- Aufklärung über Migräne hilft Betroffenen und Angehörigen
- Die wichtigsten Fakten zu Migräne
- Was hat Migräne mit dem Glückshormon Serotonin zu tun?
- Welche Symptome kennzeichnen Migräne?
- Welche Tests helfen bei der Differenzierung von Migräne und Spannungskopfschmerz?
- Welche Formen von Migräne gibt es?
- Welcher Arzt hilft bei der Diagnostik und Therapie von Migräne weiter?
- Welche Medikamente helfen bei Migräne?
- Mit Migräne zum Physiotherapeuten?
- Hilft Ausdauersport bei Migräne?
- Wie kann man Migräneanfällen vorbeugen?
Kopfschmerzen hat nahezu jede Läuferin und jeder Läufer schon mal gehabt. Oft sind die Schmerzen am Hinterkopf oder frontal an der Stirn einfach nervig und vermiesen einem die Laufeinheit. Überwindet man sich aber, sich trotzdem zu bewegen, geht es einem danach meist besser. Nicht so bei Migräne. Migränekopfschmerz gleicht einem Totalausfall, entweder von jetzt auf gleich oder sich langsam einschleichend innerhalb mehrerer Stunden.
Aufklärung über Migräne hilft Betroffenen und Angehörigen
Häufig wachen Betroffene schon morgens mit dem Gefühl auf, "dass heute ein Migränetag ist". An diesen Tagen geht jeder Wettkampf in die Hose, so sehr man sich auch anstrengt, Trainingseinheiten fängt man mit gutem Willen noch an, schleicht am Ende aber doch deprimiert nach Hause und fällt sofort ins Bett, bei geschlossenen Rollläden und ohne Kontakt zur Außenwelt, bei absoluter Ruhe. Wer Migränepatient ist und an Laufwettkämpfen teilnimmt, kennt das Gefühl: Mit letztem Willen quält man sich über die Ziellinie. Mehr als Sitzen oder Liegen geht nicht mehr, selbst bei läppischen fünf Kilometern. Wie lange so ein Migräneanfall dauert, ist individuell verschieden. Aber der negative Eindruck dieses einen Wettkampfendes bleibt lange im Kopf.
Fakt ist: Betroffene werden im Alltag häufig belächelt und nicht ernst genommen. Schließlich sieht man die Kopfschmerzen, die den Kopf zum Zerspringen bringen, von außen nicht. Dieser Artikel ist deshalb nicht nur für Betroffene, sondern auch für diejenigen, die ihre Angehörigen, Kolleginnen oder Mitschüler unterstützen und besser verstehen wollen.
Die wichtigsten Fakten zu Migräne
Migräne ist eigentlich eine vorübergehende Fehlregulation von Schmerzreizen. Sie betrifft meistens Frauen vor dem 40. Lebensjahr und oft mehrere Personen innerhalb einer Familie. Über die Ursache der Erkrankung wird noch immer diskutiert. Offensichtlich spielen allgemeine Faktoren wie die Ernährung (z. B. Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Mangelerscheinungen), Schlafmangel und Stress, Alkoholkonsum sowie Wetterfühligkeit eine große Rolle.
Man weiß, dass sich die Arterien innerhalb des Kopfes kurz vor einem Migräneanfall verengen (Vasokonstriktion). Ausgelöst wird diese Engstellung der Arterien durch die Freisetzung von Serotonin. Dann folgt eine zweite Phase der sogenannten "Vasodilatation", einer Weitstellung der Gefäße. Diese Phase ist gekennzeichnet durch den Kopfschmerz.
Was hat Migräne mit dem Glückshormon Serotonin zu tun?
Serotonin ist ein Neurotransmitter. Als Botenstoff gibt es Informationen aus Magen-Darm-Trakt und Herz-Kreislauf-System an das Gehirn weiter. Der Körper stellt das Hormon Serotonin aus Tryptophan her, sowohl im Darm als auch im Gehirn. Danach wird es an unterschiedlichen Stellen im Körper in kleinen Transportern gespeichert. Wird es freigesetzt, dockt es an einen freien Rezeptor an. Die Verbindung mit diesem Rezeptor führt wiederum zu einer Reaktion im Körper. Auf diese Weise beeinflusst Serotonin die Körpertemperatur, den Bewusstseinszustand, die Bewertung von Schmerz, den Schlafrhythmus sowie den Appetit. Zudem reguliert Serotonin die Eng- und Weitstellung der Blutgefäße sowie der Bronchien. Es beeinflusst außerdem die Motilität (Fähigkeit zur aktiven Bewegung) des Darms und die Blutgerinnung.
Übrigens: Der Konsum von Schokolade verändert nicht den Serotoninspiegel. Lebensmittel wie Bananen, Rindfleisch, Quark oder Walnüsse enthalten zwar Tryptophan, also die Vorstufe von Serotonin, allerdings überwindet es die Blut-Hirn-Schranke nicht und spielt damit für den Serotoninspiegel keine direkte Rolle. Im Verlauf des weiblichen Zyklus schwankt der Serotoninspiegel.
Der Serotoninwert wird über die Menge des Hauptabbauproduktes von Serotonin im Urin bestimmt. Der Normwert von Hydroxyindolessigsäure liegt bei bis zu 9,0 Milligramm in 24 Stunden. Ob dieser Wert ausschlaggebend für Erkrankungen wie Depressionen oder Angsterkrankungen ist, wird seit längerem untersucht. Einen nachweislich erhöhten Serotoninspiegel findet man bei Zöliakie (Glutenintoleranz) und Epilepsie. Außerdem gibt es Tumore, die Serotonin produzieren. Ein Mangel an Serotonin wiederum wird als Auslöser für das Reiz-Darm-Syndrom diskutiert.
Welche Rolle Serotonin auch immer bei der Entstehung von Migräne genau spielt: Migränepatientinnen und -patienten leiden meist nicht nur unter den starken Kopfschmerzattacken, sondern zusätzlich an Problemen des Magen-Darm-Traktes, Zyklusbeschwerden oder depressiven Verstimmungen.
Welche Symptome kennzeichnen Migräne?
Vor allem morgens entsteht ein anfallsartiger, drückender halbseitiger Kopfschmerz. Möglich sind Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen, starkes Schwitzen, Durchfall und Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen und Licht. Migräne tritt anfallsartig auf und dauert vier bis 72 Stunden an. Ein dumpfer Schmerz im Kopf bleibt häufig während der absoluten Erschöpfung im Anschluss an einen Migräneanfall, die bis zu eineinhalb Tagen andauern kann. Einige Migränepatienten berichten über Kribbelgefühle oder muskuläre Ausfallerscheinungen in den Gliedmaßen, vor allem in Schultern, Ober- und Unterarmen und Händen. Als Migräne wird Kopfschmerz dann diagnostiziert, wenn Sie bereits mindestens fünf Anfälle mit den oben genannten Symptomen hinter sich haben.
Welche Tests helfen bei der Differenzierung von Migräne und Spannungskopfschmerz?
Zunächst ist bei der Diagnostik von Migräne ein Kopfschmerztagebuch hilfreich. Darin sollten Schmerzdauer, Schmerzhäufigkeit und Begleitsymptome notiert werden. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft stellt Vorlagen für solche Tagebücher zur Verfügung.
Fragebögen wie der HIT-6 Headache Impact Test, der VR-12 zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität oder der NDI-G Neck Diability Index sowie die DASS Depressions-, Angst- und Stressskalen helfen bei der Abgrenzung unterschiedlicher Kopfschmerzarten. Der FKMS Fragebogen zum Kopfschmerzmanagement und zur Selbstwirksamkeit gibt zudem Aufschluss über die subjektive Beeinträchtigung.
Spannungskopfschmerz ist meist drückend, zieht vom Nacken über den Hinterkopf (häufig beidseitig symmetrisch) oder besteht "wie ein Brett vor dem Kopf" über die gesamte Stirn und hat eine mäßige Schmerzstärke. Begleitsymptome sind äußerst selten, zudem verschlimmert er sich nicht wie eine Migräne durch alltägliche Aktivitäten wie Überkopfaktivitäten oder sich bücken. Tatsächlich zählt der Spannungskopfschmerz, gemeinsam mit Kopfschmerzen durch Medikamentenmissbrauch, zu den deutlich häufiger auftretenden Kopfschmerzerkrankungen als Migräne.
Vom Spannungskopfschmerz abzugrenzen ist zusätzlich die Myoarthropathie des Kausystems. Die sogenannte craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) bezeichnet eine Funktionsstörung des Kiefers. Dabei treten Beschwerden in der Muskulatur des Kauapparates zusammen mit Gesichtsschmerzen, Kieferschmerzen und Kopfschmerzen auf.
Welche Formen von Migräne gibt es?
Man unterscheidet zwischen folgenden verschiedenen Formen der Migräne:
- einfache Migräne mit einseitigem Kopfschmerz
- klassischer Migräne mit Aura (Flimmern vor den Augen)
- Basilarismigräne mit Kopfschmerzen am Hinterkopf, Missempfindungen im Gesicht und Schwindel
- komplizierte Migräne mir neurologischen Symptomen, die auch nach Abklingen des Kopfschmerzes bleiben.
Welcher Arzt hilft bei der Diagnostik und Therapie von Migräne weiter?
Zum Ausschluss anderer Erkrankungen ist der Weg zum Neurologen wichtig. Eine Kernspintomographie (MRT) ist normalerweise jedoch nur dann notwendig, wenn Hinweise auf eine schwerwiegende(re) Erkrankung bestehen oder die Symptome nach dem 45. Lebensjahr erstmalig auftreten. Es handelt sich dann um einen sekundären Kopfschmerz aufgrund einer anderen Vorerkrankung.
Welche Medikamente helfen bei Migräne?
Zur Prophylaxe von Migräne werden vor allem Betablocker und trizyklische Antidepressiva eingesetzt. Die Abbruchrate bei der rein medikamentösen Prophylaxe von Migräne liegt allerdings mit 30 Prozent deutlich höher als bei der nichtmedikamentösen Therapie. Besonders erfolgreich ist eine Kombination beider Therapiemöglichkeiten: Bewegung und Medikament.
Im Akutfall helfen individuell Ibuprophen, Paracetamol oder Aspirin. Triptane wie Sumatriptan, Rizatriptan und Maxalt helfen am zuverlässigsten, das Ausarten eines beginnenden Migräneanfalls einzudämmen oder zu verhindern. Allerdings kann es bei regelmäßiger Einnahme auch zu einem sogenannten Übergebrauchskopfschmerz kommen. Die Einnahme jeglicher Medikamente in der Migränetherapie sollte deshalb immer akribisch mit einem Arzt erarbeitet und danach in regelmäßigen Abständen besprochen werden.
Mit Migräne zum Physiotherapeuten?
Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Migränepatienten und Kopfschmerzpatienten im Allgemeinen zu einer nach vorne orientierten Kopfposition neigen. Dies bewirkt eine einseitige Aktivität der Halswirbelsäulenmuskulatur und somit zu Muskelverspannungen. Während Patienten mit Kopfschmerzen vom Spannungstyp häufig eine Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule haben, ist dies bei Migränepatienten nur selten der Fall. Auch zeigen Patienten mit Spannungskopfschmerz oft eine Muskelschwäche in der Nacken- und Halswirbelsäulenmuskulatur, was bei Migränepatienten weniger beobachtet wird. Bei Migränepatienten finden sich allerdings häufig Triggerpunkte am Kopf und in der Nackenmuskulatur. Es macht also durchaus Sinn, einen Physiotherapeuten in der Diagnostik sowie in der späteren Therapie der Migräne, aber auch bei Spannungskopfschmerzen, hinzuzuziehen.
Hilft Ausdauersport bei Migräne?
Ausdauertraining kann die Anzahl sowie die Intensität der Migräneanfälle deutlich reduzieren. Ein zehnwöchiges regelmäßiges Ausdauertraining in Laufschuhen oder auf dem Fahrrad mit zwei Einheiten pro Woche kann die Anzahl der Migränetage pro Monat um etwa 15 Prozent reduzieren. Drei 40-minütige Ausdauereinheiten pro Woche über zehn Wochen reduziert die Migränehäufigkeit sogar 25 bis 50 Prozent.
Und Krafttraining? HIT-Intervalltraining an zwei Tagen pro Woche mit Übungen von 4 x 4 Minuten mit jeweils 3 Minuten Pause dazwischen bei 90 bis 95 Prozent des Maximalpulses können die Migränehäufigkeit fast halbieren.
Wer diesen Weg geht, muss meist aus einem Teufelskreis ausbrechen. Doch der lohnt sich. Auch hier ist die Unterstützung von Freunden und Familie nahezu unerlässlich.
Wie kann man Migräneanfällen vorbeugen?
Die Grundlage jeder Migräneprophylaxe bilden nichtmedikamentöse Maßnahmen, die durch Medikamente ergänzt werden können. Leider ist am Anfang nie ganz klar, wem welche Therapie bei Migräne am besten und schnellsten hilft. Wichtig ist die Berücksichtigung von Begleiterkrankungen wie beispielsweise Asthma Bronchiale oder Alltagsgegebenheiten wie Schichtdienst. Asthmatiker sollten Betablocker nur in niedriger Dosierung einnehmen und beispielsweise Arbeitnehmerinnen im Schichtdienst keine Antidepressiva verordnet bekommen, die besonders müde machen.
Es ist wichtig, Migränepatientinnen und -patienten die Angst zu nehmen, dass der Schmerz im Kopf Schlimmes anrichtet. Zudem können Angehörige den Betroffenen helfen, ihre Selbstwirksamkeit wiederzuerlangen, indem sie gemeinsam Kurse zur Entspannung oder Rückenschule besuchen und im Falle eines Anfalls dabei unterstützen, den Alltag weitestgehend aufrechtzuerhalten. Stressreduktion ist ein wichtiger Eckpfeiler in der Migränetherapie. Eine Neustrukturierung des Alltags hilft, den Stress zu reduzieren, während regelmäßige Auszeiten mit einer Entspannungs-CD beispielsweise direkte Auswirkungen auf die Körperphysiologie haben.
Die Identifikation der Auslöser von Migräne gelingt in Zusammenarbeit mit Freunden oder Familienmitgliedern meist besser, weil Personen von außen oft objektiver beurteilen können, wie oft und wann die Migräneanfälle auftreten. Hier ist also Teamwork gefragt.