Die POSE-Methode: Laufen mit der Schwerkraft

Die POSE-Methode: Training nach Dr. Romanov
Die Schwerkraft als wichtigste Laufpartnerin

Veröffentlicht am 01.03.2024
Laufen nach der POSE-Methode
Foto: iStockphoto

Die POSE-Methode wurde von dem Sportwissenschaftler Dr. Nicholas Romanov in den 70er-Jahren entwickelt. Der gebürtige Russe, der seit Langem in Amerika lebt, war zweimal Olympia-Coach (Triathlon) und ist bis heute ein gefragter Sportwissenschaftler und Trainer.

Was ist die POSE-Methode?

Diese Methode geht davon aus, dass Laufen eine technische Sportart ist (wie Schwimmen oder Skifahren) und die entsprechende Lauftechnik die Basis beim Laufen bildet. Das englische Verb „to pose“ darf man dabei wörtlich nehmen, denn die Lauftechnik nach Romanov setzt auf eine „Grundhaltung“, die man während des Laufens haben sollte. Romanovs Lauftechnik stellt die Schwerkraft in den Mittelpunkt der Kräfte, die bei Bewegungen zusammenspielen. Es geht darum, die Schwerkraft für den eigenen Laufstil zu nutzen und nicht gegen sie zu arbeiten. Weitere wichtige Faktoren nach Romanov sind der Fallwinkel, die Schrittfrequenz mit den kleineren, vielen Schritten sowie das Aufsetzen des Fußes mit dem Fußballen zuerst (Vorfußlaufen).

Wie funktioniert die POSE-Technik?

Das Prinzip der Methode: Als besonders wichtig gilt eine stabile Körperhaltung. Zudem betont sie den richtigen Fallwinkel und die Schwerkraft als natürliche Fallbewegung, die zum nächsten Schritt führt. Auch der Körperschwerpunkt spielt eine wichtige Rolle, der Fußballen wird unter ihm aufgesetzt. Dabei hat der Fuß nur kurz Bodenkontakt, die Schrittfrequenz ist hoch (bis zu 180 Schritte pro Minute, also drei pro Sekunde), die Schrittlänge entsprechend kurz.

Eine weitere Eigenheit dieser Methode ist die Schuhwahl: Nicht stark gedämpfte Laufschuhe werden von POSE-Coaches empfohlen, sondern die Laufschuhe sollten laut POSE-Vertretern schmal geschnitten sein und flach aufliegen, somit wenig Sprengung aufweisen. Mithilfe von Technikübungen und Videoanalyse (zum Vorher- und Nachher-Laufstil) vermitteln zertifizierte Coaches im Personal Coaching oder in Seminaren Bewegungsabläufe nach der Grundthese von Romanov: sich die Schwerkraft zur Freundin machen, um besser zu laufen. Dabei gibt es drei Grundpositionen:

  1. „pose“: die Sprungphase
  2. „fall“: die Phase des Fallens (nach Romanov in Zusammenarbeit mit der Schwerkraft)
  3. „pull“: das Aufsetzen des Fußes auf dem Vorfuß (Ballen)

Für wen eignet sich die POSE-Methode?

Generell kann jede Läuferin und jeder Läufer die Methode austesten. Sie wird in der Regel von zertifizierten POSE-Coaches im Stil von Romanov gelehrt. Da sie sehr auf den Laufstil abzielt, wird beim Training viel mit Videotechnik – Videoanalyse und Laufstilanalyse – gearbeitet. Es dauert eine Weile, bis man diese Technik beherrschen kann. Zudem ist auch anschließend ein regelmäßiges Training vonnöten, um sie zu verinnerlichen. Natürlich sagen Befürworter und Fürsprecherinnen, sie sei ideal für jeden und betonen die Vorteile. Allerdings gibt es auch etliche Kritiker und wie immer: viele, die sich zwischen den beiden Polen befinden. Wir möchten hier nur beschreiben, denn wir wissen: Die Welt des Laufens ist so bunt wie unser Planet Erde. Das soll auch so bleiben. Für jeden gibt es das richtige Fleckchen Erde zu entdecken, wo er/sie am liebsten läuft.

Welche Vorteile hat die POSE-Methode?

Als entscheidenden Vorteil wird von Dr. Romanov selbst vor allem die geringere Belastung des Kniegelenks bei niedrigerem Muskel-Aufwand genannt. Dazu gibt es auch einige Studien (Quelle siehe unten), die eine bis zu 50 Prozent geringere Belastung für die Kniegelenke belegen sollen. Deshalb wird die Methode auch manchmal Läuferinnen und Läufern, die häufig unter Verletzungen leiden, angeraten. Die Forschungen sind allerdings nicht besonders groß über Jahre hinweg angelegt (keine Langzeitstudien), weshalb wir empfehlen, dass Sie sich selbst ein Bild davon machen und gegebenenfalls nachlesen.

Durch den korrekten Fallwinkel (Stichwort Schwerkraft) kombiniert mit der kürzeren Schrittlänge soll laut Vertretern dieser Technik der Bewegungsablauf leichter und effizienter werden und sie berichten, dass sie dadurch auch höhere Geschwindigkeiten laufen können. Vor allem im Triathlon machte die Methode auf sich aufmerksam, aber auch viele Läuferinnen und Läufer sind von ihr angetan.

Welche Nachteile hat die POSE-Technik?

Die Biomechanik spielt in der Sportwissenschaft – gerade im Hochleistungssport – eine zunehmende Rolle. Sie baut auf verschiedenen Wissenschaften auf: von Anatomie und Biologie, über Physik, Mathematik, Chemie, Physiologie bis hin zu Neurophysiologie. Auch in der Sportwissenschaft spielt sie eine große Rolle. Untersucht wird mit dieser interdisziplinären Methode eine ganze Bandbreite von Bewegungen, wie zum Beispiel im Kleinen das Zustandekommen der Muskelkontraktion. Größer angelegte Methoden erforschen den menschlichen Gang, bis zu komplexen Bewegungsabläufen im Leistungssport. Auch Romanovs POSE-Methode streift dieses Gebiet, weil sie sich auf die Schwerkraft stützt. Da bei Vorwärtsbewegungen wie beim Laufen etliche Kräfte eine Rolle spielen, bleibt die Frage offen, ob man sich ausschließlich auf die Schwerkraft konzentrieren kann. Vor allem beim sehr schnellen Laufen der Profis spielen unglaublich viele Elemente zusammen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass eine ökonomische Lauftechnik eine Möglichkeit ist, die Laufleistung zu verbessern. Es gibt aber noch weitere Parameter, mit denen die Laufleistung perfektioniert werden kann:

Als weiteren Kritikpunkt sehen einige an, dass man diese Technik in der Regel nicht im Verein oder in öffentlichen Laufclubs erlernen kann, denn auch die entsprechenden Trainerinnen und Trainer werden für Geld ausgebildet. Das Ganze hat somit auch einen kommerziellen Hintergrund: Läufer und Läuferinnen, die diese Methode lernen möchten, kommen nicht umhin, einen finanziellen Aufwand in Kauf zu nehmen.

Da Laufstile so individuell sind wie die Laufenden selbst, stellen Sie ruhig infrage, ob ein „Umlernen“ des Laufstils das einzige Mittel zum Erfolg sein kann. Genauso wie Vorgaben zur perfekten Atmung beim Laufen aus Lehrbüchern in der Praxis schwer umsetzbar sind, sind viele Laufbegeisterte der Auffassung, dass ihr Sport im Vergleich zu Skifahren oder Schwimmen eben kein technischer, sondern ein natürlicher Vorgang ist – uns sozusagen in die Wiege gelegt wurde. Es gibt auch Thesen, die davon ausgehen, dass sich der Laufstil nach ein paar Jahren Lauferfahrung – kombiniert mit Lauf-ABC-Übungen – automatisch optimiert. In Laufvereinen lässt sich das auch tatsächlich beobachten: Etliche Läuferinnen und Läufer steigern durch den Vereinseintritt ihre Laufumfänge und nach ein paar Jahren Training entwickeln sie einen für ihre Körpermaße guten, ökonomischen Laufstil.

Ist die POSE-Methode wirklich für Anfänger geeignet?

Alle Vertreterinnen und Vertreter des Vorfußlaufens mit einem Normalfuß, die mit wenig Gewicht und einer hohen Schrittfrequenz über den Asphalt schweben, können sich vermutlich leicht mit dieser Technik anfreunden. Wer aber orthopädische Probleme hat oder eine Fußdeformation aufweist (Hohl-, Knick-, Platt- und Senkfuß oder Hallux Valgus), wird von seinem behandelnden Orthopäden und auch von Fachleuten im Laufladen – in der Regel nach einer Laufbandanalyse – einen stabilen Laufschuh angeraten bekommen.

Wussten Sie, dass die meisten Menschen in den zivilisierten Ländern, wo statt Barfußlaufen eigentlich ständig Schuhe getragen werden, leichte Fußfehlstellungen aufweisen? Auch da setzt die POSE-Methode an, denn ihre Vertreter behaupten, dass daran zum Teil diese stark gedämpften oder andere bequeme (Lauf-)Schuhe schuld sein könnten, weil sie unsere Füße verschonen, statt diese zu trainieren. Da ist auch sicher etwas Wahres dran. Vermutlich gibt es auch noch etliche weitere Gründe, warum dem so ist: das viele Sitzen im Alltag, Erbmasse, Krankheiten usw. Wer also ab und zu im Alltag seine Schuhe auszieht und barfuß zu Hause oder (falls möglich) im Büro geht, tut seinen Füßen Gutes. Genauso ist das Barfußlaufen in Maßen, wenn man dabei ein paar Regeln beachtet, eine sehr gute Übung für unsere Füße.

Doch Läuferinnen und Läufer mit leichtem bis starkem Übergewicht werden auf von dieser Methode empfohlenen Sohlen voraussichtlich nicht glücklich werden. Für sie ist ein Einstieg über Walking oder Nordic Walking (wo die Ferse naturgemäß zuerst auf dem Boden aufsetzt) gesünder. Vielleicht werden genau diese Läufer nach ein paar Jahren Lauftraining zu Vorfußläufern, vielleicht auch nicht. Vielleicht bekommen einige Fersenläufer Knieprobleme, weil sie mit der Ferse zuerst aufsetzen. Vielleicht aber auch nicht …?

Der Laufstil ist eben auch nicht alles

Wer mit Verletzungen kämpft, kann die POSE-Technik austesten; das könnte helfen. Halten Sie sich aber vor Augen, dass nicht immer der Laufstil an Verletzungen schuld sein muss und Rückschlüsse vom Laufstil auf die Verletzung nicht vorschnell getroffenen werden sollten. Die genetische Veranlagung, eine falsche Ernährung oder das falsche Training (Übertraining), Krankheiten, mangelndes Dehnen und Krafttraining, die falschen Laufschuhe – aber auch zu langes Barfußlaufen am Strand (nur um einige zu nennen) können Einfluss auf die Verletzungsanfälligkeit haben. Nicht jede Laufverletzung ist auf die falsche Lauftechnik oder den falschen Laufschuh zurückzuführen. Auch die Biomechanik kann hier nur Vermutungen über Zusammenhänge anstellen.

Fazit: Der Laufstil ist wichtig, aber nicht alles ist von ihm abhängig

  • Die POSE-Methode geht davon aus, dass Laufen eine technische Sportart ist und der richtige Laufstil erlernt werden muss.
  • Die Methode setzt auf die Schwerkraft.
  • Es gibt Befürworter, die auf diese Methode schwören und damit Erfolge erzielen, es gibt aber auch kritische Stimmen (und wie immer: vieles dazwischen).

Weiterführende Information: Auf Dr. Romanovs Webseite posetech.com können Interessierte sich weiter über die POSE-Methode informieren. Hier findet sich auch eine Sammlung von Forschungen/Studien zu dieser Thematik.