Die Latte liegt hoch: Der neue Nike ZoomX Vaporfly Next% ist der Nachfolger des Schuhs, mit dem Eliud Kipchoge am 16. September 2018 den Mararathonweltrekord gelaufen ist: 2:01:39 Stunden. Und der amerikanische Schuhhersteller behauptete damals, der Schuh habe 4 Prozent zur Leistungsverbesserung beigetragen (hier geht's zum Testbericht des Nike Zoom Vaporfly 4%). Und da soll der neue Vaporfly, der kurz vor dem London-Marathon 2019 vorgestellt wurde, noch mal eins draufsetzen, deshalb die vielversprechende Produktbezeichnung „Next%“. Dazu mussten die Nike-Entwickler tief in die Trickkiste greifen. Daher erklären wir im Folgenden, was sich alles geändert hat. Wer einfach nur wissen möchte, wie sich der Schuh läuft und für wen er geeignet ist, scrollt am besten gleich zum Ende des Textes.
Hier gibt es den Schuh zu kaufen: Nike Vaporfly Next% (unisex)
Was hat sich bein neuen Nike Vaporfly geändert?
Elliott Heath, globaler Product Line Manager Running, betont zunächst, was sich nicht geändert hat: „Der Motor des Schuhs ist gleichgeblieben“, sagt er – und spielt dabei auf die unveränderten Komponenten der Mittelsohle an, die aus dem so genannten „Zoom-X-Foam“ besteht. Der bietet, so Nike, den von der Konkurrenz unerreichten Wert von 85 Prozent Energierückgewinnung. Zwischen zwei Schichten dieses Schaums ist eine steife Karbonplatte eingelassen: Der Schuh flext nicht wie normale Laufschuhe, sondern die Sohlenkonstruktion mit einer (jetzt noch stärkeren) Krümmung unterstützt den Abrollvorgang: Sobald der Fuß über den Mittelfuß hinaus abgerollt ist wird er wie auf einer abschüssigen Fläche nach vorne gerollt.
15 Prozent mehr Zoom-X-Schaum in der Mittelsohle
Und hier ist gleich die erste, und wohl größte Veränderung spürbar, die die Nike-Schuhdesigner gegenüber dem 2018er-Modell vorgenommen haben: Insgesamt wird 15 Prozent mehr Zoom-X-Schaum in der Mittelsohle eingesetzt. Allerdings ist der Rückfußbereich nur 1 Millimeter dicker geworden, dafür hat der Vorfußbereich um 4 Millimeter in der Höhe zugenommen. Dadurch, so Heath, gibt es beim Fußabdruck noch mehr Rückstellenergie für den Fuß. Außerdem – und das ist beim Laufen durchaus spürbar – steht der Vorfuß höher und noch weicher gedämpft im Schuh. Und gleichzeitig wird die Sprengung niedriger, von zuvor 11 mm auf jetzt 8 mm. Der Unterschied beim Laufen ist direkt spürbar: Der Schuh gibt noch mehr Vorwärtsdrang.
Eine zweite Änderung fällt an der Außensohle auf: Zwar sind Form und Material gleichgeblieben, aber das Muster des Profils wurde abgeändert. „Wir wollen damit eine bessere Haftung in Kurven garantieren“, so Heath. Dazu dient eine von der Ferse bis zum Vorfuß tiefer eingeschnittene Flexkerbe.

Leichtes Vaporweave als Obermaterial
Die dritte Modifikation ist wesentlich auffälliger: Das Obermaterial besteht nicht mehr aus Flyknit, sondern aus dem deutlich leichteren (und fast durchsichtigen) Vaporweave. Dies ist keine Neuentwicklung, sondern wurde zuvor schon beispielsweise bei Spikes für den Bahn-Einsatz verbaut. Das Gewebe ist konstruktionsbedingt in geringem Maße dehnfähig, was gerade für den Marathoneinsatz, wenn der Fuß leicht anschwillt, hilfreich ist. Ein entscheidender Vorteil ergibt sich bei Regen: Das neue Material bindet nicht einmal ein Zehntel der Wassermenge des Flyknit-Materials; hier gab es in der Vergangenheit nach Regenrennen, wie vor zwei Jahren beim Boston-Marathon, Kritik. Auffällig sind auch die nach außen gewanderten Schnürösen: Die Schnürung verläuft nicht mehr auf dem Fußrücken, sondern leicht versetzt nach außen, was der Gewichtersparnis dienen soll. Ebenfalls gewichtsreduziert ist auch die Fersenkonstruktion. Jetzt mit zwei anatomisch platzierten kleinen Polsterungen rechts und links der Achillessehne – eine Konstruktion, die besonders bei Weltrekordmann Eliud Kipchoge Anklang findet. Durch die leichtere Außensohle und das leichtere Obermaterial wurde der Materialzuwachs in der Mittelsohle gewichtsmäßig ausgeglichen – in Mustergröße wiegt der Schuh 195 Gramm.
So läuft sich der Nike ZoomX Vaporfly Next%
Schon bei den ersten Schritten spürt man, dass die Mittelsohle sehr weich ist. Doch man sinkt nicht einfach ein. "So eine Rückstellkraft habe ich bislang noch bei keinem anderen Schuh gespürt", sagt ein Tester, der bereits seit mehr als 20 Jahren alle möglichen Laufschuhe getestet hat. Es fühlt sich an, als würde man auf kleinen Trampolinen stehen, die einem Energie zurückgeben. In Kombination mit der durch die Karbonplatte hohen Steifigkeit sorgt das beim Laufen für spürbaren Vortrieb.

Empfanden einige Tester den 4% noch eher als schwammig, ist das beim Next% nicht der Fall. Gerade in Kurven läuft sich der Schuh deutlich stabiler und vertrauenswürdiger. Das liegt einerseits am Aufbau der Sohle, die auch im vorderen Bereich breiter ausfällt, und anderseits an dem neuen Obermaterial, welches den Fuß in Kombination mit der gelungenen Schnürung fester umschließt. Das macht den Schuh für eine breitere Klientel nutzbar, wobei immer noch gilt: Der Vaporfly erfordert einen aktiven Laufstil. Wer sehr stark über die Ferse läuft, ist mit anderen Schuhen besser beraten. Am besten funktioniert der Schuh, wenn man eher über den Mittel- oder Vorfuß läuft.
Macht der Schuh wirklich schneller? Verschiedene Untersuchungen lassen darauf schließen. Dabei wurde meist die Laufökonomie , also die Sauerstoffaufnahme bei verschiedenen Tempi untersucht, während Probanden entweder den Next% oder einen anderen Schuh trugen. In der Regel zeigte sich, dass die Läufer im Next% tatsächlich weniger Sauerstoff benötigten, um ein bestimmtes Tempo zu laufen. Je nach Proband und Geschwindigkeit fiel der Unterschied deutlich oder weniger deutlich aus. Kurz: Der Schuh kann viel bringen. Wichtig ist, dass er zum individuellen Laufstil und Tempobereich passt. Das muss jeder für sich selbst testen. Was für alle gilt: Die bei reinrassigen Wettkampfschuhen nach wie vor ungewohnte Kombination aus Komfort und Dynamik bringt gerade im Marathon einen entscheidenden Vorteil, weil sie die Ermüdung der Muskulatur reduziert. Doch auch bei kürzeren Straßenrennen von 5 Kilometern bis zum Halbmarathon ist der Nike ZoomX Vaporfly Next% unserer Meinung nach eine gute Wahl.
275 Euro – für 250 Kilometer im Renneinsatz
Günstig ist der Nike ZoomX Vaporfly Next% nicht. Wer ihn haben möchte, muss 275 Euro (Stand: August 2019) zahlen. Interessanter dürften für viele Läufer ohnehin die „Take-Downs“ sein, also die technischen Features, die auch in andere Nike-Laufschuhen eingebaut werden. So gibt es für mehr als 100 Euro weniger den ähnlich konsturierten Nike Zoom Fly 3, der jedoch schwerer und weniger Rückstellkraft liefert.