Hungerast, Mann mit dem Hammer, gegen die Wand gelaufen, Stecker gezogen – wer intensiv Ausdauersport betreibt, hat vermutlich irgendwann einmal Bekanntschaft mit diesem Zustand gemacht: Die Unterzuckerung, medizinisch Hypoglykämie, hat zugeschlagen. Dann geht plötzlich gar nichts mehr und dein Körper streikt. Wie du eine Unterzuckerung erkennst, was du akut dagegen tun kannst und wie du sie von vornherein vermeidest, erfährst du hier.
Was ist Unterzuckerung eigentlich?
Ausdauertraining wie Joggen, Radfahren, Schwimmen, Langlaufen und Wandern verbraucht viel Energie. Die gewinnen wir aus der Nahrung, insbesondere aus den Kohlenhydraten. Während der Belastung setzt der Körper den Makronährstoff, der letztlich nichts anderes als Zucker ist, direkt für die Energiegewinnung ein. Im Ruhezustand wandern überschüssige Kohlenhydrate in die Glykogenspeicher der Leber und Muskulatur, aber nur bis zu einer gewissen Menge. Verbrauchst du bei einer Aktivität alle Reserven, ohne für Nachschub zu sorgen, kommt es zur Unterzuckerung. Dein Blutzuckerspiegel sinkt so stark ab, dass du die Leistung nicht mehr aufrechterhalten kannst und das Training stoppen musst. Da auch die Organe mit Glukose unterversorgt sind, kann es zu Ausfallerscheinungen bis hin zur Bewusstlosigkeit kommen. Damit ist dann nicht mehr zu spaßen.
Ursachen und Risikofaktoren für Unterzuckerung im Lauftraining
Eine häufige Ursache für eine Unterzuckerung beim Laufen ist eine mangelhafte Glukoseversorgung durch ausgelassene Mahlzeiten. Das kennen wir alle – in der Alltagshektik haben wir das Mittagessen ausgelassen und gehen am späten Nachmittag nüchtern laufen. Unsere Glykogenspeicher sind nicht vollständig gefüllt und entleeren sich schneller. Reichen sie normalerweise – je nach Trainingszustand und -intensität – für etwa 90 bis 120 Minuten, kann jetzt deutlich früher Ebbe herrschen. Studien zufolge sind die Reserven dann bereits nach der halben oder sogar nur einem Drittel der Trainingszeit erschöpft!
Ein Auffüllen durch schnell verfügbare Kohlenhydrate in Energy Gels oder Sportgetränken kurz vor oder während der Trainingseinheit klappt nur bedingt. Ist der Leberglykogenspeicher erst einmal leer und dein Blutzuckerspiegel niedrig, braucht eine Stabilisierung Zeit – der Glukosenachschub muss erst verstoffwechselt werden. Besser ist es, mit gefüllten Speichern und konstantem Blutzuckerspiegel zu starten.
Ein weiterer Grund für eine Hypoglykämie während einer Laufeinheit ist mangelnder Kohlenhydratnachschub. Nach spätestens zwei Stunden solltest du nachtanken. Das ist aber nur ein Richtwert, bei niedriger Intensität kannst du auch länger ohne Verpflegung auskommen. Geht es dagegen richtig zur Sache, etwa bei einem scharfen Intervalltraining, brauchst du ggf. schon nach 60 Minuten eine Kleinigkeit zu essen.
Risikofaktor Mahlzeiten-Timing
Was viele nicht wissen: Auch der Zeitpunkt und Umfang der Mahlzeiten spielen eine Rolle für eine mögliche Unterzuckerung. Isst oder trinkst du 30 bis 60 Minuten vor dem Lauf eine üppige Portion leicht verdaulicher Kohlenhydrate (Weißmehlprodukte, Säfte, Softdrinks, Bananen, Energieriegel etc.), wird dein Körper mit Glukose geflutet. Der Blutzuckerspiegel steigt rasch an und es kommt zu einer starken Insulinausschüttung: Das Hormon sorgt dafür, dass der Zucker aus dem Blut in die Zellen gelangt. Der Blutzucker sinkt also wieder. Wenn du losläufst, verbrauchst du Glukose und der Spiegel rauscht richtig in den Keller. Eine sogenannte Rebound-Hypoglykämie kann die Folge sein. Nicht nur wegen des vollen Magens, sondern auch deshalb sollte die letzte große Mahlzeit mit einem Abstand von mindestens zwei Stunden vor dem Training eingenommen werden. Ein kleiner Snack 15 bis 30 Minuten vor dem Start verursacht dagegen keine reaktive Unterzuckerung.
Funktionelle Hypoglykämie – die unbekannte Unterzuckerung
Wenn du häufig in einem Energiedefizit trainierst, werden deine Muskeln besonders insulinempfindlich und nehmen verstärkt Glukose auf. Andere Organe, insbesondere das Gehirn, können dann zu kurz kommen und Funktionsstörungen entwickeln. Außerdem gewöhnt sich der Körper an den niedrigen Blutzuckerspiegel und verlernt, die Warnsignale zu erkennen – er steuert der Hypoglykämie nicht mehr effektiv entgegen. Ein dauerhaftes Energiedefizit bei umfangreichem Training kann überdies zum Red-S-Syndrom führen, das ebenfalls mit einer gestörten Blutzuckerregulation einhergehen kann: Das Risiko für eine Unterzuckerung im Lauftraining steigt.
Sehr schlanke Läuferinnen haben ein hormonell bedingt höheres Risiko für die Entwicklung einer funktionellen Hypoglykämie. Östrogene und Progesteron beeinflussen die Glukoseaufnahme, sie kann deutlich schneller erfolgen. Der geringe Anteil an Fettzellen erhöht die Insulinsensitivität – es fehlen Botenstoffe, die das Hormon ausbremsen, und der Blutzuckerspiegel sinkt noch rascher.
Typische Anzeichen einer Unterzuckerung beim Laufen
Während des Trainings kann sich eine Hypoglykämie auf sehr unterschiedliche Weise bemerkbar machen. Die Bandbreite reicht von milden bis zu massiven Symptomen.
Frühe Warnzeichen sind:
- leichter Leistungsabfall: du wirst langsamer
- Heißhunger
- Schwächegefühl
- Zittern
- „weiche Knie“
- Übelkeit
- kalte Schweißausbrüche
- Herzklopfen, Herzrasen
- Nervosität, Angstgefühle
Im fortgeschrittenen Zustand einer Unterzuckerung kann es zu schwerwiegenderen Ausfallerscheinungen kommen – vor allem, weil das Gehirn nicht genügend Energie bekommt. In einen solchen Zustand geraten vor allem Menschen, die eine Hypoglykämie nur schwer wahrnehmen können. Das kann bei älteren Läuferinnen und Läufern, an Diabetes Erkrankten und bei einer Einnahme von Betablockern der Fall sein.
Schwere Symptome sind:
- Konzentrationsprobleme, verlangsamtes Denken
- Wortfindungs- oder Sprechstörungen
- Verwirrtheit
- Schwindel,
- dir wird schwarz vor Augen
- Sehstörungen
- Koordinationsstörungen: Torkeln, Schwanken, Stolpern
- ungewöhnliches oder aggressives Verhalten
- Schläfrigkeit
- Krampfanfälle
- Ohnmacht
Diese Symptome sind ein Notfall. Triffst du auf eine Person, die bewusstlos, stark verwirrt ist oder Krampfanfälle hat, solltest du immer mit der 112 einen Krankenwagen rufen.
Akutmaßnahmen: Was tun, wenn ich beim Laufen unterzuckert bin?
Merkst du, dass du in eine Unterzuckerung geraten bist, solltest du nicht weiterlaufen. Setze dich möglichst hin und nimm schnell verfügbare Kohlenhydrate zu dir. Ideal ist Traubenzucker – die reine Glukose gelangt zum Teil direkt von der Mundschleimhaut ohne den Umweg über den Verdauungstrakt ins Blut. Eine Wirkung tritt so innerhalb weniger Minuten ein. Alternativ kannst du zu Energie-Gels, Fruchtsaft, Honig, Gummibärchen oder Cola greifen.
Nach 15 Minuten sollte es dir besser gehen und du kannst langsam weiterlaufen oder gehen. Falls du noch nicht stabil bist, solltest du noch einmal 15 bis 20 g Kohlenhydrate zuführen. Um einem erneuten Abfall des Blutzuckerspiegels vorzubeugen, sind jetzt auch komplexe Kohlenhydrate empfehlenswert, etwa ein Müsliriegel oder ein Brot – das gilt besonders, wenn du den nur kurz wirksamen Traubenzucker als Akuthilfe genommen hast.
Achtung: Leidest du an Diabetes, solltest du vor und nach der Kohlenhydrateinnahme eine Blutzuckermessung durchführen, um die Mengen entsprechend dosieren zu können.
Wie du Unterzuckerung beim Laufen vorbeugst: 5 Tipps
Vorsicht ist besser als Nachsicht – zur Prävention einer Unterzuckerung genügen einfache Maßnahmen.
Vor dem Laufen essen …
… und zwar das Richtige zur richtigen Zeit. Optimal ist eine kohlenhydratreiche, leicht verdauliche Mahlzeit zwei bis drei Stunden vor dem Training. Ein Brötchen mit Marmelade oder Honig, Haferflocken oder Porridge mit Banane oder ein Joghurt mit Obst füllen die Glykogenspeicher und halten den Blutzucker stabil. Verzichte auf ballaststoffreiche und sehr fettige Lebensmittel: Sie verlangsamen die Verdauung und können verzögert in ein Energieloch führen. Bist du nicht nüchtern, aber die letzte Mahlzeit ist schon länger her und du hast Hunger, kannst du ruhig bis zu 15 Minuten vor dem Lauf einen Snack wie ein Gel oder eine Banane essen.
Während des Trainings Kohlenhydrate zuführen
Bei Läufen über 90 bis 120 Minuten oder kürzeren Einheiten mit hoher Intensität ist es ratsam, während des Trainings Glukose aufzunehmen. Bewährt haben sich etwa 30 bis 60 g Kohlenhydrate pro Stunde, bei sehr langen Läufen bis zu 90 g. In welchem Abstand du welche Riegel, Gels, Quetschies, Trockenfrüchte oder Sportgetränke verträgst, solltest du austesten. Ein kontinuierliches Auffüllen beugt einer schleichenden Unterzuckerung vor, die du vielleicht zu spät bemerkst. Außerdem bleibt deine Leistung konstant.
Trinken nicht vergessen
Eine Dehydrierung begünstigt eine Hypoglykämie: Der Flüssigkeitsverlust erhöht die Belastung des Herz-Kreislauf-Systems, beschleunigt den Verbrauch von Muskel- und Leberglykogen und kann die Fähigkeit der Leber, Glukose ins Blut abzugeben, einschränken. Daher solltest du vor und während des Trainings für eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sorgen, am besten mit einem elektrolythaltigen Getränk. Verzichte auf Alkohol am Vorabend eines Lauftrainings – deine Leber ist dann mit der Entgiftung beschäftigt statt mit der Abgabe von Glukose ins Blut. Du startest schon mit einem Mangel und riskierst eine Unterzuckerung während der Einheit.
Nach dem Lauf zügig Glykogenspeicher auffüllen
Unmittelbar nach einer harten oder langen Einheit ist es wichtig, die Speicher rasch wieder aufzufüllen. Leber und Muskeln haben ihre Energiespeicher geleert und der Blutzucker kann sonst zu stark absinken – eine trainingsinduzierte Hypoglykämie droht. Diese kann auch noch mit einer Verzögerung von mehreren Stunden eintreten. Warte also nicht zu lange mit dem Essen. Ideal sind die ersten 30 bis 60 Minuten, dann ist der Körper besonders aufnahmefähig und speichert die Glukose effizient. Etwa 1,2 g Kohlenhydrate pro kg Körpergewicht plus ca. 0,4 g Protein/kg für die Regeneration haben sich bewährt.
Notfall- und Vorsorgemaßnahmen treffen
Nimm immer schnell verfügbare Kohlenhydrate für den Notfall mit – Unterzuckerung kann ja nicht nur dich, sondern auch andere treffen. Ein kleines Päckchen Traubenzucker oder ein Gel nehmen nicht viel Platz weg und passen in jede Hosen- oder Jackentasche. Am besten testest du mal im Training, wie sie bei dir wirken. Zeigen sich beim Training wiederholt Symptome einer Unterzuckerung, obwohl du genügend gegessen hast, solltest du die Ursachen medizinisch abklären lassen. Es können Nebenwirkungen von Medikamenten oder Stoffwechselstörungen dahinterstecken.
Nüchternläufe – ja oder nein?
In der früheren Trainingsliteratur für die Marathonvorbereitung gehörten Nüchternläufe zum Pflichtprogamm, um den Fettstoffwechsel zu trainieren. Das wird heute differenzierter gesehen – nicht zuletzt, weil schon eine leichte Unterzuckerung die Trainingsqualität mindert. Letztlich solltest du individuell abwägen, ob für dich die Vor- oder Nachteile überwiegen:
Wie eine Unterzuckerung Leistung und Erholung beeinflusst
Gerätst du bei einem Lauf in eine Unterzuckerung, steht dir schlagartig weniger Energie zur Verfügung. Deine Leistung sinkt, du musst Tempo rausnehmen. Auch deine Gehirnfunktion leidet und die Konzentration, Reaktionszeit und Koordination verschlechtern sich, die Lauftechnik wird schlechter – gerade auf Trails ist das ein Sicherheitsrisiko. Der Körper ergreift Gegenmaßnahmen und schüttet Adrenalin, Cortisol und Glukagon aus, was zu Zittern, Herzrasen, Schwitzen und einem starken Unwohlsein führt. Ohne Kohlenhydratzufuhr fällt der Blutzucker weiter ab, die Symptome verschlimmern sich und es kann zu Verwirrung oder Bewusstseinsverlust kommen. Einen Wettkampf musst du dann abbrechen. Weiterlaufen ist nur vertretbar, wenn du sofort bei den ersten Symptomen Glukose einnimmst und sich dein Zustand innerhalb von 15 Minuten normalisiert.
Bei andauernder oder wiederholter Unterzuckerung verschiebt sich der Stoffwechsel stärker in Richtung Fettverbrennung, die Regeneration verlangsamt sich: Die Glykogenspeicher werden nicht optimal aufgefüllt, der Körper greift auf Eiweiß aus den Muskelzellen zurück. Darunter leiden die Muskelreparatur und die Trainingsanpassung. Besonders gefährdet sind hier Läuferinnen und Läufer mit niedrigem Körperfettanteil.
Unterzucker-Checkliste für Läufer
Damit du erst gar keine Bekanntschaft mit dem Hungerast machst, kannst du unsere Checkliste durchgehen und abhaken:
Vor dem Lauf
✅ kein starker Alkoholkonsum oder sehr kalorienarmes Essen am Vortag
✅ Schlaf und generelle Energiebilanz prüfen, evtl. geplanten Lauf verkürzen
✅ 1 bis 3 Std. vor langen/intensiven Einheiten eine kleine kohlenhydratreiche Mahlzeit essen (z. B. Banane + Joghurt)
✅ Verpflegungsplan für lange Läufe erstellen
Während des Laufs
✅ frühe Warnsignale beachten: Schwäche, Zittern, starkes Hungergefühl, verschwommene Sicht, Konzentrations-/Koordinationsprobleme, plötzliche Reizbarkeit
✅ bei ersten Symptomen Tempo reduzieren oder anhalten
Akutmaßnahmen
✅ sofort 15 bis 20 g schnell verfügbare Kohlenhydrate einnehmen (z. B. Traubenzucker, Gel, 150 bis 200 ml Saft, Limo oder Cola, Löffel Honig)
✅ 10 bis 15 Minuten warten und Zustand beurteilen
✅ sind Symptome vollständig verschwunden: langsam und vorsichtig weiterlaufen
✅ bleiben Symptome oder verschlechtern sich: Lauf abbrechen und ggf. Hilfe holen
✅ kurz nach Stabilisierung kohlenhydratreiche Mahlzeit mit Protein essen
✅ Erholung und Schlaf beobachten; bei anhaltenden Problemen Arzt aufsuchen
Notfall-Ausrüstung
✅ 1 bis 2 Gels oder Traubenzucker (insgesamt 15–20 g Kohlenhydrate)
✅ Mobiltelefon, Notfallkontaktkarte, Ausweis, etwas Bargeld
FAQ: Häufige Fragen zu Unterzuckerung beim Laufen
Bei einer Hypoglykämie hast du häufig Heißhunger, zitterst und bist kaltschweißig. Nach Zuckerzufuhr bessert sich das schnell. Austrocknung und Hitze führen dagegen eher zu einer trockenen Zunge, starkem Durst, wenig Urin und erhöhter Körpertemperatur.
Koffein kann kurzfristig wach machen und Adrenalin freisetzen, Symptome überdecken und kurzfristig Glukose mobilisieren. Es kann jedoch die Wahrnehmung stören und den Energieverbrauch erhöhen und ist bei einer Hypoglykämie keine Alternative zur Zuckerzufuhr.
Teilweise ja: Bei einer langsamen, geplanten Anpassung mit geringer Intensität und progressiver Steigerung der Länge der Läufe kann ein Gewöhnungseffekt eintreten. Bei häufigen Symptomen oder einem sehr niedrigen Körperfettanteil bleibt jedoch das Risiko für eine funktionelle Hypoglykämie bestehen.
Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie entleeren die Glykogenspeicher und erhöhen das Risiko für Unterzuckerung deutlich. Besonders bei sehr schlanken oder restriktiv essenden Läuferinnen und Läufern kann der Blutzucker schon früh stark abfallen. Wer wiederholt in Energielöcher gerät oder Mahlzeiten aus Angst vor Gewichtszunahme auslässt, sollte ärztliche oder psychologische Hilfe suchen – ausreichend Energie ist Voraussetzung für Leistung, Regeneration und Gesundheit.