Adidas Adizero Prime X 2 im Test

„Illegaler“ Carbonschuh
Adidas Adizero Prime X 2 im Test

Veröffentlicht am 19.09.2023
Adidas Adizero Prime X 2
Foto: RUNNER’S WORLD

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An den Füßen von Profis wird man den Adidas Adizero Prime X 2 Strung wohl nur selten sehen – und ganz sicher nicht in Rennen. Denn der Schuh ist verboten. Zumindest entspricht er nicht den offiziellen Regularien des Welt-Leichtathletikverbandes (World Athletics). Wenn jemand in diesem Schuh ein Rennen finisht und dabei einen Rekord oder eine Bestzeit aufstellt, zählt es nicht. Warum? Weil die Mittelsohle dicker ist, als es die Regularien erlauben. World Athletics lässt maximal 40 Millimeter hohe Modelle mit einer versteifenden Konstruktion zu – die Mittelsohle des Prime X 2 ist 10 Millimeter dicker und verfügt über zwei Carbonplatten.

Wieso gibt es diesen Schuh dann? Weil Adidas davon überzeugt ist, dass es genug Leute gibt, die den illegalen Carbonschuh im Training und wohl auch im Rennen laufen möchten. Die Frage, ob eine Leistung, selbst wenn es nicht um nationale Rekorde, sondern individuelle Bestzeiten geht, mit einem nicht erlaubten Schuh zählt oder nicht, muss jeder mit dem eigenen Gewissen vereinbaren. Mich interessiert vielmehr die Frage: Ist der Schuh wirklich verboten schnell?

Dickere Sohle mit zwei Carbonplatten

Bevor wir zum Laufeindruck kommen, schauen wir uns die Besonderheit des Schuhs etwas genauer an: die Mittelsohle. Diese wurde im Vergleich zum Vorgänger komplett überarbeitet. Die Mittelsohle baut nun unter der Ferse 50 Millimeter hoch auf und ist somit 0,5 Millimeter dicker geworden. Unter dem Vorfuß sollen es nun 43,5 Millimeter Material sein. Die Sprengung, also der Höhenunterschied von der Ferse zum Vorfuß, ist somit um 2 Millimeter auf 6,5 Millimeter gesunken. Die Mittelsohle besteht immer noch aus „Lightstrike Pro“, wie Adidas ihren leichten und reaktiven Mittelsohlenschaum nennt, ist aber nun in drei Schichten und zwei Dichten aufgebaut.

Neu ist auch, dass Adidas statt auf fünf Carbonstäbe („Energy Rods“), wie es auch beim legalen Adizero Pro der Fall ist, nun auf zwei Carbonplatten setzt. Diese liegen inmitten der dreilagigen Mittelsohle und sind durch eine Aussparung von unten gut sichtbar. Wer den Schuh versucht, mit der Hand zu verbiegen, wird spüren, dass er nicht nachgibt. Der Schuh ist komplett steif.

Adidas Adizero Prime X 2
RUNNER’S WORLD

Was auffällt: Die Mittelsohle des Adidas Adizero Prime X 2 ist über die gesamte Länge einen halben bis zwei Zentimeter breiter und entsprechend voluminöser geworden, was die Stabilität erhöhen soll. Entsprechend mehr Material steckt im Schuh. Laut Datenblatt wiegt die neue Version daher je nach Größe auch satte 40 bis 60 Gramm mehr. In Größe US 10/EU 44 bringt er nachgewogene 323 Gramm und damit 55 Gramm mehr als die Vorgängerversion auf die Waage. Allein das zeigt bereits, dass der Prime X kein kompromissloser Wettkampfschuh ist, denn diese wiegen rund 100 Gramm weniger.

Statt einer profilierten Außensohle verwendet Adidas nun eine glatte Schicht Continental-Gummi. Der besonders strapazierte Bereich, wo die Ferse den Boden berührt, ist jetzt zusätzlich mit einem robusteren Kunststoff (hier rot) versehen. Somit funktioniert der Schuh natürlich auf festem Untergrund sehr gut. Auch Feuchtigkeit ist kein Problem, sofern es nicht wirklich nass ist. Auf Park- und Waldwegen fehlt der glatten Außensohle jedoch jeglicher Halt.

Computergeneriertes Obermaterial

Wie auch bei der ersten Variante setzt Adidas auf das namensgebende „Strung“-Obermaterial. Es erweckt zwar den Eindruck, als wären verschiedenfarbige Fäden einfach zufällig übereinandergelegt, doch in Wahrheit ist es „minuziös auf die Fußbewegung abgestimmt“, wie Adidas schreibt. Gemeint ist, dass die Fäden basierend auf Computermodellen von hunderten Füßen für bestimmte Bereiche wie Ferse und Mittelfuß besonders eng oder häufig angeordnet sind. So ergibt sich ein großes Gewebe mit festeren und luftigeren Bereichen. Das Material ist zwar nicht besonders weich, legt sich aber angenehm um den Fuß und drückt nicht. Neu ist die integrierte, gestrickte und dehnfähige Zunge, die es einfach macht, den Schuh anzuziehen.

Adidas Adizero Prime X 2
RUNNER’S WORLD

Bei der Passform ergibt sich ein zwiespältiges Bild: Der Schuh bietet im Vorfußbereich ausreichend Platz, ist trotz der noch breiten Mittelsohle im Bereich des Mittelfußes aber recht schmal. Ein Läufer mit eher breiten Füßen urteilte: „Mein Mittelfuß steht links und rechts über der Sohle, was auf Dauer sehr unangenehm ist.“ Testerinnen und Testern mit eher schmalen und normalbreiten Füßen werden hingegen angenehm bequem und sicher gehalten, was bei einem derart hohen Schuh auch bitter nötig ist.

Wie läuft sich der Schuh?

Wer schon mal einen Superschuh, wie etwa den Vaporfly von Nike, den Endorphin Elite von Saucony oder den Adidas Adios Pro von Adidas am Fuß hatte, spürt auch beim Prime X 2, dass der Schuh auf Vortrieb getrimmt ist. Schon beim Hineinschlüpfen drängt sich die weiche und zugleich reaktive Mittelsohle in den Vordergrund. Es fühlt sich an, als stünde man auf einem Trampolin. Dennoch: „Ich habe das Gefühl, dass die erste Version etwas weicher und reaktiver war“, äußerte sich ein Tester.

Setzt man sich in Bewegung, wirken Dämpfungsschaum und Carbonelemente zusammen und sorgen für ein zugleich komfortables und flottes Laufverhalten. Durch die versteifte Sohle und die aufgebogene Rocker-Geometrie rollt der Schuh schnell ab und bringt vor allem im Abdruck viel Vortrieb. Im Vergleich zu den oben genannten Carbonschuhen ist der Schuh aber deutlich weniger extrem. Bei sehr hohem Tempo wirkt der Prime X 2 sogar etwas träge, was wohl auch an dem höheren Gewicht liegt.

Adidas Adizero Prime X 2
RUNNER’S WORLD

Dafür macht der Prime X 2 auch gemächlicheres Tempo richtig gut mit. Während sich viele Superschuhe beim langsamen Dauerlauf ziemlich schwammig und wackelig anfühlen, bietet der Prime X 2 viel Stabilität – auch mehr als der Vorgänger. Das liegt einerseits an der bereits erwähnten breiteren und voluminöseren Mittelsohle, andererseits an der fehlenden, lateralen Aussparung. War die Mittelsohle des ersten Prime X auf der Innenseite noch unterbrochen, ist sie beim Prime X 2 geschlossen. So verteilen sich die Kräfte auf mehr Fläche und der Schuh kippt weniger stark nach innen ein.

Seine Stärken spielt der Schuh dann aus, wenn es in flottem Tempo auf Asphalt geradeaus geht. Wir würden den Adidas Adizero Prime X 2 daher eher für lange Tempodauerläufe auf Asphalt empfehlen, als für kurze Tempoläufe auf der Tartanbahn.

Fazit: Sollte man ihn kaufen?

Der Adidas Adizero Prime X 2 Strung ist in doppelter Hinsicht unvernünftig – er ist teuer (300 Euro) und er ist verboten. Wer sich für den Schuh entscheidet, weiß das natürlich und nimmt diese Nachteile für das dynamisch-stabile Laufgefühl in Kauf. Denn flotte und lange Trainingseinheiten auf der Straße machen im Prime X 2 verdammt viel Spaß. Dabei profitieren auch all jene, die etwas mehr Körpergewicht mit sich bringen, denn die hohe Mittelsohle hat mir ihrer stabilen Konstruktion deutlich mehr Reserven als die sehr extrem konstruierten Carbon-Wettkampfschuhe.

Datenblatt

Gewicht: 323 Gramm (US 10(EU 44)
Sprengung: 6,5 Millimeter (50/43,5 Millimeter)
UVP: 299,95 Euro

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