Die Laufschuhe stehen im Flur und rufen, doch die Prioritäten haben sich verschoben. Viele frischgebackene Mütter, die stillen, sind verunsichert: Ist Joggen jetzt tabu? Ist die sportliche Aktivität gefährlich? Und wann ist der Körper nach der Geburt überhaupt bereit für die Belastung? Wir klären, was Experten zu Bewegung und Milchproduktion sagen, wann du starten kannst und warum der Sport-BH jetzt dein wichtigster Begleiter ist.
Ist Joggen in der Stillzeit möglich? Das sagt die Wissenschaft
Ein klares Ja – die Wissenschaft gibt stillenden Läuferinnen weitgehend grünes Licht. Entscheidend ist dabei nicht das Stillen selbst, sondern der körperliche Zustand der Mutter. Du solltest erst wieder joggen, wenn Rückbildung und Beckenboden wieder stabil sind und eine Ärztin oder Hebamme grünes Licht gegeben hat. Übrigens: Bei einem Kaiserschnitt dauert der Laufeinstieg normalerweise ein paar Wochen länger als bei einer natürlichen Geburt.
Für Hebamme Birgit Krey hat Bewegung während der Stillzeit vor allem einen großen mentalen Vorteil. „Es ist einfach mal eine kleine Auszeit, raus an die frische Luft, kurz weg vom Mama-Alltag und den Kopf frei kriegen.“ Krey empfiehlt, beim Laufen auch einfach mal nichts auf den Ohren zu haben, um das Nervensystem wirklich herunterfahren zu lassen. Und das Wichtigste: „Hauptsache man macht für sich und seinen Körper was und profitiert dann von der Endorphinausschüttung.“
Hat Bewegung Einfluss auf die Milchmenge oder den Geschmack?
Eine der größten Sorgen stillender Mütter ist, dass sportliche Aktivität die Milchmenge reduziert oder die Milch „sauer“ und für das Baby ungenießbar macht.
1. Mythos: Sport reduziert die Milchmenge
Die Sorge, dass durch das Joggen die Milchproduktion zurückgeht, ist weit verbreitet, aber wissenschaftlich nicht haltbar. Eine Studie mit 31 stillenden Müttern zeigt: Moderate bis intensive körperliche Aktivität beeinflusst weder die Menge noch die Zusammensetzung der Muttermilch. Fett-, Eiweiß- und Kohlenhydratgehalt änderten sich nach dem Training nicht.
Wenn dein Körper jedoch ohnehin schon stark beansprucht ist – etwa durch wenig Schlaf oder eine generelle Erschöpfung in der Stillzeit – kann intensives Training zusätzlichen Stress erzeugen. Birgit Krey erklärt: „Wird der Körper überlastet, können Ressourcen fehlen, die eigentlich für die Milchbildung benötigt werden. Dann kann es passieren, dass die Milchmenge nicht plötzlich, aber schleichend zurückgeht.“ Wenn Laufen sich gut anfühlt, Energie gibt und dich mental stärkt, dann ist es ideal. Wenn es sich hingegen nach „ich muss jetzt wieder funktionieren“ anfühlt oder du dich danach ausgelaugt fühlst, ist das ein Zeichen, dass es zu viel ist. Laut Krey können Frauen daran erkennen, dass die Milchmenge nachlässt, wenn das Baby unruhiger wird und häufiger an die Brust möchte als sonst.
2. Mythos: „Saure Milch“ durch Milchsäure (Laktat)
Das hartnäckigste Gerücht besagt, dass sich durch die Anstrengung beim Laufen Milchsäure (Laktat) in der Muttermilch anreichert und diese sauer schmecken lässt. Die Wissenschaft ist hier sehr differenziert. Es ist korrekt, dass Laktat, ein Stoffwechselprodukt, in die Muttermilch übergehen kann. Dies geschieht jedoch nur bei maximaler, anaerober Belastung. Normales, moderates Joggen im aeroben Bereich führt zu keiner relevanten Veränderung des Laktatspiegels in der Milch. Und selbst wenn der Laktatwert nach einem harten Intervalltraining kurzzeitig erhöht sein sollte, ist dies für das Baby nicht schädlich.
Tipps fürs Joggen in der Stillzeit
Der Wiedereinstieg ist geschafft, die Freigabe von deiner Ärztin ist da – worauf kommt es jetzt beim Wiedereinstieg an? Mit der richtigen Vorbereitung kannst du Sport und Stillen problemlos vereinbaren. Die wichtigsten Tipps auf einen Blick:
Das richtige Timing
Der beste Zeitpunkt für deine Laufrunde ist direkt nach dem Stillen oder dem Abpumpen. Die Brust ist dann „leerer“ und deutlich leichter. Das reduziert das Spannungsgefühl, macht den Lauf komfortabler und schont dein empfindliches Brustgewebe.
Der richtige Sport-BH
Investiere in einen neuen, perfekt sitzenden High-Support Sport-BH. Deine Brust ist in der Stillzeit oft größer und schwerer als normal. Ein alter oder nicht stützender BH kann zu Schmerzen und einer Überlastung des Bindegewebes führen.
Hydration
Die Milchproduktion erfordert bereits eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr. Das Laufen treibt deinen Bedarf zusätzlich in die Höhe. Trinke vor und vor allem nach dem Lauf ausreichend Wasser oder Schorlen, um die Milchmenge stabil zu halten. Als Faustregel gilt: Mindestens ein zusätzliches großes Glas Wasser für die Sporteinheit.
Darauf kommt es bei der Flüssigkeitszufuhr für Läuferinnen an
Kalorienbedarf decken
Stillen verbrennt bereits zusätzlich ca. 500 Kalorien pro Tag. Das Laufen kommt obendrauf. Achte auf eine nährstoffreiche Ernährung und vermeide ein starkes Kaloriendefizit, da dein Körper sonst eventuell die Milchproduktion drosseln könnte, um Energie zu sparen.
Hygiene nach dem Lauf
Babys reagieren manchmal empfindlich auf den salzigen Geschmack von Schweiß auf der Haut. Falls dein Kind nach dem Lauf die Brust verweigert, wasche deine Brust vor dem nächsten Stillen kurz mit klarem Wasser ab.
Die richtige Strecke
Gerade in der Stillzeit sind Muskulatur und Bänder durch die hormonelle Situation noch instabiler als sonst. Hebamme Birgit Krey warnt deshalb davor, direkt wieder in unebenem oder rutschigem Gelände zu laufen. „Man sollte sich erst langsam herantasten, da der Körper noch nicht sofort wieder 'wie vorher' ist.“ Beginne auf sicheren Strecken wie Asphalt, ebenen Waldwegen oder einer Laufbahn und steigere erst später den Anspruch des Untergrunds. So vermeidest du unnötige Belastungen für Sprunggelenk und Bänder.
Wann kann ich in der Stillzeit mit dem Joggen starten?
Die wichtigste Antwort gleich vorweg: Die Stillzeit selbst gibt nicht das Timing vor, sondern der Heilungsprozess deines Körpers nach der Geburt. Die Lauf-Pause wird nicht durch die Milchproduktion bestimmt, sondern durch den Stand deiner Rückbildung.
Joggen ist ein „High-Impact“-Sport. Bei jedem Laufschritt lastet etwa das Anderthalb- bis Dreifache deines Körpergewichts auf dem Beckenboden. Diese Muskulatur wurde durch die Schwangerschaft und die Geburt extrem gedehnt und geschwächt. Startest du zu früh, also bevor der Beckenboden und die tiefe Rumpfmuskulatur wieder stabil sind, riskierst du ernsthafte und oft irreversible Langzeitschäden. Dazu gehören Belastungsinkontinenz (Urinverlust beim Niesen, Hüpfen oder Laufen) oder im schlimmsten Fall eine Senkung der Gebärmutter oder Blase.
Grob kann gesagt werden, dass man ungefähr sechs bis acht Wochen nach der Geburt mit Rückbildungsgymnastik starten kann. Nach Rücksprache mit deiner Hebamme oder Ärztin wird dabei die Rumpfmuskulatur gezielt wieder aufgebaut.
Für einen Wiedereinstieg ins Laufen ist es dann noch zu früh. Drei Monate sollte man mindestens warten, um mit richtigem Joggen zu beginnen. Ganz wichtig ist dabei, dass du auf deinen Körper und das individuelle Körperempfinden hörst. Wenn du Schmerzen oder eine Unsicherheit spürst, ist das ein Zeichen, lieber noch eine Pause einzulegen. Ein zu früher Start kann viele Risiken mit sich bringen. Deshalb gilt: Lieber etwas länger warten, als den Körper zu früh zu stark zu fordern, denn das wäre gefährlich für die Heilung und Stabilität deines Beckenbodens.
Risiken und Warnsignale: Wann du lieber noch pausieren solltest
Das größte Risiko beim Wiedereinstieg ist nicht das Stillen, sondern ein noch instabiler Beckenboden und eine schwache Rumpfmuskulatur. Höre sofort mit dem Laufen auf und pausiere, wenn du eines dieser Anzeichen bemerkst:
Jeglicher Urinverlust
Das ist das absolut wichtigste Warnsignal. Wenn beim Laufen, aber auch beim Husten, Niesen oder Hüpfen Urin abgeht (und sei es nur ein Tröpfchen), ist dein Beckenboden dieser Belastung nicht gewachsen. Das ist nicht „normal“ und muss ernst genommen werden.
Schmerzen beim oder nach dem Lauf
Schmerzen sind immer ein Stoppsignal. Das gilt besonders für den Beckenbereich, das Schambein (Symphyse), den unteren Rücken (Kreuzbein) oder die Hüfte. Auch eine schmerzende, ziehende oder taube Kaiserschnittnarbe zeigt eine Überlastung an.
Instabilität im Rumpf
Wenn du merkst, dass du die Bauchspannung nicht halten kannst, der Bauch sich beim Laufen nach außen wölbt (Rektusdiastase) oder du nach deinen Läufen starke Rückenschmerzen bekommst, ist deine Tiefenmuskulatur noch zu schwach für die Stöße.
Wiederkehrender Milchstau (Mastitis)
Ein extrem enger, schlecht sitzender Sport-BH kann die Milchkanäle abdrücken und einen Milchstau begünstigen. Wenn dies nach dem Laufen häufiger auftritt, überprüfe den Sitz deines BHs und pausiere bei Anzeichen einer Brustentzündung sofort mit dem Sport.
Druck- oder Schweregefühl im Becken
Wenn du beim Laufen oder danach ein Gefühl von Druck nach unten, ein Schweregefühl oder ein „Fremdkörpergefühl“ verspürst, kann dies auf eine beginnende Senkung der Organe (Blase oder Gebärmutter) hindeuten. Dies muss ärztlich abgeklärt werden.
FAQ: Häufige Fragen zum Joggen in der Stillzeit
Ja, absolut. Das Ziel ist, mit einer möglichst „leeren“ und damit leichteren Brust zu laufen. Das reduziert das Spannungsgefühl, die Reibung und die Stoßbelastung auf das empfindliche Gewebe. Ob die Brust durch das Stillen deines Babys oder durch eine Pumpe geleert wird, ist für deinen Laufkomfort unerheblich. Wenn dein Baby also gerade schläft oder dein Zeitplan es erfordert, ist das Abpumpen vor dem Lauf eine perfekte Alternative, um den Lauf für dich komfortabler zu gestalten.
Unbedingt. Das ist der wichtigste Schritt vor dem Wiedereinstieg. Dieser ärztliche Rat (meist von deiner Gynäkologin, deinem Gynäkologen oder deiner Hebamme) bezieht sich aber weniger auf das Stillen selbst als auf den Heilungszustand deines Körpers. Joggen ist ein „High-Impact“-Sport. Dein Arzt muss den Zustand deines Beckenbodens, die Heilung (z. B. einer Kaiserschnittnarbe) und die Stabilität deines Rumpfes (Rektusdiastase) beurteilen. Ohne dieses „grüne Licht“ könnte es gefährlich werden und sogar zu Langzeitschäden kommen.
Ja, die Chancen dafür stehen sehr gut. Der Schlafmangel bei stillenden Müttern kommt meist von den nächtlichen Unterbrechungen. Moderates Joggen kann jedoch die Qualität des Schlafs, den du bekommst, verbessern. Bewegung und Sport an der frischen Luft hilft, Stresshormone abzubauen, was das Einschlafen erleichtern und die Tiefschlafphasen verlängern kann. Wichtig ist jedoch die Balance: Ein extrem harter, auslaugender Lauf kann deinen übermüdeten Körper zusätzlich stressen. Vermeide es außerdem, zu spät am Abend zu laufen, da dies den Kreislauf stark aktiviert und das Einschlafen erschweren kann.





