Ein Fahrtspiel ist das „Spiel mit der Fahrt“, dem Tempo. Das Wichtigste bei dieser Trainingsform ist das „Spiel“. Der Läufer spielt mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mal schnell, mal langsam nach Lust, Laune und Streckenprofil.
Wer sich für das Fahrtspiel als Trainingsform entscheidet, muss nicht auf ein Intervalltraining verzichten. Abwechslung heißt das Zauberwort, denn Fahrtspiel und Tempoläufe können sich in einem Wochentrainingsplan gut ergänzen.
Das Spiel mit der Fahrt
Ein Fahrtspiel sollte auf weichem Boden im Wald, möglichst in leicht profiliertem Gelände, auf nicht abgemessenen Strecken durchgeführt werden. Nach einer Aufwärmphase von 15 Minuten wechseln sich verschieden lange Laufabschnitte in unterschiedlichem Lauftempo ab, vom zügigen Dauerlauf bis zum Sprint, dazwischen wird locker getrabt.
Das Fahrtspiel schreibt dem Läufer kein genaues Trainingspensum vor. Der Läufer bestimmt das Tempo und die Länge der einzelnen Belastungsteilstücke selbst. Beim Fahrtspiel sollte man keiner peinlich genau einzuhaltenden Trainingsvorschrift nachkommen, sondern „dem eigenen Anstrengungsrhythmus gehorchen“, so Gösse Holmers, der Begründer dieser Trainingsmethode.
Beim Fahrtspiel liegt es im Ermessen des Läufers, wann und wie lange er welches Tempo läuft. Ein Fahrtspiel umfasst kurze Sprints über 50 bis 100 Meter Länge, schnelle Abschnitte über 30 Sekunden bis drei Minuten und zügige Passagen von über drei Minuten Dauer. Vernünftig ist es, während einer Belastung feste topographische Ziele zu wählen, bis zu denen ein angeschlagenes Tempo durchgehalten wird (bis zur nächsten Bank, zum dritten Laternenmast, der kommenden Weggabelung usw.). Sicherlich gibt einem die Methodik des Fahrtspiels auch die Möglichkeit, sich nur von spontanen Einfällen im Training leiten zu lassen. Dies macht aber eine Übersicht über die absolvierten Trainingsreize unmöglich.
Auch beim Fahrtspiel sollten Belastung und Erholung im richtigen Verhältnis stehen, damit das Training zum Erfolg, sprich zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit führt. Das bedeutet, auf eine harte Tempobelastung muss immer eine ruhige Laufpassage oder Gehpause folgen. Je schneller und länger ein Teilabschnitt war, desto ausführlicher muss die (Trab-)Pause sein.
Irgendwann in den 1980er Jahren setzte sich in Holland und Deutschland der Begriff „Fahrtspiel“ zunehmend für eine Trainingsmethode durch, die das ursprüngliche Fahrtspiel von Gösse Holmers mit der Methode der Tempoläufe kombiniert. Belastungen und Pausen werden wie bei den Tempoläufen in ihrer Dauer und im Tempo exakt vorgegeben, aber das Training auf der Straße oder im Wald, nicht auf der Bahn absolviert. Dabei dienen vermessene Strecken nur als Orientierung, um ein vorgeschriebenes Tempo einzuschätzen.
Zumeist ist der Aufbau der Belastungen dieser Trainingseinheit pyramidisch (Beispiel: 3 min, 6 min, 9 min, 6 min, 3 min Belastung mit Trabpausen). Vor allem der Holländer Gerard Nijboer hatte mit dieser Trainingsmethode großen Erfolg (Olympiasilber im Marathon 1980 in Moskau). Auch Winfried Aufenanger, der Bundestrainer der deutschen Marathonläufer in den 1980er und 1990er Jahren, favorisiert diese Trainingsmethode.
So wird’s gemacht
Beim Fahrtspiel muss sich der Läufer, wie bei jeder Trainingseinheit, die ein hohes Tempo anspricht, ausreichend einlaufen. Die ersten Tempobelastungen im Fahrtspiel sollten leichte Steigerungen sein, das heißt Läufe über 50 bis 100 Meter Länge, bei denen das Tempo kontinuierlich bis zum Sprint gesteigert wird. Nach einer ausreichenden Trabpause empfiehlt sich zum „Einrollen“ ein längerer Abschnitt in zügigem Tempo, bevor die ganz schnellen Belastungen absolviert werden.
Ein Lauf in vollem Tempo sollte nie länger als zirka 200 Meter sein und unbedingt mit einer Trabpause bis zur völligen Erholung nachbereitet werden. Nach einigen kurzen und schnellen Abschnitten mit Erholungspausen sollte man wieder ein oder zwei zügige, aber längere Teilstrecken einbauen. Zum Abschluss des Fahrtspiels bietet es sich an, noch einmal einige Steigerungen zu absolvieren. Beim Auslaufen unbedingt auf ein betont langsames Tempo achten.
Für wen ist Fahrtspiel sinnvoll?
Das Fahrtspiel ist eine Trainingsmethode für Läufer, die dreimal und mehr pro Woche laufen. Laufanfänger sollten nach dem Prinzip trainieren: Erst die Ausdauer verbessern, dann die Schnelligkeit. Nur wer eine Stunde am Stück laufen kann, sollte an ein Fahrtspiel denken.
Wer dreimal pro Woche läuft, sollte dabei einmal „mit der Fahrt spielen“. Wer fünf bis siebenmal pro Woche läuft, kann zweimal wöchentlich ein Fahrtspiel ins Training integrieren. Fahrtspiel und Tempoläufe auf der Bahn schließen sich nicht aus. Eine wöchentliche Kombination ist sogar ideal. (Vorsicht: genügend Regenerationstage zwischen beiden Tempoeinheiten.)
Fahrtspiel: Für und wider
Das Fahrtspiel ist in den letzten Jahren zunehmend in Vergessenheit geraten, obwohl seine Vorzüge nicht von der Hand zu weisen sind.
Vorteile
+ Das Fahrtspiel bringt Abwechslung in den Trainingsalltag.
+ Das Fehlen überprüfbarer Trainingsvorgaben verhindert das Scheitern an Trainingszielen und die folgenden psychischen Negativ-Belastungen.
+ Der fatale Muss-Charakter einer Bahntrainingseinheit (nach 3:30 Minuten muss ich bei der 1000-m-Marke sein) wird negiert.
+ Die Trainingsgestaltung nach dem eigenen Gefühl und nicht nach vorgeschriebenen Trainingsprogrammen beugt somit einer Überlastung und einem Übertraining vor.
+ Das Training auf weichem Waldboden ohne die einseitige Belastung der Rundbahn beugt Verletzungen vor.
+ Der Läufer lernt über die Dauer eines Fahrtspiels beziehungsweise einiger Fahrtspiele seinen Körper selbst und besser einzuschätzen als in einem vorgeschriebenem Trainingsprogramm.
+ Das Fahrtspiel gibt die Möglichkeit, aktiv an der Gestaltung eines Trainings teilzunehmen, unabhängig vom Trainer.
+ Das Fahrtspiel bereitet mit seinem unkonventionellen Belastungsverlauf die Unvorhersehbarkeiten entscheidender Wettkampfsituationen (Zwischenspurt, plötzliche Tempoverschleppung oder -forcierung) besser vor als ein gleichförmiges Belastungsprogramm.
Nachteile
+ Das Fahrtspiel bedingt das Vorhandensein eines entsprechenden natürlichen Trainingsgebietes (die Trainingsinhalte sind aber auch auf ein Training auf der Straße übertragbar, was aber dem grundsätzlichen Trainingsprinzip widerspricht).
+ Das Fahrtspiel ist in einer Gruppe nicht durchführbar, da sich Tempo und Dauer einer Belastung nach individuellen Gefühlen gestalten. (Eine Fahrtspiel-Variante ist für eine Gruppe gleichstarker Läufer denkbar, bei der vor jeder Belastung abgestimmt wird, wie lange und schnell sie etwa sein sollte.)
+ Die Belastungen im Rahmen eines Fahrtspiels sind schwer nachzuvollziehen und somit auch bei einer vergleichenden Trainingsauswertung kaum brauchbar.
Der Ursprung des Fahrtspiels
Kaum jemand kennt heute noch die Ideen und Ausführungen des schwedischen Trainers Gösse Holmers. Nicht einmal sein Name ist den meisten Läufern geläufig. Er war gemeinsam mit Gösta Olander der Begründer einer Trainingsmethode, die man die „schwedische Trainingslehre“ nannte, und aus der er später das „schwedische Fahrtspiel“ entwickelte. Das Training der beiden Schweden ist in seinem Prinzip der Grundstein vieler Trainingsmethoden erfolgreicher Trainer geworden.
1930 entschloss sich Gösse Holmers, etwas neues auszuprobieren. Es war die Zeit der großen finnischen Langstreckenerfolge und somit auch die Zeit des Trainings nach dem Intervallprinzip eines Paavo Nurmi, der schon damals auf der Bahn kurze, scharfe in ihrer Länge exakt festgelegte Tempoläufe mit Pausen wiederholte.
Holmers lehnte die Auffassung ab, „dass ein Läufer genau abgesteckte Trainingsstrecken in seinem täglichen Training laufen sollte“. Er wollte „den Läufern mehr Freiheit geben in der Eigengestaltung ihres Trainings, ihnen ermöglichen, mehr Verständnis und Einblick in das Wesen des Trainings zu gewinnen und sie damit in den Stand versetzen, das Training mehr nach ihrer eigenen Individualität aufzubauen“. So entwickelte Holmers die Trainingsmethode, die er „Fartlek“ nannte.