RED-S-Syndrom bei Läufern: Ursachen und Behandlung

Ursachen, Symptome, Behandlung
Red-S-Syndrom: Energiedefizit im Sport

Veröffentlicht am 14.07.2025
Red-S-Syndrom: Energiedefizit im Sport. Eine erschöpfte Läuferin hockt auf einer Laufbahn.
Foto: Getty Images

Beim Red-S-Syndrom gerät die Balance zwischen Energiezufuhr und -verbrauch aus den Fugen. Hält das Defizit länger an, kann das gravierende Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit haben. Relative Energy Deficiency in Sports, kurz Red-S, galt lange nur als Problem von Sportlerinnen, betrifft aber auch männliche Athleten – im Profi- wie im Breitensport. Da die medizinische Betreuung im Freizeitbereich weniger engmaschig ist, bleibt die mangelhafte Energiebereitstellung hier sogar eher unentdeckt und kann schleichend chronisch werden. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wie du Red-S vermeiden und was du im Fall des Falles dagegen tun kannst.

Was ist das RED-S-Syndrom?

Das relative Energiedefizit Red-S entsteht, wenn du länger hochintensiv trainierst und gleichzeitig nicht genügend Kalorien zu dir nimmst. Durch den Kalorienmangel ist die Energieverfügbarkeit zu gering, um alle Prozesse im Körper aufrechtzuerhalten. Der Organismus schaltet auf Notbetrieb um: Er mobilisiert sämtliche Reserven und drosselt gleichzeitig alles, was nicht überlebenswichtig ist. Bei Frauen betrifft das insbesondere die Reproduktionsfunktionen. Zyklusstörungen bei Spitzenathletinnen rückten bereits in den 1990er-Jahren in den Fokus der Wissenschaft, als durch den Hormonmangel vermehrt Osteoporose und Ermüdungssbrüche bei jungen Sportlerinnen diagnostiziert wurden. Das gleichzeitige Auftreten von gestörtem Essverhalten wie Magersucht, ausbleibender Regelblutung (Amenorrhoe) und Knochendichtemangel bekam den Namen Female Athlete Triad.

Das Red-S-Syndrom lässt sich als weiter gefasste Fortführung der Female Athlete Triad verstehen. Die Bandbreite der Symptome ist viel größer, die hormonelle Dysbalance ein Faktor unter vielen. Und: Auch Männer sind vom Energieverfügbarkeits-Syndrom betroffen, etwa durch ein erhöhtes Verletzungsrisiko. Wie viele Sporttreibende in Deutschland an Red-S leiden, dazu gibt es keine Zahlen. Laut eines Konsensuspapiers des Internationalen Olympischen Komitees von 2023 tritt das Red-S-Syndrom schätzungsweise bei 15 bis 80 % der weiblichen und männlichen Elite auf – je nach Sportart und Erhebungsmethode. Die Dunkelziffer dürfte also gewaltig sein, insbesondere im Amateurbereich. Denn während Profis und ihre Coaches mittlerweile ein Problembewusstsein haben und entsprechend auf Symptome des Red-S-Syndroms achten, sind vielen Hobbyläuferinnen und -läufern die Auslöser und Warnsignale unbekannt.

RED-S-Syndrom: Ursachen und Risikofaktoren

Dass man mit weniger Gewicht schneller laufen kann, veranlasst viele zum Abnehmen. Das ist unproblematisch, wenn überflüssige Pfunde über längere Zeit auf gesunde Weise abgebaut werden. Anders sieht es aus, wenn die Waage ohnehin schon in Richtung Untergewicht ausschlägt und der Fettanteil niedrig ist. Wer jetzt noch weiter abnimmt, provoziert das Red-S-Syndrom mit Leistungseinbruch und Gesundheitsproblemen. Die „Leichter ist schneller“-Mentalität im Ausdauersport ist ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor. Bei ambitionierten Läuferinnen und Läufern herrscht manchmal eine regelrechte Angst vor einer Gewichtszunahme und damit verbundenen schlechteren Wettkampfergebnissen.

Dazu kommt ein häufiger Fehler bei der Ernährung: Sie wird bei hohen Trainingsumfängen nicht angepasst, sondern es wird einfach weitergegessen wie vorher. Das betrifft sowohl die Quantität als auch die Qualität. Eine sinnvolle Ernährung für Ultraläuferinnen und -läufer etwa beinhaltet das Hochfahren der Makro- und Mikronährstoffe in einem ausgewogenen Verhältnis, um den Körper ausreichend zu versorgen. Einfach nur mehr Kohlenhydrate wie Nudeln zu essen, reicht nicht aus – sie sättigen zwar, aber die Nährstoffdichte ist gering. Immer nur große Salatportionen auf den Speiseplan zu setzen, ist aber auch keine gute Idee. Das große Volumen und die Ballaststoffe stillen den Hunger, liefern aber zu wenig Energie.

RED-S erkennen: Diagnose und Warnsignale

Die frühen Anzeichen des Red-S-Syndroms sind recht unspezifisch: Anhaltende Müdigkeit, schlechte Regeneration und häufige Infekte sind Folgen von Stress und sportlicher Überlastung, die im Leben phasenweise immer mal wieder auftreten. Frauen erhalten mit dem Symptom Zyklusstörungen ein deutlicheres Warnsignal: Bist du davon betroffen, empfiehlt sich ein umgehender Besuch beim Arzt. Auch folgende Symptome sollten dich geschlechtsunabhängig alarmieren – vor allem, wenn mehrere zeitgleich und dauerhaft auftreten:

  • Leistungsstagnation oder -einbruch trotz guten Trainings
  • Knochenschmerzen
  • wiederkehrende Stressfrakturen
  • Sehnen- und Bänderverletzungen
  • Muskelschmerzen, Muskelkrämpfe
  • Schlafstörungen, Nachtschweiß
  • Nervosität und Stressgefühl
  • Kopfschmerzen
  • Verdauungsprobleme
  • mangelnde Libido
  • Konzentrationsstörungen
  • depressive Verstimmungen
  • bei Jugendlichen: Wachstums- und Entwicklungsstörungen

Eine Diagnose des Red-S-Syndroms ist beim Arzt durch einen Check bestimmter Blutwerte sowie Bildgebungsverfahren möglich:

  • Ein Blutbild zeigt dir, ob deine Geschlechts- und Schilddrüsenhormone (Östrogen, Testosteron, Trijodthyronin – T3) reduziert sind.
  • Eine DXA-Messung deckt frühe Verluste an Knochenmineraldichte auf – selbst bevor klinisch Frakturen auftreten.
  • Die Analyse deines Ruheenergieverbrauchs (RMR) kann eine Schieflage aufzeigen, wenn er unter den erwarteten Werten liegt.

Lasse diese Parameter möglichst bald kontrollieren, wenn du den Verdacht hast, am Red-S-Syndrom zu leiden. Je früher du reagierst, desto eher ist eine erfolgreiche Behandlung möglich und ernsthafte Folgen lassen sich vermeiden. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Knochengesundheit: Ein Verlust der Knochenmasse ist oft nicht mehr vollständig reversibel!

Behandlung und Prävention: So kommst du zurück in Balance

Eine Behandlung des Red‑S-Syndroms beginnt immer bei der Energiezufuhr. Erhöhe deine Kalorienaufnahme um 300 bis 600 kcal täglich, setze auf eiweißreiche Kost und achte auf eine ausreichende Mikronährstoffversorgung – dein Körper braucht dringend Baustoffe für den Wiederaufbau und die Regeneration. Suche dir gegebenenfalls Hilfe, wenn dir das alleine schwerfällt: Eine Ernährungsberatung wird in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt oder zumindest bezuschusst. Auch das 12-monatige RUNNER’S WORLD Ernährungscoaching ist erstattungsfähig. Bei Essstörungen empfiehlt sich eine psychologische Begleitung.

Bei ausgeprägtem Red-S-Syndrom ist weiterhin eine vollständige Trainings- und Wettkampfpause angezeigt. Ansonsten solltest du zumindest die Intensität deutlich runterschrauben und mehr Ruhetage in deinen Trainingsplan einbauen. Achte auf eine sinnvolle Periodisierung, wenn es dir besser geht – auch hier kannst du dich von einem Coach unterstützen lassen. Gerade wer vorher viel trainiert hat, tut sich mit einer Reduktion schwer. Und auch die Eigendefinition von lockeren Einheiten weicht oft stark von einer Außenbetrachtung ab. Objektive Messwerte wie die Herzfrequenzvariabilität und der Ruhepuls zeigen dir gegebenenfalls, ob du auf dem richtigen Weg bist.

Red-S vorbeugen ist besser als heilen – der Genesungsprozess ist langwierig und kann sich über Jahre hinziehen. Vor allem der Hormonhaushalt braucht seine Zeit, bis er wieder im Gleichgewicht ist. Präventiv empfiehlt es sich, dein Körpergewicht und die Energieaufnahme im Blick zu behalten. Mit Apps wie MyFitnessPal oder Yazio kannst du die Kalorienmenge und die Zusammensetzung deiner Mahlzeiten tracken und sehen, ob Defizite bestehen. Um eine chronisch niedrige Energieverfügbarkeit zu verhindern, solltest du ungefähr 45 kcal pro kg fettfreie Masse pro Tag aufnehmen. Diese Formel ist die genaueste, da nur das stoffwechselaktive Gewebe bei der Energiebedarfsberechnung zählt. Wer mehr Muskulatur hat, braucht mehr Energie – Fettmasse verzerrt die Kalkulation.

Die fettfreie Masse kannst du mit einem DXA-Scan, der bioelektrischen Impedanzmethode („Körperfettwaage“) oder einer Hautfaltenmessung ermitteln. Für den Hausgebrauch kommt meistens die Waage zum Einsatz – achte hier darauf, dass sie nicht nur Fuß-, sondern auch Handsensoren besitzt. Die Messung ist dann viel genauer. Die Investition in einen einmaligen DXA-Scan bei einer Sportmedizinerin oder in einem Leistungszentrum lohnt sich, um einen zuverlässigen Basiswert mit präzisen Empfehlungen für deine individuelle Energieaufnahme zu erhalten. Die Messung kostet etwa 40 bis 60 Euro und du erfährst auch gleich, wie es um deine Knochendichte steht.

Ansonsten gelten viele der üblichen Tipps für eine gute Gesundheit, wenn du das Red-S-Syndrom vermeiden möchtest. Achte auf ausreichend erholsamen Schlaf, ein solides Stressmanagement und verzichte auf Genussmittel wie Tabak und Alkohol.

RED-S-Syndrom bei Läuferinnen und Läufern: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Frauen bemerken das Red-S-Syndrom oft deutlich, wenn sie einen Kinderwunsch haben. Der veränderte Hormonhaushalt mit reduziertem Östrogen- und Progesteronspiegel macht eine Schwangerschaft unmöglich. Bei Männern sinkt zwar der Testosteronspiegel, aber die Folgen für die Fruchtbarkeit sind nicht so offensichtlich. Red-S-Betroffene kämpfen eher mit verringerter Libido und Energiemangel. Auf Letzteren reagieren Läufer nicht ganz so empfindlich wie Läuferinnen – bei den Sportlerinnen sorgen bestimmte Neurotransmitter und Neuropeptide für heftige hormonelle Dysbalancen.

Müdigkeit, Verletzungsanfälligkeit, Leistungsrückgang und psychische Symptome durch Red-S sind beiden Geschlechtern gemeinsam. Bei Männern werden sie aber weniger mit dem Syndrom in Zusammenhang gebracht, da der Fokus in der Medizin lange auf der Female Athlete Triad lag.

Häufige Fragen und Antworten zum Red-S-Syndrom

Ist das RED-S-Syndrom heilbar?

Wie schnell zeigt sich eine Besserung?

Kann man trotz RED-S noch trainieren?

Gibt es einen Selbsttest für das RED-S-Syndrom?

Wie oft sollte ein Screening durchgeführt werden?

Welche Makronährstoffverteilung ist bei RED S sinnvoll?

Fazit: Relativ unbekannt, aber folgenschwer – das Red-S-Syndrom

Die Symptome des Red-S-Syndroms sind breit gefächert und leicht anderen Erkrankungen oder zu viel Stress zuzuschreiben. Das macht es schwierig, das relative Energiedefizit im Sport zu erkennen. Hast du bereits länger diffuse Beschwerden, solltest du unbedingt auch an Red-S denken. Fragebögen, Laboruntersuchungen und eine Knochendichtemessung verschaffen dir Gewissheit. Bis du betroffen, fährst du aufgrund der vielfältigen Symptomatik mit einer interdisziplinären Therapie am besten. Besser ist es aber, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Das Red-S-Syndrom ist zwar weitgehend heilbar, aber nur mit viel Aufwand und Zeit. Mit gezielter Prävention, angepasster Trainingsplanung und regelmäßigen Check-ups schützt du deine Gesundheit und kannst langfristig erfolgreich laufen.