Laufen mit ADHS: Warum Joggen helfen kann

Sport als Therapie-Baustein
Wie Laufen Menschen mit ADHS helfen kann

ArtikeldatumVeröffentlicht am 19.11.2025
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Läufer nach dem Training
Foto: Getty Images

Wer sagt, Ruhe findet man nur im Sitzen? Für viele Menschen mit ADHS ist es eher umgekehrt. Der Alltag ist oft laut: viel Chaos, Ablenkung, zu viele Reize. Laufen hilft, den Kopf freizubekommen. Wir zeigen dir, wie Laufen als natürliche Bremse funktionieren kann, welche Herausforderungen es dabei gibt und warum der Sport zwar keine Wunderheilung, aber oft der entscheidende Anker im Alltag ist.

Warum Sport und Bewegung bei ADHS helfen

Hinter dem Kürzel ADHS verbirgt sich die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Dabei handelt es sich um eine neurobiologische Besonderheit, die vom Kindes- bis ins Erwachsenenalter auftreten kann. Sie äußert sich vor allem durch Auffälligkeiten in drei zentralen Bereichen:

  • starke Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen,
  • starke Impulsivität und
  • ausgeprägte körperliche Unruhe (Hyperaktivität).

Sport aktiviert genau die Botenstoffe, die für Aufmerksamkeit, Motivation und emotionale Stabilität entscheidend sind, insbesondere Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Bei ADHS ist die Regulation dieser Neurotransmitter häufig beeinträchtigt. Regelmäßige Bewegung kann dieses Defizit teilweise ausgleichen und die Reizweiterleitung im Gehirn spürbar verbessern. Das spürt man meist schon nach einer Einheit: Die Konzentration fällt leichter, die innere Unruhe nimmt ab, Impulse lassen sich besser steuern. Mit den Wochen stabilisieren sich Stimmung und Antrieb weiter und der Schlaf wird tiefer und erholsamer, ein wichtiger Punkt für den Alltag und deine mentale Gesundheit. Gleichzeitig unterstützt Bewegung auch den Stressabbau und du bekommst durch regelmäßiges Training eine wichtige Struktur in deinen Tag.

Laufen als idealer Sport für Menschen mit ADHS

Neben dem Fakt, dass Laufen für einen sofortigen Anstieg dieser wichtigen Neurotransmitter sorgt, gibt es noch weitere Gründe, warum genau Laufen ideal für Menschen mit ADHS ist. Viele Betroffene kämpfen mit Symptomen wie Entscheidungsmüdigkeit (Decision Fatigue) sowie Schwierigkeiten bei Planung und Organisation. Komplexe Sportarten mit viel Ausrüstung, festen Teamzeiten oder komplizierten Regeln können schnell zu Überforderung führen. Laufen ist dagegen radikal simpel: Schuhe an, Tür auf, los. Diese niedrige Einstiegshürde kann für viele sehr hilfreich sein.

Auch tun sich viele Menschen mit ADHS schwer mit klassischer Meditation oder anderen Entspannungsübungen, bei denen man still sitzen sollte. Laufen kann sozusagen als „Achtsamkeit in Bewegung“ gesehen werden. Du kannst den Fokus auf den Atem, den Bodenkontakt und den Rhythmus legen. So zwingst du dein Gehirn ins Hier und Jetzt. Das Gedankenkarussell wird verlangsamt, weil der Körper beschäftigt ist, der Kopf aber einfach abschalten kann, ohne sich auf komplexe Aufgaben konzentrieren zu müssen.

Das Gehirn einer Person mit ADHS liebt Belohnungen, und zwar sofort, nicht erst in ein paar Jahren. Betroffene haben oft Schwierigkeiten mit langfristigen Zielen ohne Zwischenergebnisse. Laufen ist extrem gut messbar. GPS-Uhren und Apps wie Strava liefern ein sofortiges Feedback. Das Sammeln von Kilometern oder das Schlagen der eigenen Bestzeit kann die Motivation bei ADHS enorm verbessern. Doch hier musst du auch vorsichtig sein. Menschen mit ADHS sind anfälliger für Suchtverhalten. Diese Veranlagung kann dazu führen, dass die Grenze zwischen Spaß und einer Obsession verschwimmt.

Positive Effekte von Laufen auf ADHS

Wer mit ADHS läuft, trainiert nicht nur die Beine, sondern auch den Teil des Gehirns, der für Planung, Impulskontrolle und Fokus zuständig ist und bei ADHS oft im „Ruhemodus“ verweilt. Die Vorteile von Laufen können sogar deinen Alltag spürbar verändern.

1

Der Effekt danach

2

Emotionsregulation und Stressabbau

3

Besserer Schlaf

4

Gesteigertes Selbstbewusstsein

Fehler und Herausforderungen beim Laufen mit ADHS

Die neurobiologischen Besonderheiten können auch für typische Schwierigkeiten sorgen. Wenn du diese Muster jedoch kennst, dann kannst du diese Stolpersteine austricksen und überwinden, statt daran zu scheitern. Neben den Herausforderungen findest du hier auch Lösungen und Tipps für ein erfolgreiches Lauftraining mit ADHS.

1

Das „Alles-oder-Nichts“-Prinzip

2

Impulsivität

3

Langeweile

4

Inkonsistenz

5

Organisations-Stress

Kinder mit ADHS und Laufen – worauf muss ich achten?

Ein kritischer Punkt ist die realistische Selbstwahrnehmung. Kinder und Jugendliche mit ADHS merken im Eifer des Gefechts oft nicht, wann ihre eigenen Grenzen erreicht sind oder wann sportlicher Ehrgeiz in ungesunden Druck umschlägt. Eltern sollten daher wachsam beobachten, ob das Laufen dem Kind wirklich guttut oder ob der Wetteifer zusätzlichen Stress oder Überforderung verursacht. Auch in Laufgruppen birgt die typische Impulsivität Risiken: Plötzliche Regelverstöße oder unbedachte, aggressive Reaktionen können die Verletzungsgefahr für alle Beteiligten erhöhen. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist Transparenz entscheidend. Informiere die Trainerin oder den Betreuer vorab offen über die Diagnose, damit diese das Verhalten richtig einordnen können, oder vereinbare idealerweise einige Probestunden. So lässt sich ohne Verpflichtung testen, ob die Chemie in der Gruppe stimmt.

Laut einer Untersuchung ist auch entscheidend, in welcher Umgebung Kinder mit ADHS laufen. Eine Studie verglich die Konzentrationsfähigkeit von Kindern mit ADHS nach Spaziergängen in verschiedenen Umgebungen. Das Ergebnis: Schon 20 Minuten Bewegung im Grünen (Park/Wald) verbesserten die Konzentration signifikant stärker als die gleiche Bewegung in einer städtischen Umgebung oder Wohnsiedlung. Die Forscher stellten außerdem fest, dass der Effekt in seiner Stärke vergleichbar war mit der Wirkung gängiger ADHS-Medikamente (Methylphenidat).

Wichtig: Sport allein reicht bei einer ADHS nicht als Therapie. Vielmehr wirkt er erst richtig mit anderen Maßnahmen zusammen, zum Beispiel mit einer Verhaltenstherapie oder psychologischer Betreuung.

Wichtige Fragen zu Laufen mit ADHS

Fazit