Kennst du das Gefühl nach einer intensiven Trainingsphase – schwere Beine, anhaltende Müdigkeit und schwindende Motivation? Dann stellt sich die Frage: Ist das ein sinnvolles Overreaching, das dich nach ausreichender Erholung stärker macht, oder befindest du dich bereits auf dem gefährlichen Weg ins Übertraining, das deine Leistung langfristig gefährdet?
Was ist Overreaching?
Overreaching bedeutet übersetzt „Überlastung“ – aber nicht im negativen Sinn. Gemeint ist eine Phase, in der das Training so intensiv gestaltet wird, dass es deinen Körper kurzfristig überfordert. Die Folge: Müdigkeit, schwere Beine, ein kurzfristiger Leistungsabfall. Entscheidend ist jedoch die anschließende Pause. Gibst du deinem Körper ausreichend Erholung, passt er sich an die höheren Anforderungen an und kehrt gestärkt zurück. Overreaching ist also kein Zeichen dafür, dass du falsch trainiert hast, sondern ein bewusst eingesetztes Mittel, um Fortschritte zu erzielen. Wichtig ist jedoch, dass es kontrolliert bleibt.
Overreaching – ein notwendiges Mittel zur Leistungssteigerung
Wer besser werden will, muss seinen Körper fordern. Das Prinzip der Superkompensation besagt, dass nach einer intensiven Belastung eine erholende Regenerationsphase folgen sollte, damit der Körper die Möglichkeit hat, sich für künftige Belastungen an das erhöhte Leistungsniveau anzupassen. Dieses Overreaching, also die Phase der gezielten Überlastung, ist ein wichtiger Bestandteil in der Trainingssteuerung. Erst durch die anschließende Erholung setzt die gewünschte Anpassung ein: Dein Körper wird stärker, effizienter und belastbarer.
Jedoch kann es durch hohe Belastungen auch leicht zu einem Übertraining kommen. Übertraining beschreibt den Zustand, in dem das Gleichgewicht zwischen Belastung und Erholung dauerhaft gestört ist. Anders als beim Overreaching gelingt es dem Körper nicht mehr, sich nach harten Trainingsphasen vollständig zu regenerieren. Während Overreaching ein geplanter Schritt zur Leistungssteigerung sein kann, ist Übertraining ein ernsthaftes Warnsignal und erfordert meist eine längere Trainingspause.
Overreaching ist also eine gewollte Maßnahme. Problematisch wird es erst, wenn der Körper die Belastung nicht mehr ausgleichen kann und in ein sogenanntes nicht-funktionelles Overreaching (NFOR) rutscht.
Formen und Risiken: funktionales vs. non-funktionales Overreaching
Nicht jedes Overreaching wirkt gleich. Entscheidend ist, ob du deinem Körper nach der Phase der Überlastung die nötige Zeit zur Anpassung gibst oder ob die Belastung dauerhaft zu hoch bleibt. Dementsprechend kann man zwischen zwei Formen unterscheiden:
- Funktionales Overreaching (FOR): Hierbei handelt es sich um eine gewollte Phase erhöhter Ermüdung, etwa während eines Trainingslagers oder einer intensiven Vorbereitungswoche. Nach ein bis zwei Wochen reduzierter Belastung wird dann ein Leistungsanstieg folgen.
- Non-funktionales Overreaching (NFOR): Wird die Belastung zu stark gesteigert oder fehlen Pausen, kippt das System. Die Leistungsfähigkeit sinkt über Wochen hinweg, die Regeneration dauert deutlich länger und es drohen Verletzungen oder Übertraining.
Vielleicht fragst du dich jetzt, was der Unterschied zwischen non-funktionalem Overreaching und Übertraining ist. NFOR stellt eine Art Zwischenstufe dar. Wenn du die Belastung zu stark steigerst, kann die Regeneration Wochen dauern und Rückschritte im Training sind möglich. Das Gute daran ist jedoch, dass du das mit ausreichenden Pausen wieder vollständig ausgleichen kannst. Anders ist es beim Übertraining. Dabei handelt es sich um die schwerste Form chronischer Überlastung und die Erholungsphase kann sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen. Damit es gar nicht erst so weit kommt, zeigen wir dir die Warnsignale, bei denen du hellhörig werden solltest.
So erkennst du Übertraining
Übertraining ist ein ernstzunehmender Zustand, der sich schleichend entwickelt. Das wichtigste Warnsignal: Ein langanhaltender Leistungsabfall und damit genau das Gegenteil von dem, was du mit deinem Training eigentlich bewirken willst. Hinzu kommen weitere typische Anzeichen, die du ernst nehmen solltest:
- Erhöhte Ruheherzfrequenz
- Allgemeines Unwohlsein
- Gestörter Schlaf
- Ständige Müdigkeit, Gereiztheit oder Motivationsverlust
- Appetitlosigkeit
- Häufige Infekte oder Verletzungen
- Hormonelle Veränderungen (z.B. Zyklusstörungen, reduzierter Testosteronspiegel)
Wichtig: Übertraining entsteht nicht allein durch zu viel Sport. Auch beruflicher Stress oder private Belastungen können die Leistungsfähigkeit mindern und den Körper zusätzlich schwächen. Wenn du die Ursachen für ein Übertrainingssyndrom verstehen willst, solltest du deshalb nicht nur das Training, sondern deinen gesamten Lebensstil untersuchen.
Wird bei dir ein Übertraining festgestellt, dann hilft nur eines: konsequente Ruhe. Trainingseinheiten solltest du dann deutlich reduzieren oder für mehrere Wochen ganz aussetzen.
Overreaching vs. Übertraining: Symptome, Dauer und Anpassung
Auf den ersten Blick ähneln sich Overreaching und Übertraining sehr. In beiden Fällen sinkt die Leistung und die Müdigkeit nimmt zu. Der entscheidende Unterschied liegt aber in der Dauer und Tiefe der Erschöpfung. Die Unterschiede im Detail zeigt dir die folgende Tabelle:
Erholungsstrategien und Prävention
Übertraining oder non-funktionales Overreaching betreffen nicht nur Profisportlerinnen und Profisportler, sondern auch Freizeitläufer. Gerade Ausdauersportler, die im Training hohe Umfänge absolvieren, haben ein hohes Risiko, im Übertraining zu landen. Damit es gar nicht erst so weit kommt, solltest du schon im Vorfeld einige Grundsätze im Training beachten, die der Prävention dienen, anstatt erst zu reagieren, wenn es bereits zu spät ist. Hier sind unsere Tipps zur Erholung und Prävention:
Periodisierung
Unter Periodisierung versteht man die systematische Planung und Strukturierung des Lauftrainings über einen längeren Zeitraum hinweg, meistens ein Jahr. Auf Phasen mit hoher Intensität sollen immer leichtere Wochen, also Entlastungswochen mit reduzierter Belastung, folgen. Erst diese Ruheblöcke ermöglichen optimale Anpassungsprozesse deines Körpers – und sie bewahren dich vor Übertraining. Bei der Periodisierung hast du die Wahl zwischen verschiedenen Modellen. Eine genaue Erklärung dazu findest du hier.
Zusätzliche Ruhetage
Sobald sich Müdigkeit, Gereiztheit oder Antriebslosigkeit bemerkbar machen, ist es besser, spontan einen Tag Pause einzulegen. Dein Körper braucht manchmal mehr Ruhe, als der Trainingsplan vorsieht. Genau hier trennt sich funktionales Overreaching von der Gefahr des Übertrainings.
Ein Pausentag bedeutet nicht, dass du dein Training verlierst. Im Gegenteil: Der Organismus nutzt die Zeit, um kleine Mikroschäden in Muskulatur und Bindegewebe zu reparieren, Energiereserven wieder aufzufüllen und das Immunsystem zu stabilisieren.
In vielen Trainingsplänen sind auch bewusst leichtere Wochen integriert, sogenannte Deloads. Dabei werden Intensität und Umfang reduziert, um dem Körper Gelegenheit zur Erholung und Anpassung zu geben. Wichtig ist, diese Entlastungswochen ernst zu nehmen, denn nur durch ausreichend Erholung kannst du deine Laufleistung verbessern.
Schlaf
Ein guter Schlaf ist die wohl wichtigste Regenerationsmaßnahme. 7 bis 9 Stunden pro Nacht gelten als ideal, denn im Tiefschlaf werden Wachstumshormone ausgeschüttet, Muskeln repariert und das Immunsystem gestärkt. Ein dauerhafter Schlafmangel ist leider einer der schnellsten Wege ins Übertraining.
Ernährung
Genauso wichtig ist die Ernährung. Wenn du viel trainierst, musst du deinen Körper auch optimal versorgen. Dabei ist eine ausreichende Energiezufuhr genauso wichtig wie eine gute Mischung aus Kohlenhydraten, Proteinen und gesunden Fetten. Auch Vitamine und Mineralstoffe sind wichtig, um Entzündungen zu regulieren und die Regeneration zu beschleunigen.
Fällt es dir schwer, dich ausgewogen und gesund zu ernähren? Unser RUNNER'S WORLD Ernährungscoaching unterstützt dich dabei! Mit diesem Tool erhältst du personalisierte Ernährungspläne, die genau auf deine Bedürfnisse und Ziele abgestimmt sind.
Kein doppelter Stress
Overreaching ist nur dann sinnvoll, wenn auch dein Umfeld dazu passt. Wenn du im Beruf oder privat aktuell sehr stark gefordert bist, solltest du besser auf zusätzliche Trainingsspitzen verzichten. Denn wenn der mentale Druck zu körperlicher Belastung hinzukommt, dann kann das geplante funktionale Overreaching schnell in eine gefährliche Überlastung kippen.
Monitoring
Auch Strategien wie das Messen der Herzfrequenzvariabilität (HRV), Ruhepulsmessungen oder ein einfaches Stimmungstagebuch können dir helfen, frühzeitig Überlastung zu erkennen und so zur Prävention beitragen. Sobald du merkst, dass die Motivation dauerhaft abfällt oder wenn die Herzfrequenz morgens erhöht bleibt, ist Vorsicht geboten. Das sind klare Warnsignale, dass dein Körper Erholung braucht.
Abwechslung
Wenn du immer „nur“ läufst, riskierst du einseitige Belastungen. Alternatives Training wie zum Beispiel Schwimmen, Radfahren oder Krafttraining entlastet beanspruchte Strukturen, schützt dich vor Verletzungen und steigert zugleich deine allgemeine Fitness.
Jährliche Pause
Natürlich braucht der Körper jede Woche ausreichend Ruhetage. Zusätzlich dazu ist aber auch eine längere Auszeit einmal im Jahr sehr sinnvoll. Auch die meisten Profis haben einmal pro Jahr – am Ende der Saison – mehrere Wochen ohne strukturiertes Training. Diese bewusst eingelegte Saisonpause von zwei bis vier Wochen ist wie ein Reset: Muskeln, Sehnen und Bindegewebe haben Zeit zu regenerieren, Energiespeicher füllen sich auf und auch mental entsteht Abstand zu deinem Trainingsalltag.
Fazit: Die richtige Dosis entscheidet
Overreaching und Übertraining liegen nah beieinander. Es gibt jedoch klare Unterschiede. Während funktionales Overreaching eine kontrollierte Überlastung ist und einen Reiz für neue Leistungssteigerungen setzt, führt Übertraining meist dazu, dass du eine längere Trainingspause einlegen musst. Der Körper kann sich nach dem zu harten Training und den fehlenden Ruhetagen nicht mehr vollständig erholen und es kann zu einer chronischen Überlastung kommen. Das zeigt sich unter anderem durch einen gestörten Schlaf, häufige Infekte oder Verletzungen.
Wenn du auf die Signale deines Körpers hörst, Trainingsphasen klug periodisierst und Erholung genauso ernst nimmst wie harte Einheiten, dann kannst du Overreaching gezielt nutzen und Übertraining vermeiden. Denk immer daran: Fortschritt und Leistungssteigerung entstehen nicht durch immer mehr Training, sondern durch die richtige Balance von Belastung und Erholung.