Laufanatomie: Welche Muskeln werden beim Laufen trainiert?

Muskelbeanspruchung und Stabilisation
Laufanatomie: Welche Muskeln sind wichtig?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 29.10.2025
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Die Anatomie des Läufers
Foto: Getty Images

Unser Körper hat etwa 650 Muskeln – ein riesiges Organsystem. Nicht alle Rädchen im Getriebe sind fürs Laufen wichtig. Um gezielt an der relevanten Muskulatur zu arbeiten, solltest du die anatomischen Mechanismen kennen. Nur so kannst du deine individuellen Schwachstellen und Dysbalancen erkennen und beheben.

Laufanatomie: Die Hauptmuskeln beim Laufen

Bei der Laufbewegung arbeiten mehrere Muskeln zusammen. Es werden also Muskelgruppen beansprucht und nicht isolierte Einzelmuskeln, Laufen ist ein Ganzkörpersport. Ein Verständnis für dieses Zusammenspiel ist die Grundlage für eine gute Lauftechnik und ein ausgewogenes Krafttraining. Fokussierst du dich nämlich zu sehr auf einen einzigen Muskel wie etwa den Oberschenkel und vernachlässigst dabei den Rest, leistet das Ungleichgewichten Vorschub.

Beim Laufen kommen hauptsächlich folgende Muskelgruppen zum Einsatz:

Bein- und Hüftmuskulatur

Die Skelettmuskeln, die von der Hüfte abwärts ziehen, sind die Hauptantriebsmuskeln. Sie alle haben spezifische Aufgaben in der Laufbewegung. Der Oberschenkelmuskel (Quadrizeps) ist für die Kniestreckung zuständig. Er arbeitet exzentrisch beim Aufkommen und konzentrisch bei der Stabilisation. Die rückseitige Oberschenkelmuskulatur (Hamstrings) sorgt für eine Hüftstreckung und Kniebeugung. In der Schwungphase des Bewegungszyklus bremsen diese Muskeln das Bein und unterstützen den Abstoß vom Boden.

Für den Vortrieb in der Standphase und einen kraftvollen Abstoß ist außerdem der Gluteus maximus, der große Muskel am Gesäß, als hauptsächlicher Hüftstrecker wichtig. Die Hüftabduktoren Gluteus medius und minimus stabilisieren das Becken in der Standbeinphase und verhindern ein einseitiges Absinken. Für das Anheben des Beins in der Schwungphase zeichnet der Hüftbeuger (Iliopsoas) verantwortlich.

Am Unterschenkel ist die Wadenmuskulatur entscheidend für den Abdruck und die Stoßdämpfung. Der vordere Schienbeinmuskel (Tibialis anterior) hebt den Fuß in der Schwungphase an und kontrolliert exzentrisch den Fußaufsatz.

Rumpf- und Oberkörpermuskulatur

Neben der Beinmuskulatur sind auch die Muskeln am Oberkörper an der Laufbewegung beteiligt. Die Bauchmuskulatur sorgt dafür, dass du beim Laufen im Rumpf stabil bleibst. Deine Körperhaltung bleibt dank ihr und dem Rückenstrecker aufrecht und kontrolliert. Gleichzeitig überträgt sie die Kräfte zwischen Ober- und Unterkörper und sorgt so für eine effiziente Arm-Bein-Koordination und einen ökonomischen Laufstil. Die Schulter-/Arm-Muskulatur spielt eine Rolle, damit der Armschwung die Beinbewegung unterstützen und ausbalancieren kann.

Exzentrische, konzentrische, isometrische Muskelarbeit: Was heißt das?Muskeln kontrahieren unterschiedlich, um den Körper gezielt zu bewegen und zu stabilisieren. Exzentrisch heißt, der Muskel erzeugt Kraft, während er sich verlängert. Konzentrisch bedeutet, dass sich er verkürzt und aktiv zieht. Im isometrischen Zustand hält der Muskel Spannung, ohne sich merklich in der Länge zu verändern. Beim Laufen dämpfen exzentrische Phasen den Aufprall, konzentrische liefern den Schub nach vorn und isometrische halten Rumpf und Gelenke in Position.

So arbeiten Rumpf und Core beim Laufen mit

Am Rumpf hängen nicht einfach nur die Beine – er arbeitet beim Laufen aktiv mit. Die Körpermitte stabilisiert die Wirbelsäule und das Becken bei jedem Schritt. Der Core hält deinen Körper aufrecht und sorgt für eine effiziente Kraftübertragung: Deine Laufbewegung ist ökonomisch, du bringst die PS ohne große Energieverluste auf die Straße. Im Einzelnen sorgt der Core dafür,

  • dass das Becken nicht einseitig absinkt und durch die Schieflage die Bewegungseffizienz verschlechtert,
  • dass Rotationsbewegungen in Vortrieb umgesetzt werden und
  • dass der Oberkörper in der Schwungphase nicht zu sehr schwankt.

Der Rumpf ist außerdem wichtig für das Gleichgewicht. Deswegen arbeiten Trailrunner beim schnellen Bergablaufen viel mit dem Oberkörper und den Armen – mit dieser Lauftechnik balancieren sie den unebenen Laufuntergrund aus.

Läufer beim Krafttraining
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Beim Langstreckenlauf auf der Straße ist der Core entscheidend, um auch nach stundenlangem Laufen noch eine gute Körperhaltung zu haben. Bei Marathons kannst du das auf den letzten Kilometern beobachten: Wer eine stark ermüdete Körpermitte hat, kippt regelrecht nach vorne. Diese Vorbeugung verlangsamt den Schritt und erhöht die Gefahr für Verletzungen. So steigt der Druck auf die Knie, die Hüfte und die Lendenwirbelsäule mehr als nötig.

Balance und Abstoß: Unterschenkel, Füße und Sprunggelenk

Unterschenkel, Fuß und Sprunggelenk stellen beim Laufen die direkte Verbindung zum Boden her und machen zwei entgegengesetzte Bewegungen möglich: Zuerst sorgen sie für eine weiche, kontrollierte Landung, dann für einen effektiven Abstoß. Beim Aufsetzen sorgt die Muskulatur des Unterschenkels dafür, dass dein Fuß richtig aufkommt, die Waden- und Schienbeinmuskeln bremsen exzentrisch. Dabei spielt das Sprunggelenk eine zentrale Rolle: Es hebt den Fuß beim Aufsetzen kontrolliert an und drückt ihn beim Absprung mit hoher Schnellkraft nach unten, nimmt Aufprallenergie auf und gibt sie über die Achillessehne als elastische Energie wieder frei.

Das Funktionsprinzip kannst du gut nachvollziehen, wenn du einen großen Zeh nach oben streckst. Du merkst dann, wie sich die Plantarfaszie unter dem Fuß zusammenzieht und das Längsgewölbe anhebt. Dein Fuß wird quasi vom elastischen Dämpfer zur steifen Feder, die einen druckvollen Abstoß ermöglicht. Im Verlauf des Schrittzyklus verändert sich der Fuß also dynamisch.

Balance entsteht durch ein Zusammenspiel aus sensiblen Rezeptoren in der Fußsohle, der feinen Fußmuskulatur und den seitlichen Unterschenkelmuskeln (Peroneen). Sie machen kleine Korrekturen möglich, besonders auf unebener Laufstrecke. Bei schnellen Laufbewegungen, etwa im Sprint oder bei steilen Anstiegen, entscheidet die verfügbare Schnellkraft der Plantarflexoren und der Fußmuskulatur mit darüber, wie explosiv und effizient der Abstoß ausfällt.

Welche Faktoren beeinflussen, welche Muskeln beim Laufen beansprucht werden?

Bei der Muskelbeanspruchung macht es natürlich einen Unterschied, wie schnell, wo und mit welcher Lauftechnik du unterwegs bist. Das sind die wichtigsten Faktoren:

1

Geschwindigkeit und Intensität

2

Terrain und Untergrund

3

Steigungen und Gefälle

4

Stabilität und Lauftechnik

5

Fußaufsatz und Laufschuhe

6

Ermüdung

Muskelungleichgewicht: Typische Schwachstellen und wie man sie vermeidet

Dysbalancen zwischen Muskelgruppen beeinträchtigen die Muskelarbeit und verändern die Bewegungsmuster ungünstig: ein häufiger Grund für Schmerzen, Effizienzverlust und Verletzungen beim Laufen. Ungleichgewichte entstehen, wenn bestimmte Muskelgruppen systematisch stärker oder schwächer belastet werden als ihre Gegenspieler. Bei Läuferinnen und Läufern sind typische Schwachstellen:

  • Eine starke vordere Oberschenkelmuskulatur in Verbindung mit einer schwachen hinteren Kette (Hamstrings, Gesäß): Dadurch funktioniert die Hüftstreckung nicht mehr so gut und die Gefahr für Zerrungen steigt.
  • Schwacher Gluteus maximus, zu starker Hüftbeuger: Dieses Ungleichgewicht an der Gesäßmuskulatur stört die Kraftübertragung in der Abstoßphase.
  • Eine schwache tiefe Rumpfmuskulatur: Daraus resultiert eine zu geringe Stabilität, das Becken kippt einseitig und die Kraftübertragung wird ineffizient.
  • Wenig trainierte Hüftabduktoren: Ist insbesondere der mittlere Gesäßmuskel nicht gut gekräftigt, müssen andere Muskeln seine Arbeit übernehmen. Das kann als typische Beschwerden IT-Bandreizungen und das Läuferknie begünstigen.
  • Asymmetrische Beinmuskulatur: Selbst feine Ungleichgewichte bei Kraft und Muskelaktivierung zwischen den beiden Beinen können Probleme bereiten – etwa Achillessehnenbeschwerden.

Hauptsächliche Ursachen für die Ungleichgewichte sind einseitiges Training, viel Sitzen, Technikdefizite, falsche Schuhwahl oder frühere Verletzungen, die kompensatorische Muster begünstigen. Die eigenen Schwachstellen überhaupt zu erkennen, ist das A und O. Ein erfahrener Coach, Physio oder Sportmediziner kann dir dabei helfen. Die Dysbalancen lassen sich dann ganz gezielt mit einem funktional ausgerichteten Kräftigungsprogramm beheben.

Zur Vorbeugung von Muskelungleichgewichten sind folgende Maßnahmen sinnvoll:

  • Trainiere gezielt die hintere Kette: Gluteus, Hamstrings und Rückenstrecker.
  • Setze dabei auch exzentrisches Krafttraining ein, also langsames Absenken des Gewichts.
  • Baue einbeinige Übungen ein, um Unterschiede zwischen links und rechts auszugleichen.
  • Ergänze Core-Training mit Fokus auf die tiefen Bauch- und Hüftstabilisatoren.
  • Dehne regelmäßig Hüftbeuger und Quadrizeps, um überaktive Strukturen zu entspannen.
  • Führe ab und zu Krafttests oder Beweglichkeitschecks durch, um Dysbalancen früh zu erkennen.
  • Fordere den Bewegungsapparat vielseitig durch eine regelmäßige Variation von Untergrund und Trainingsreizen.

Trainingstipps zur gezielten Stärkung

Wer läuft, braucht keine dicken Muskelpakete. Deshalb sind isolierte Kraftübungen für einzelne Muskeln an Geräten nicht so zielführend. Besser ist es, mehrere Muskelketten gleichzeitig anzusprechen. Funktionelles Training verbessert neben der Kraft auch die Koordination, Stabilisation und das Zusammenspiel zwischen Rumpf und Beinen. So gelingt der neuromuskuläre Transfer zur Laufbewegung besser.

Vor dem Lauftraining kannst du ein paar Aktivierungs- und Stabi-Übungen für die tiefe Bauchmuskulatur und die Hüfte einbauen. Zwei bis vier Minuten genügen schon. Beispielübungen wären Planks, die Käferübung und Hüftrotation im Sitz.

Ansonsten sind zwei bis vier spezifische Krafttrainingseinheiten mit progressivem Belastungsaufbau sinnvoll. Dabei sollten koordinative Übungen mit einbeiniger Belastung und funktionelle für Gesäß und seitliche Hüftmuskulatur nicht fehlen: So kann das ideale Krafttraining für Läufer aussehen.

Auch beim Laufen selbst kannst du deine Muskeln gezielt stärken. Achte darauf, dass deine Brust aufrecht und das Becken in neutraler Position bleiben, atme rhythmisch und halte eine leichte, konstante Spannung im tiefen Bauch. Deine Arme sollten locker vor und zurück pendeln und sich nicht überkreuzen – das reduziert eine unnötige Rumpfrotation und macht jeden Schritt ökonomischer.

5 Fragen und Antworten zur Laufanatomie