Natriumbedarf im Sport
Wasser allein reicht nicht!

Zu viel Salz ist schlecht für die Gesundheit, zu wenig ist schlecht fürs Laufen. Wie viel Natrium brauchen wir wirklich?
Wasser allein reicht nicht!
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Nach einem langen, anstrengenden Lauf bei warmem Wetter zeigt uns der Körper über das Durstgefühl, dass jetzt Rehydrieren angesagt ist: Der Flüssigkeitsmangel durch das Schwitzen muss ausgeglichen werden. Wenn man sich dann aber aus dem Laufshirt pellt, fällt noch etwas auf: Salzrückstände, die sich in weißen Linien auf Hemd und Hose abzeichnen. Diese verraten sehr anschaulich, dass der Körper mit dem Schweiß noch etwas anderes verloren hat: nämlich allerlei Mineralien, vor allem aber Natrium, das wir über die Ernährung in Form von Kochsalz (Natriumchlorid) täglich aufnehmen. Und so verspürt manch einer nach dem Lauf sogleich Heißhunger auf Salzbrezeln oder gesalzene Erdnüsse, die das Defizit wohl schnell ausgleichen könnten. Oder wäre das doch nicht das Richtige?

Wofür ist Salz wichtig?

Die Meinungen über Salz in der Ernährung und das richtige Maß gehen weit auseinander. Zu viel davon gilt allgemein als Auslöser von Bluthochdruck. Die Experten sind sich einig, dass die meisten Menschen zu viel Salz konsumieren und damit ihrer Gesundheit schaden. Und selbst gesundheitsbewusste Läufer, die beliebte Salzbomben wie Snacks und Fast Food strikt meiden, nehmen für gewöhnlich aus anderen Quellen ausreichend Salz zu sich.

Die empfohlene Tagesmenge für Natriumchlorid (NaCl) beläuft sich gerade einmal auf 2300 Milligramm. Wer etwas Müsli zum Frühstück, ein Hühnchen-Sandwich am Mittag und vielleicht noch eine Handvoll Salzbrezeln am Nachmittag isst, kommt bereits auf 1600 Milligramm – und das noch vor dem Abendessen.

Andererseits schwitzt man bei intensiver Trainingsbelastung oder an warmen Tagen schnell einmal bis zu 3000 Milligramm NaCl in einer einzigen Stunde aus. Eine Verlustrate, die problematisch sein kann, da Salz eine essenzielle Rolle für die Hydrierung spielt, wie Dr. Bob Seebohar, Leiter des Instituts für Sporternährung an der University of Florida weiß:

„Natrium reguliert das Flüssigkeitsniveau im Körper. Hohe Salzverluste werden mit einer Reihe von Problemen beim Laufen in Zusammenhang gebracht. Diese reichen von vergleichsweise harmlosen Krämpfen bis zur Hyponatriämie." (Die Hyponatriämie ist eine Wasservergiftung, die durch zu viel Trinken, vor allem von reinem Wasser, verursacht wird. Hierdurch werden Mineralien herausgeschwemmt und das Gehirn quillt buchstäblich auf, was sogar tödlich verlaufen kann.)

Die richtige Dosis Salz

Die Antwort auf die Frage wie viel Salz für Läufer die optimale, gesunde Menge ist, hängt von einer Vielzahl Faktoren ab – vom Wetter bis zur Physiologie des Läufers. Die individuelle Schwitzrate ist bei jedem Läufer anders. „Ein stark schwitzender Athlet mit hoher Salzkonzentration kann bei einem 5-Kilometer-Lauf ohne Weiteres 1300 Milligramm Natrium verlieren, während es bei einem schweißarmen Läufer vielleicht nur 155 Milligramm sind“, erläutert Forschungsdirektor Kris Osterberg vom Gatorade Sports Science Institute. Das Forschungszentrum in Barrington, Illinois, ist eines der ganz wenigen Labors auf der Welt, die derartige Salzverluste quantitativ und qualitativ bestimmen. Zahlreiche Spitzensportler suchen das Labor auf, um anhand eines Salztests zu erfahren, wie viel Natrium sie exakt supplementieren müssen.

„Für Breitensportler wie unsereins genügt es jedoch völlig, einen genauen Blick auf die eigene Haut zu werfen“, ergänzt Osterberg. „Wer nach dem Training mit dem Finger Figuren in den weißen Salzrückstand auf dem Oberarm zeichnen kann, sollte einen gesalzenen Snack essen oder ein Sportgetränk mit rund 200 Milligramm Natrium pro Viertelliter trinken. Der Körper ist danach besser in der Lage, sein Flüssigkeitsniveau optimal einzuregeln.“

Brauchen Läufer unterwegs Nachschub?

Normalerweise braucht man als Läufer also nicht nach jedem Lauf Salz nachzufüllen – und schon gar nicht während des Laufs. Für eine Reihe von Läufern, darunter vor allem diejenigen, die sich im hinteren Feld eines Marathons wiederfinden, Ultradistanzen oder einen Triathlon absolvieren, ist es jedoch ratsam, die Natriumzufuhr nicht erst bis nach dem Zieleinlauf aufzuschieben.

„Jeder, der fünf Stunden oder länger unterwegs ist, sollte insbesondere bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit schon ab der Hälfte der Strecke Natrium supplementieren“, sagt Dr. Seebohar. Das Tückische ist nämlich: „Wenn der Natrium-Level sinkt, lässt auch der Durst nach.“

Sollten die Organisatoren eines Marathons an den Verpflegungsstationen kein Getränk anbieten, das die erforderlichen 200 Milligramm Natrium pro Portion beiträgt, rät der Sporternährungsexperte langsameren Läufern, einfach ein paar Salztabletten mit sich zu führen. „Um sich vor der Gefahr von zu viel Flüssigkeitsaufnahme zu schützen, sollten betroffene Läufer bereits im Vorfeld ihre Schweißabsonderungsrate genau ermitteln und dementsprechend unterwegs hydrieren“, warnt Seebohar.

Natrium schützt auch vor Krämpfen

Auch für die Impulsübertragung der Nervenzellen ist Natrium von Bedeutung. Natriummangel ist somit eine mögliche Ursache von Krämpfen, weshalb ein salziger Snack bereits vor dem Start oder aber die Salzzufuhr unterwegs vorbeugend gegen Krämpfe wirken können. Ist es also doch kein Problem, ab und an zu den Salzbrezeln zu greifen? „Für Läufer ist es wichtig, auf die innere Stimme des Körpers zu hören. Wenn Sie so richtig Appetit auf einen salzigen Snack bekommen, dann ist das ein Signal Ihres Körpers, dass er Salz benötigt”, sagt Seebohar.

„Mit Ausnahme bestehender Hypertensionsleiden (Bluthochdruck) oder aber einer vererbten Disposition für Bluthochdruck ist für Läufer die Natriumzufuhr kein Anlass zu irgendwelcher Sorge“, resümiert Dr. Seebohar. Lassen Sie sich also beruhigt alles Salzige schmecken, worauf Sie gerade Appetit haben und das möglichst auch noch gesundheitsfördernde Nebeneffekte besitzt (z. B. Salate mit Olivenöldressing und Nüssen). Sie machen damit nicht nur Ihren Geschmacksnerven eine Freude, sondern versorgen sich nebenbei noch mit nützlichen Nährstoffen. Allenfalls beim Bier – auch einem guten Mineral- und Vitaminspender – sollten Sie sich ein wenig zurückhalten.

So ermitteln Sie Ihre individuelle Schwitzrate

1) Wiegen Sie sich nackt vor dem Laufen.

2) Laufen Sie eine Stunde lang in Ihrer Wettkampfgeschwindigkeit und notieren Sie in Milliliter, wie viel Sie währenddessen trinken.

3) Nach dem Lauf ziehen Sie sich wieder aus, trocknen den Schweiß ab und wiegen sich noch einmal.

4) Ziehen Sie Ihr Gewicht nach dem Lauf von Ihrem Gewicht vor dem Lauf ab und rechnen Sie das Ergebnis in Milliliter um. Nun addieren Sie die Trinkmenge zu Ihrem Ergebnis (z.B.: Wenn Sie 500 g verloren haben und 500 ml getrunken haben, beträgt Ihr Flüssigkeitsverlust insgesamt 1.000 Milliliter, also ein Liter).

5) Um herauszufinden, wie viel Sie pro Viertelstunde trinken sollten, teilen Sie dieses Ergebnis einfach durch vier (im genannten Beispiel wären das 250 ml).

6) Weil Kondition und Schweißverlust von der Tagesform abhängen, wiederholen Sie den Test wenn sich Bedingungen wie Jahreszeit oder Tagesform ändern.

Trinkempfehlung

Wiegen Sie sich vor und nach dem Lauf. Danach trinken Sie so viele Milliliter Flüssigkeit, wie sie in Gramm an Gewicht verloren haben. Oder Sie trinken einfach, bis der Durst gelöscht ist.

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04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023

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