerade wenn du starke Menstruationsbeschwerden hast, bringt ein auf die Zyklusphase angepasster Plan viel. Die Hormone beeinflussen nämlich nahezu alles, was fürs Ausdauertraining wichtig ist, von der Belastungstoleranz bis zur Energiebereitstellung. Wer hier nicht gegen den Körper arbeitet, sondern die Höhen und Tiefen smart handelt, läuft, radelt oder schwimmt deutlich freudvoller und effektiver.
Wichtig zu wissen: Wie stark diese Effekte sind, ist eine höchst individuelle Angelegenheit. Merkst du gar nichts oder wenig, ist das völlig normal. So hat eine Metastudie gezeigt, dass die Zyklusphasen bei Frauen mit normaler, regelmäßiger und beschwerdefreier Menstruation nur geringe Auswirkungen in puncto Ausdauertraining haben. Grundsätzlich gilt aber Folgendes:
Follikelphase
In den Tagen nach der Menstruation steigt der Östrogenspiegel allmählich an. Das Hormon sorgt dafür, dass sich deine Gefäße erweitern und die Durchblutung verbessert wird: Die Sauerstoffaufnahme in der Muskulatur steigt. Auch auf den Fettstoffwechsel wirkt sich Östrogen positiv aus, der Körper kann länger Energie aus den Fettdepots gewinnen. In dieser Zyklusphase kannst du häufig effizienter trainieren und brauchst weniger Erholung.
Eisprung
Noch stärker macht sich das Östrogen bemerkbar, wenn es rund um den Eisprung den höchsten Spiegel erreicht. Deine Muskeln arbeiten jetzt quasi auf Hochtouren, du fühlst dich belastbar und energetisch. Da Östrogen anabol, also aufbauend, wirkt, ist auch Krafttraining in dieser Phase besonders effektiv.
Lutealphase
Nach dem Eisprung steigt der Progesteronspiegel signifikant an und damit deine Körpertemperatur sowie die Atem- und Herzfrequenz. Das gleiche Training wie in der Vorwoche fühlt sich jetzt viel anstrengender an. PMS-Symptome wie Stimmungsschwankungen tun ihr Übriges, dass du dich mit sportlichen Belastungen schwertust. Der Energiestoffwechsel verschiebt sich in Richtung Kohlenhydratnutzung, die Fettverbrennung ist gedrosselt. Nüchterntraining ist jetzt kontraproduktiv.
Menstruationsphase
Während der Periode sinken Östrogen und Progesteron ab. Deine Leistungsbereitschaft ist in der Regel vermindert und du hast schlichtweg keine große Lust auf Sport. Aber auch hier gibt es keine Allgemeingültigkeit, manche Frauen empfinden den Beginn der Menstruation als Motivationsschub. Eine generelle Leistungsminderung ist wissenschaftlich nicht nachweisbar.
Da Männer einen stabileren Hormonspiegel haben, ist bei ihnen der Einfluss auf das Training gering. Das wichtigste Hormon Testosteron schwankt nur leicht, die anabole Wirkung steht vergleichsweise konstant zur Verfügung.
Kurzum: Frauen profitieren häufig von einer flexiblen, individuellen Trainingsanpassung an die Hormonlage, während Männer weitgehend gleichbleibend trainieren können.
Frauen vs. Männer: Trainingsintensität und Belastung
Die genannten physiologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen wirken sich bei der Ausdauer direkt auf die Belastungsfähigkeit aus. Sportler zeigen im Allgemeinen eine höhere Toleranz für hochintensive Trainingseinheiten, während Frauen hinsichtlich Trainingsumfang und -frequenz überlegen sein können. Sie vertragen längere und häufigere Trainingseinheiten, weil sie sich besser davon erholen. Vor allem bei moderater Belastung funktioniert die Fettverbrennung bei Sportlerinnen effizienter. Männer können also in höheren Intensitätszonen trainieren – etwa in Form von Tempoläufen oder Radintervallen –, während es bei Frauen gleichmäßiger und länger sein darf. Typische Einheiten wären hier lockere Dauerläufe, lange Radausfahrten oder Schwimmeinheiten im gleichmäßigen Tempo.
Erholung und Regeneration: Wie viel Pause brauchen Männer und Frauen?
Eine pauschale Antwort gibt es nicht, da die Regenerationsfähigkeit bei Frauen ja zyklusabhängig sein kann. Eine Untersuchung zur Recovery nach HIIT-Einheiten zeigt, dass sich bei männlichen Radfahrern und Triathleten der Puls schneller beruhigte und sie sich rascher erholt fühlten als die Sportlerinnen. Das deutet daraufhin, dass Frauen nach harten Einheiten länger brauchen, um ihre maximale Leistungsfähigkeit wiederzuerlangen.
Bei moderatem Ausdauertraining wie lockeren Dauerläufen oder gleichmäßigen Radausfahrten sind die Erholungszeiten dagegen weitgehend gleich. Beide Geschlechter sind in der Regel innerhalb von 24 Stunden vollständig regeneriert. Da Frauen tendenziell eine höhere Fettverwertung bei moderater Belastung aufweisen, könnten sie hier in puncto Erholung leicht im Vorteil sein.
Training in verschiedenen Lebensphasen: Jugendliche, Schwangerschaft, Menopause und Co.
Die Ausdauerleistungsfähigkeit und damit das Training verändern sich im Laufe des Lebens – bei Frauen wie bei Männern.
Mädchen und Jungen
Bei weiblichen Jugendlichen wirkt sich der steigende Östrogenspiegel in der Pubertät unter anderem auf die Fettverteilung und Gelenkstabilität aus. Jungen bauen durch die Zunahme des Testosterons eine größere Muskelmasse auf. In dieser Phase ist ein ausgewogenes Training, das Ausdauer, Kraft und Koordination fördert, besonders sinnvoll. Eine übermäßige Intensität könnte Wachstum und Entwicklung negativ beeinflussen.
Schwangerschaft
Während der Schwangerschaft bleibt die Ausdauerleistungsfähigkeit bei moderater Belastung meist weitgehend erhalten, kann aber bei hoher Intensität aufgrund erhöhter Herzfrequenz, gesteigerter Sauerstoffanforderung und Gewichtszunahme leicht eingeschränkt sein. Ideal ist nicht zu intensives Training, etwa langsames Joggen, Walking, Schwimmen oder moderates Fahrrad fahren. Bist du bereits gut trainiert, kannst du häufig fast bis zur Geburt Sport treiben. Maßgeblich ist, was deine Ärztin bzw. dein Arzt sagt: kein Trainingsprogramm ohne Rücksprache!
Wechseljahre
In der Menopause sinkt der Östrogenspiegel, was Muskelmasse, Knochendichte und Regeneration beeinflussen kann. Auch Männer erfahren im mittleren Alter hormonelle Veränderungen: Die Andropause geht oft mit einem langsamen Testosteronabfall einher, der sich ebenfalls auf Muskelmasse, Ausdauerleistung und Erholung auswirkt. In beiden Fällen unterstützt ein kombiniertes Training aus Ausdauer und Kraft den Erhalt der Leistungsfähigkeit und Gesundheit.
6 praktische Tipps fürs geschlechtsspezifische Training
Wie lassen sich nun die geschlechtsspezifischen Unterschiede ins Ausdauertraining für Frauen und Männer ganz praktisch integrieren?
Zyklus beachten
Als Frau in der entsprechenden Altersphase passt du deine Trainingsplanung idealerweise an die Phasen deines Menstruationszyklus an. Hochintensive Einheiten wie Tempoläufe oder Intervalltrainings passen besonders gut in die Follikel- und Ovulationsphase – nutze den hohen Östrogenspiegel. In der Lutealphase oder während der Menstruation sind moderat-intensives Training zur Verbesserung der Grundlagenausdauer und ausreichende Erholung häufig sinnvoller.
Intensität nutzen
Männer können sich ihre stabilen Testosteronwerte zunutze machen und regelmäßig mit hoher Intensität trainieren. Du kannst ruhig häufiger Intervalltrainings, Tempoläufe oder Bergsprints in deinen Plan einbauen, da die Regenerationszeiten bei Sportlern in der Regel kürzer ausfallen als bei Sportlerinnen. Achte aber auf die Signale deines Körpers, um nicht in ein Übertraining zu geraten. Auch dein Alltag spielt für die Belastbarkeit eine große Rolle: Großer Stress beeinträchtigt die sportliche Leistung.
Verletzungsanfälligkeit berücksichtigen
Anatomisch und hormonell bedingt sind Frauen tendenziell anfälliger für Verletzungen an den Gelenken, zum Beispiel Kreuzbandrisse. Ein gezieltes Kraft- und Stabilitätstraining für Knie, Hüfte und Rumpf kann helfen, das Risiko zu senken. Auch Männer profitieren von präventivem Stabilitätstraining, besonders bei intensiven Einheiten. Vor allem im mittleren Lebensalter sind sie deutlich häufiger von Achillessehnenrissen betroffen – als Ursachen werden in der Forschung hohe Umfänge, starke mechanische Belastung und hormonelle Faktoren diskutiert. Ein Waden-/Achillessehnen-Training mit exzentrischer Kräftigung und Dehnen kann vorbeugend wirken. Übungen für eine ökonomische Lauftechnik wie das Lauf-ABC sind für beide Geschlechter ebenfalls eine sinnvolle Verletzungsprophylaxe.
Variabilität einbauen
Wechsle zwischen unterschiedlichen Trainingsformen und Ausdauersportarten, um den gesamten Bewegungsapparat zu trainieren. Dauerläufe, Radfahren und Schwimmen lassen sich sinnvoll kombinieren, nicht nur beim Triathlontraining. So werden Gelenke, Muskeln und Sehnen gleichmäßig belastet, und die Abwechslung fördert Motivation und langfristige Leistungsfähigkeit.
Belastung steuern
Überwache deine Trainingsintensität anhand von objektiven Parametern wie der Herzfrequenz und HRV sowie deinem subjektiven Belastungsempfinden. So kannst du dein Training besser an deine Zyklusphasen und Trainingsziele anpassen und eine Überlastung vermeiden.
Regeneration aktiv unterstützen
Neben Pausen helfen Mobilitätsübungen, Stretching, leichte aktive Einheiten oder entspannende Spaziergänge, deine Erholung aktiv zu fördern. Massagen, Faszientraining oder Atemübungen können die Regeneration zusätzlich beschleunigen – bei Frauen wirkt sich das in hormonbedingten Energietiefs auch positiv auf die Stimmung aus.
FAQ zu Ausdauer: Frauen vs. Männer
Der aktuellen Studienlage zufolge höchstens in geringem Ausmaß. Die Pille kann das subjektive Belastungsempfinden und die Stimmung beeinflussen, die Effekte auf objektive Leistungsparameter sind gering.
Eisenmangel ist bei menstruierenden Ausdauersportlerinnen häufig und kann Laufleistung, Erschöpfung und Erholungsfähigkeit deutlich beeinträchtigen. Eine regelmäßige Kontrolle von HB- und Ferritin-Wert ist ratsam. Kläre je nach Befund ärztlich ab, ob eine Nahrungsergänzung nötig ist und wenn ja, in welcher Dosierung.
Das Red-S-Syndrom (Relative Energy Deficiency in Sport) umfasst die Folgen chronisch zu geringer Energieverfügbarkeit auf Menstruation, Knochenstoffwechsel, Immunfunktion und Leistung; die sogenannte Female Athlete Triad fokussiert auf Energie, Zyklus und Knochen. Die Folgen sind Leistungsabfall, erhöhtes Verletzungsrisiko und langfristige Gesundheitsprobleme.
Ja, Frauen können bei langen, moderaten Belastungen etwas länger mit geringerer Kohlenhydratzufuhr auskommen. Bei hohen Intensitäten sind aber auch sie wie die Männer auf Kohlenhydrate angewiesen, um einen Leistungseinbruch zu verhindern.