Lauf der Woche
Donnerstag, 18.3.2021
Tübingen
Bekanntermaßen-besonders-anstrengender-Dauerlauf
Ich melde mich vom Dauerlaufen und stelle fest: die Pandemie erfasst jeden Bereich. Auch wir Laufexperten sind betroffen. Herbert Steffny zum Beispiel: nach der Pandemie kennt den keiner mehr. Martin Grüning: Wer ist denn das fragen jetzt schon viele. Jan Fitschen: War da was? Arne Gabius: außer dem Bindestrich ist da nichts. Und ich? Laufe und tanze in der Garage. Mehr geht da nicht.
Und in diese Expertenlücke stößt nun, ganz überraschend, unser RKI-Chef Lothar Wieler. Bei einer der Pressekonferenzen der letzten Tage bezog er sich, wie schon so viele vor ihm, auf das Marathonlaufen und sagte: „Wir laufen einen Marathon. Wir befinden uns im letzten Drittel und das ist bekanntermaßen besonders anstrengend.“
Keiner von uns „sogenannten“ Laufexperten hat den Marathon, das Laufen, so auf den Punkt gebracht. Wir philosophieren und verlieren uns bei unseren Erklärungen zwischen Trainingsplanung und Diät. Lothar Wieler aber bringt es auf den Punkt.
Wenn man noch nie gelaufen ist, da wird ein Marathon „bekanntermaßen besonders anstrengend“. Ohne einen einzigen langen Lauf ist ein Marathon „bekanntermaßen besonders anstrengend“. Mit zu schnellem Anfangstempo wird das letzte Drittel eines Marathons „bekanntermaßen besonders anstrengend.“
Gut, es gibt Stimmen, die bezweifeln, dass den allermeisten BundesbürgerInnen das letzte Drittel eines Marathons überhaupt bekannt sein dürfte. Sei’s drum. Was bleibt, ist der Mythos Marathon. 42 km. Nein, natürlich ist ein Marathon bekanntermaßen 42,195 km. (Ja lieber Herr Wieler, lassen Sie es sich von mir sagen: in diesem Punkt sind die Marathonläuferinnen und -läufer immer ganz genau.)
Und genau an dieser Stelle, dem Ziel, hinkt der Vergleich der Pandemie mit einem Marathon. Motivation entwickelt sich immer dann, wenn man weiß, wo das Ziel ist. Wann ist Schluss? Dann lässt sich das Tempo perfekt einteilen und zum Schluss, oder auf dem letzten Drittel, wirklich sehr, sehr viel Energie mobilisieren. Ich mache ja alles mit und deshalb von mir nur eine Verständnisfrage, wegen dem letzten Drittel und so: Wie lange ist denn Ihr Marathon, Herr Wieler?