Schmerzen im Iliosakralgelenk
ISG-Blockade: Das können Sie tun

Wenn es kurz über dem Gesäß schmerzt, liegt es häufig am ISG, dem Iliosakralgelenk. Wir erklären, wie eine ISG-Blockade entsteht und wie Sie sie richtig behandeln.
Severe back pain
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In diesem Artikel:
  • Wo ist das Iliosakralgelenk (ISG)?
  • Welche Bewegungen macht das ISG?
  • Wie entstehen ISG-Schmerzen?
  • Symptome
  • Ursachen
  • Behandlung
  • Wie kann man die ISG-Blockade durch Bewegung lindern?
  • Wann sollte man mit einer ISG-Blockade zum Arzt oder Physiotherapeuten gehen?
  • Wie kann man die Muskulatur im Bereich des ISG stärken?
  • Worauf muss man beim Laufen mit einer ISG-Blockade achten?
  • Fazit: Bei einer ISG-Blockade hilft Bewegung!

Wenn Sie über ziehende oder stechende Schmerzen im unteren Rücken klagen, hat der Übeltäter sehr schnell einen Namen: das Iliosakralgelenk, kurz ISG. Bei einer ISG-Blockade handelt es sich um eine Dysfunktion des ISG. Und wer sie einmal hat, wird sie gefühlt nicht mehr los – die ISG-Blockade wird im Volksmund dann zum ISG-Syndrom. Etwa 70 Prozent der deutschen Bevölkerung kennen die Schmerzen zwischen Kreuzbein und Beckenschaufeln unterhalb der Lendenwirbelsäule. Meist werden sie ausgelöst durch wiederholtes schweres Heben oder einen Tritt ins Leere auf einer unebenen Laufstrecke, zum Beispiel beim Trailrunning im Gelände.

Wo ist das Iliosakralgelenk (ISG)?

Das Iliosakralgelenk (auch ISG oder SIG, Sakroiliakal-Gelenk oder Kreuzbein-Darmbein-Gelenk) befindet sich im unteren Teil des Rückens, am unteren Ende der Lendenwirbelsäule. Die Gelenkpartner hiervon sind die Beckenschaufeln (Os ilium) und das Kreuzbein (Sakrum oder Os sacrum), der keilförmige Knochen oberhalb des Steißbeins. Dort, wo das Kreuzbein an die Beckenschaufeln angrenzt, befinden sich das rechte und das linke Iliosakralgelenk. Es stellt also über das Kreuzbein die Verbindung von Wirbelsäule und Becken her.

Welche Bewegungen macht das ISG?

Das Iliosakralgelenk wird durch Bänder und (Rumpf-)Muskeln stabilisiert, kann nicht willkürlich bewegt werden und ist ein sehr straffes Gelenk. Im Gegensatz zu den meisten Gelenken im menschlichen Körper lässt es nur sehr wenig bis gar keine Bewegung zu. Die möglichen kleinen Bewegungen, etwa beim Kippen des Beckens, nennt man Nutation und Gegennutation. Die Nutation bewirkt eine Vergrößerung des Beckenrings (der aus beiden Hüftschaufeln und dem Kreuzbein gebildet wird).

Wie entstehen ISG-Schmerzen?

Im Volksmund spricht man bei ISG-Schmerzen häufig von einer ISG-Blockade oder einer ISG-Blockierung und bei länger andauernden Symptomen von einem ISG-Syndrom. Korrekterweise handelt es sich dabei aber eigentlich um eine Dysfunktion, also eine mechanische Störung des Gelenks, oder einen Schmerzzustand. Dies entsteht also, wenn das ohnehin straffe Gelenk in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist oder wenn die Stellung der Gelenkflächen zueinander von der Norm abweicht.

Die sogenannte ISG-Blockade entsteht, wenn das ohnehin straffe Gelenk (hier rot hervorgehoben) in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist.
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Die sogenannte ISG-Blockade entsteht, wenn das ohnehin straffe Gelenk (hier rot hervorgehoben) in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist.

ISG-Schmerzen können sowohl bei Männern als auch bei Frauen in jedem Alter auftreten. Etwa 70 Prozent der deutschen Bevölkerung leiden mindestens einmal im Leben unter einer ISG-Blockierung. Ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von ISG-Schmerzen besteht bei Personen mit unterschiedlicher Beinlänge, entzündlicher Arthritis als Nebenerkrankung, nach einer operativen Versteifung der Wirbelsäule oder in höherem Alter. Auch Traumata wie Autounfälle oder Stürze erhöhen das Risiko für eine ISG-Blockade. Hierbei wird das Iliosakralgelenk plötzlich sehr stark belastet, ohne dass zuvor die umliegende Muskulatur aktiviert werden konnte.

Symptome

Eine Blockierung des Iliosakralgelenks macht sich meist durch ziehende Schmerzen bemerkbar, entweder auf beiden Seiten oder auch nur einseitig. Diese Schmerzen nehmen zu, sobald man sich nach vorne beugt oder versucht, auf einem Bein zu stehen. Dazu können Bewegungseinschränkungen kommen, die vor allem die Beugung des Oberkörpers und das Anziehen der Beine betreffen. Vom ISG-Schmerzen sind allerdings vielfältig und meist schwer von Beschwerden zu unterscheiden, die durch die Hüfte oder die untere Wirbelsäule (Lendenwirbelsäule, LWS) verursacht werden.

Die Diagnose ISG-Blockade können Physiotherapeuten oder Orthopäden mithilfe von Schmerzprovokationstests stellen. Das Ziel der Tests ist es, den Schmerz zu provozieren, also durch eine bestimmte Bewegung oder Druck auszulösen. Gelingt dies bei mehreren Tests, gilt das ISG als Ursache für die Schmerzen. Wichtig ist bei ISG-Schmerzen, dass ebenso die Lendenwirbelsäule und das Hüftgelenk untersucht und als Grund für die Schmerzen ausgeschlossen werden.

Entstehen die Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, verlagern sich die ausstrahlenden Schmerzen meist vom Bein Richtung Gesäß oder Wirbelsäule. Das Hüftgelenk kann als Ursache ausgeschlossen werden, wenn aktive und passive Bewegungen des Gelenks schmerzfrei möglich sind und funktionelle Bewegungen wie Kniebeugen oder Ausfallschritte keine Schmerzen in der Hüfte verursachen.

Ursachen

Ursächlich für eine ISG-Blockade und ISG-Schmerzen sind in den meisten Fällen das Heben von zu schweren Gegenständen oder auch ein Tritt ins Leere, beispielsweise beim Verfehlen einer Treppenstufe oder beim Stolpern auf unebenem Untergrund. Bestimmte Wirbelsäulenerkrankungen und Operationen an Knie- oder Hüftgelenk können die Entstehung eines ISG-Syndroms begünstigen.

Bei Läufern ergibt sich durch dauerhafte Fehlbelastung im Training oder einseitige Belastung ein Ungleichgewicht zwischen einzelnen Muskelgruppen wie hüftbeugender und hüftstreckender Muskulatur, wenn kein Ausgleichstraining zum Laufen stattfindet. Aber: Schmerzen im unteren Rückenbereich stammen nicht zwingend von einer ISG-Blockade, sondern können auch durch Ischiasbeschwerden, in seltenen Fällen durch einen Bandscheibenvorfall, ein Piriformissyndrom oder ein LWS-Syndrom ausgelöst werden.

Behandlung

Die beste Therapie bei Beschwerden im ISG: in Bewegung bleiben. Halten Sie den gesamten Bereich um das Iliosakralgelenk warm und gehen Sie gemütlich 20 bis 45 Minuten spazieren. Das fördert die Durchblutung und entspannt die Muskulatur und die umliegenden Bandstrukturen. Unterstützend können Wärmeanwendungen wie die Heiße Rolle helfen. Häufig verschwinden die Schmerzen nach drei bis sechs Tagen langsam von selbst.

Wie kann man die ISG-Blockade durch Bewegung lindern?

Viele betroffene Sportler, gerade auch Läufer, können die Schmerzen durch eine Eigenmobilisation lindern oder über bestimmte Zeit komplett ausschalten. Dazu legen Sie sich auf den Rücken, strecken beide Beine gerade aus und legen Ihre Arme ausgestreckt zur Seite. Die Handinnenflächen zeigen nach oben. Nun stellen Sie den Fuß des rechten Beins auf Höhe des linken Kniegelenks ab. Drehen Sie sich von der Hüfte abwärts nach links und versuchen Sie die Schultern auf dem Boden liegen zu lassen.

Henning Heide
Mit dem Rumpfdrehen dehnen Sie die Bauchmuskeln und mobilisieren die Wirbelsäule.

Jetzt können Sie mit der linken Hand das rechte Knie greifen und sanft in Richtung Fußboden ziehen. Drehen Sie den Kopf zur rechten Seite. Halten Sie die Dehnung etwa 20 Sekunden und strecken Sie sich danach langsam wieder lang aus. Wiederholen Sie die Übung gleichermaßen mit dem linken Bein. Manchmal kann es bei einer Blockade auch hilfreich sein, in Rückenlage die Beine anzustellen und langsam von einer Seite zur anderen zu bewegen, wie beim Entblockieren der Lendenwirbelsäule. Die Füße bleiben dabei die ganze Zeit über an derselben Stelle stehen.

Ebenso kann es hilfreich sein, wenn Sie in Rückenlage beide Beine anstellen und immer mit der Ausatmung das Gesäß langsam von der Unterlage anheben. So sorgen Sie abwechselnd für eine Anspannung und Entspannung der Gesäßmuskulatur und der umliegenden Muskulatur des Iliosakralgelenks. Besonders bei Läufern ist diese Muskulatur häufig zu schwach ausgeprägt.

Wann sollte man mit einer ISG-Blockade zum Arzt oder Physiotherapeuten gehen?

Wenn Sie die iliosakralgelenk-Schmerzen nicht in den Griff bekommen, sollten Sie einen Physiotherapeuten oder einen Osteopathen aufsuchen, der sich mit Läufern auskennt und der die genaue Ursache herausfinden und behandeln kann, nachdem ein Arzt entzündliche Erkrankungen der Wirbelsäule ausgeschlossen hat. Eine Manipulation (ruckartiges Zurückdrücken des Gelenkes in die richtige ursprüngliche Position) des Iliosakralgelenks sollte nur im Notfall vorgenommen werden, da sie die Ursache der ISG-Blockade meist nicht beseitigt, sondern nur kurzfristig mindert.

Wie kann man die Muskulatur im Bereich des ISG stärken?

Langfristig kann ein ISG-Syndrom durch stabilisierende Übungen für die Becken- und Rumpfmuskulatur behandelt werden. Dazu ist es wichtig zu wissen, welche strukturelle Ursache der ISG-Blockierung zugrunde liegt und ob die Rumpfmuskulatur unter Umständen nicht seitengleich ausgeprägt ist. Gerade Läufer, die „im Sitzen“ laufen und dazu neigen, bei längeren Läufen nach vorne zu fallen, sollten die Hüft- und Gesäßmuskulatur stärken. Dies gelingt zum Beispiel durch einbeinige Übungen, Ausfallschritte oder gezieltes Langhanteltraining im Fitnessstudio mit höherem Gewicht auf der Seite des schwächeren Beins. Lassen Sie sich Übungen an der Langhantel von einem Physiotherapeuten oder Sportwissenschaftler genau zeigen und kontrollieren Sie Ihre Körperhaltung beim Training im Spiegel. So vermeiden Sie Ausweichbewegungen und ineffizientes Training.

Worauf muss man beim Laufen mit einer ISG-Blockade achten?

Achten Sie beim Laufen darauf, dass Sie nicht „in den Schmerz hineinlaufen“. Drosseln Sie die Geschwindigkeit, sobald Sie das erste Ziehen im Bereich des ISG bemerken. Meiden Sie Läufe, bei denen Sie starke Anstiege oder Bergabläufe bewältigen müssten. Wenn Sie bergauf laufen, wirken auf das ISG besonders starke Zugkräfte, die das Gelenk zusätzlich irritieren können. Wenn Sie bergab laufen, setzen Sie Ihr ISG einer starken wechselseitigen Druckbelastung aus, die die ISG-Blockade verschlimmern kann. Bevorzugen Sie Läufe auf flachem Terrain.

Versuchen Sie, Ihren Körper beim Laufen aufrecht zu halten, lassen Sie sich nicht durch den evtl. auftretenden Schmerz der ISG-Blockade „nach vorne drücken“. Richten Sie ihren Oberkörper aktiv auf und versuchen Sie, auf eine volle Hüftstreckung zu achten. Wenn Sie aufgrund des Schmerzes im ISG nicht mehr in der Lage sind, normal geradeaus zu laufen, legen Sie unbedingt eine Pause ein und bewältigen Sie den Rest der Laufstrecke aufrecht gehend. Längere Spaziergänge können sogar sehr angenehm sein. Verzichten Sie also nicht gänzlich darauf, die Laufschuhe zu schnüren.

Wenn Sie sich aufgrund einer ISG-Blockade von einem Arzt oder Therapeuten haben behandeln lassen, sollten Sie in den ersten Tagen danach nicht gleich wieder wie zuvor loslaufen. Beginnen Sie mit flotten Spaziergängen und hören Sie auf Ihren Körper. Ein zu schneller Einstieg in den Trainingsplan kann einen Rückfall auslösen. Nutzen Sie die Zeit, in der Sie Ihr Laufpensum noch nicht wieder voll absolvieren können, für Stabilisationsübungen – denn die helfen nicht nur gegen die Schmerzen im ISG, sondern machen Sie langfristig sogar schneller.

Zu den besten Übungen gehören unter anderem:

Vorbeugende Übungen

Am effektivsten beugen Läufer ISG-Schmerzen vor, indem sie ihre Bauch- und Rückenmuskeln regelmäßig und gleichmäßig als Ergänzung zu ihren Laufeinheiten kräftigen. Spezielle Übungen hierfür sind die folgenden:

Dynamische Dehnübungen vor einer Laufeinheit bereiten die Muskulatur auf das bevorstehende Training vor und verringern Muskeldysbalancen, die beim Laufen zu einseitiger Belastung führen können, beispielsweise Ausfallschritte oder Kombinationsbewegungen, bei denen die Wirbelsäule gedreht, gestreckt und gebeugt wird. Wer es ganz genau wissen will: Eine Laufanalyse in Kombination mit einer Bewegungsanalyse durch einen Physiotherapeuten und ein daraus abgeleitetes Athletiktraining bringen Sie langfristig zurück ins Lauftraining.

Fazit: Bei einer ISG-Blockade hilft Bewegung!

Die häufigste Ursache bei Schmerzen im ISG werden durch eine Schwäche der Waden- und Gesäßmuskulatur oder Rumpfmuskulatur in Kombination mit schwerem Heben oder häufiger Bewegungswiederholung ausgelöst. Im Akutstadium sollten Sie auf jeden Fall in Bewegung bleiben: Ein Spaziergang oder leichte Bewegungen in Rückenlage entspannen die umliegende Muskulatur und lindern die Schmerzen im unteren Rücken. Langfristig sollten Sie neben dem Lauftraining die Bein- und Rumpfmuskulatur mit Kräftigungsübungen auftrainieren, um so eine einseitige Belastung des ISG beim Laufen zu vermeiden.

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06 / 2023

Erscheinungsdatum 12.05.2023