Geschafft! Läufst du nach stundenlanger Belastung über die Ziellinie eines Ultramarathons, setzt oft schlagartig die Erschöpfung ein. Auf den letzten Kilometern hat dich die Euphorie getragen, die Strecke bald bewältigt zu haben. Sobald das Hochgefühl weg ist, fordert der Körper sein wohlverdientes Recht auf Erholung ein. Jetzt gilt es, möglichst schnell die Regeneration nach dem Ultra einzuleiten. Aber wie genau lassen sich die Speicher am besten auffüllen, wie viel Pause ist nötig und wie sieht der Wiedereinstieg ins Training aus? Mit diesen Maßnahmen rund um Ernährung und Erholung kommst du gesund und munter zurück in deine Laufroutine.
Die ersten 24 Stunden nach dem Ultramarathon – wie unterstütze ich meine Regeneration durch Ernährung und Supplements?
Direkt nach getaner „Arbeit“ sind die Schleusen im Körper sperrangelweit offen, um die verlorenen Nährstoffe zu ersetzen. Die Wissenschaft nennt dieses Phänomen „Window of Opportunity“ – was du in diesem Zeitraum isst und trinkst, wird direkt für die nötigen Regenerations- und Reparaturprozesse verwendet. In den ersten vier Stunden nach Ende der Belastung lässt sich der entleerte Muskelglykogenspeicher mit Kohlenhydraten optimal auffüllen. Nach Proteinen giert das Muskelgewebe sogar bis zu 48 Stunden lang. Und um die verlorene Flüssigkeit nebst Mineralstoffen und Spurenelementen zu ersetzen, sind die ersten 12 Stunden entscheidend.
Wie viel sollte ich essen und trinken?
Empfehlenswert sind folgende Mengen:
Kohlenhydrate
Iss direkt im Ziel 1 bis 1,2 g Carbs pro kg Körpergewicht – das regt die muskulären Glykogenspeicher zur Wiederauffüllung an. Ab Stunde 5 flacht diese Resyntheserate ab und du hast bis zu 48 Stunden Zeit, den Füllstand auf das Maximum zu bringen. Idealerweise greifst du in der ersten Phase zu einfachen, schnell verfügbaren Kohlenhydraten, etwa aus Bananen, Weißbrot, Sportgetränken oder Energieriegeln. In Phase zwei sind komplexe Carbs aus Vollkornbrot, -reis oder -nudeln, Haferflocken oder Hülsenfrüchten eine gute Wahl.
Proteine
Nimm möglichst bald nach dem Ultralauf etwa 0,3 g Eiweiß pro kg Körpergewicht zu dir, am besten alle 3 bis 4 Stunden. Aminosäuren unterstützen die Muskelreparatur und reduzieren die Abbauprozesse im Körper. Proteinpulver oder -riegel mit einer Kombination aus schnell verfügbarem Whey-Protein und langsam verdaulichem Casein sind optimal. Baue in deine ersten Mahlzeiten mageres Fleisch, Tofu, Tempeh, Fisch, Quark, Hüttenkäse, Eier, Hülsenfrüchte, Harzer Käse und Nüsse ein. Ernährst du dich vegan, ist anfangs Erbsen- oder Sojaproteinisolat gut geeignet, später auch Reis-, Hanf- und Kürbiskernprotein.
Fette
Sie spielen in der unmittelbaren Regeneration nach einem Ultramarathon eine untergeordnete, aber nicht unwichtige Rolle. So fördern sie die Aufnahme fettlöslicher Vitamine (E, D, K, A) und stabilisieren den Blutzucker. Vor allem Omega-3-Fettsäuren hemmen Entzündungen, die nach intensiven körperlichen Belastungen vermehrt auftreten. Ein Esslöffel Fisch- oder Algenöl in den ersten 4 Stunden nach dem Finish hilft bereits. Nach 6 Stunden können ca. 20 bis 35 % der Kalorien aus Fetten bestehen.
Rehydrierung
Bevorzuge bei der Zielverpflegung Elektrolytgetränke, um zeitnah mit dem Schweiß verlorengegangenes Natrium, Kalium, Magnesium und Kalzium zu ersetzen. 1,2 bis 1,5 Liter in den ersten 2 Stunden sind ein Richtwert. Nach Hitzeschlachten darf es auch deutlich mehr sein.
Welche Regenerationsmaßnahmen helfen nach dem Ultra-Finish?
Die berühmte Eistonne oder ein kalter Bach können nach großer Anstrengung durch die gefäßverengende Wirkung Schwellungen und Entzündungen reduzieren sowie Laktat abbauen. Da sich die Nervenleitgeschwindigkeit verringert, hast du weniger Muskelkater. Metanalysen zeigen, dass 10- bis 15-minütige Ganzkörper- oder Teilbäder bei 10 bis 12 °C direkt nach dem Lauf und bis zu 24 Stunden später die subjektiven Schmerzwerte um bis zu 30 % gegenüber passiver Regeneration senken können. Die Temperatur muss also gar nicht so niedrig sein wie bei einem richtigen Eisbad. Alternativ reduziert auch eine Massage die Entzündungsmarker – und tut einfach gut. Nimm entsprechende Angebote im Finish-Bereich also gerne in Anspruch oder lege selbst Hand an.
War es ein Kälte- und/oder Regenrennen, steht dir der Sinn sicher eher nach Wärme. Heiße Bäder oder Saunagänge tun zwar gut, empfehlen sich aber im Hinblick auf eine schnelle Regeneration nach dem Ultramarathon frühestens 12, besser erst 48 Stunden nach dem Finish. Warum? Weil Wärme die akuten Entzündungsprozesse noch verstärken kann. Nach ein bis zwei Tagen steigert die erhöhte Blut- und Lymphzirkulation dagegen den Nährstofftransport und beschleunigt den Abbau von Entzündungsmediatoren.
Aktive Regeneration regt 6 bis 12 Stunden nach deinem Rennen die Durchblutung an, wodurch Entzündungsstoffe leichter abtransportiert werden. Gehe 20 bis 30 Minuten ganz locker spazieren, schwimmen oder Rad fahren – wenn dir danach ist. Sich zu etwas zu zwingen, bringt hier gar nichts. Das gilt auch für sanftes Dehnen und Ausrollen der Muskeln mit einer Faszienrolle. Starke Schmerzen solltest du hierbei nicht haben, das wäre kontraproduktiv für die Erholung.
Neben einem möglichst guten, mindestens 8-stündigen Nachtschlaf sind Powernaps eine gute Idee. Ist es für dich machbar, dann baue tagsüber ruhig kleine Nickerchen von höchstens 30 Minuten Dauer ein.
Schließlich kann nach dem Wettkampf getragene Kompressionskleidung die Regeneration subjektiv fördern. Ob das auch objektiv der Fall ist, ist umstritten. Lymphdrainagen dagegen wirken nachweislich. Dafür kannst du eine Physiotherapie aufsuchen oder ein Luftmassagegerät („Recovery Boots“, „VenenWalker“) nutzen.
Die erste Woche nach dem Ultramarathon: die Übergangsphase
Sind die ersten 24 Stunden nach der Langdistanz überstanden, schließen sich an die akuten Regenerationsmaßnahmen weitere an. Ab Tag 3 kannst du wieder mit leichtem Training beginnen. Höre hier aber gut in deinen Körper hinein und lege im Zweifel noch ein, zwei Tage länger die Beine hoch. Die Übergangsphase bis zum Wiedereinstieg in ein strukturiertes Training kann wie folgt aussehen:
- Leichtes bis moderates Training: 20 bis 45 Minuten lockeres Joggen oder Alternativtraining bei weniger als 65 % der maximalen Herzfrequenz (HFmax). Ab Tag 5 ggf. erste Kurzintervalle (z. B. 6 x 1 Minute bei 75 % HFmax, dazwischen 1 Minute Trabpause) – aber nur, wenn sich die Beine gut anfühlen und du schmerzfrei bist!
- Mobilität und Kraft: Dehnen für 15 bis 20 Minuten, Übungen mit der Faszienrolle für je 1 bis 2 Minuten pro Muskelgruppe. Leichtes Krafttraining mit dem Körpergewicht oder sehr leichten Gewichten, 2 × 10 bis 15 Wiederholungen, Fokus auf Rumpf- und Beinstabilität.
Zurück ins Training nach dem Ultramarathon: der Wiedereinstieg
Ab Woche 2 nach deinem Langstreckenlauf kannst du wie gewohnt weitertrainieren und in einen Trainingsplan einsteigen. Ziel ist es, Belastung, Umfang und Intensität so zu steuern, dass sich Erholung und Anpassung optimal die Waage halten. Fühlst du dich noch sehr müde und erschöpft, baust du einfach eine weitere Übergangswoche ein. Bei der Gestaltung des Trainingsplans solltest du unbedingt auf die methodischen Grundprinzipien achten, damit du dich nicht überlastest und Verletzungen riskierst. Was dir vor dem Wettkampf als pillepalle erschien, kann jetzt genau die richtige Dosis sein. Jede Art von sehr hartem oder gar Übertraining ist in dieser kritischen Phase zu vermeiden.
Erhöhe den Umfang nur um maximal 10 % pro Woche und setze intensive Einheiten sehr dosiert ein. Ein Ruhetag ist das Minimum, als Master Ü50 sind zwei oder drei besser. Achte insgesamt weiterhin auf eine gute Erholung zwischendurch und behalte die regenerationsfördernden Maßnahmen aus Woche 1 bei.
Und so kann ein Wiedereinstiegsplan nach dem Ultra aussehen:
Bei diesem Wochenplan handelt es sich um einen Vorschlag. Je nach Länge und Art des Ultramarathons (flach oder bergig), deinem Alter und deiner sonstigen familiären und beruflichen Belastung kann er auch ganz anders aussehen.
Mentale Regeneration nach dem Ultramarathon – oft unterschätzt, aber genauso wichtig
Nach einer Leistung wie einem Ultralauf ist auch der Kopf leer. Nicht selten stürzen Läuferinnen und Läufer in ein regelrechtes mentales Loch, sobald der Wettkampf absolviert ist. Die wochenlange Vorbereitung fällt weg – was nun? Fühlst du dich müde und unmotiviert, können gezielte Maßnahmen für die mentale Erholung helfen.
Zunächst einmal ist es ratsam, nicht sofort das nächste Ziel anzuvisieren, sondern den Wettkampf zu reflektieren. Was lief gut, was weniger und was lernst du daraus? Schreibe es am besten zeitnah nach dem Rennen auf, wenn die Erlebnisse noch frisch sind. Das hilft dir auch bei der emotionalen Verarbeitung, ebenso wie ein Austausch mit anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Kommst du nach dem Ultramarathon nicht zur Ruhe, sind Meditationen, Atemübungen, progressive Muskelentspannung oder Yoga gute Entspannungstechniken, um dein Nervensystem zu regulieren. Motivationstiefs überwindest du besser, wenn du dich gezielt auf andere Tätigkeiten konzentrierst. Musik hören oder machen, malen, lesen oder was auch immer du gern in der Freizeit tust, lässt dich Abstand vom Laufen gewinnen und neue Lust darauf entwickeln.
Auch ein strukturiertes Mentaltraining in Profimanier kann ein Weg aus dem Loch sein. Die Visualisierung von tollen Lauferlebnissen und positive Affirmationen statt kritischer Gedanken bringen dich wieder in die Spur. Mäkele also nicht penibel an deiner Leistung herum („Am letzten Anstieg hätte ich mehr herausholen können“), sondern fokussiere dich auf das große Ganze („Mein Körper hat Großartiges geleistet und jetzt gönne ich mir Ruhe“).
Was sind häufige Fehler bei der Regeneration nach dem Ultramarathon?
In der ersten Woche nach der Ultradistanz drosseln manche Läuferinnen und Läufer die Kalorienzufuhr – aus Angst, durch das wegfallende Training zuzunehmen. Dadurch kann die Erholung deutlich länger dauern, weil dem Körper wichtige Nährstoffe fehlen. Insbesondere ein Proteinmangel blockiert die Muskelregeneration und kann sogar zu Abbauprozessen führen. Mache also in der Woche nach der Langdistanz auf keinen Fall eine Diät und iss auch nicht zu viel Junk Food – Süßigkeiten sind natürlich erlaubt, aber der Schwerpunkt sollte auf vitalstoffreicher Kost liegen.
Ein weiterer Fehler kann es sein, zu früh wieder intensiv zu trainieren. Die erste Woche nach dem Ultra gehört der Regeneration. Lockere Aktivitäten sind dabei förderlicher als völlige Inaktivität. Anders sieht es aus, wenn du verletzungsbedingte Schmerzen hast. Mache dann eine komplette Pause, bis die Verletzung auskuriert ist – sonst verschleppts du das Problem.
Auch Schlaf wird gerne unterschätzt, ist aber ein ganz entscheidender Regenerationsfaktor. Aus diesem Grund solltest du eine späte Abreise nach dem Finish vermeiden und lieber früh ins Bett gehen. Auch wenn du durch die Belastung meistens nur schlecht schlafen kannst, verkürzt du so die Regenerationsphase – und die Unfallgefahr, falls du selbst am Steuer sitzt.
Viele machen sich um den Blues nach dem Rennen keine Gedanken, dabei kannst du dir schon davor Gegenmaßnahmen überlegen. Setze dir langfristige Anschlussziele und entwirf einen Plan für Regenerationsroutinen, aber ohne Druck: Gerade nach einem gefühlt schlechten Ergebnis neigen Sportlerinnen und Sportler dazu, zu schnell wieder ins volle Training einzusteigen.
Und schließlich solltest du die Erwartungen an regenerative Maßnahmen nicht zu hoch schrauben. Kältebäder, Massagen, Dehnen und Co. sind keine Wundermittel – wichtiger sind die Grundlagen wie Ernährung, Schlaf und sanfte Bewegung.
5 Fragen und Antworten zur Regeneration nach einem Ultramarathon
Wie lange sollte man nach einem Ultramarathon pausieren?
Sportwissenschaftler und erfahrene Trainer raten, nach einem Ultramarathon mindestens 7 bis 10 Tage komplett auf strukturiertes Lauftraining zu verzichten. Diese Zeit braucht der Körper, um muskuläre Mikrotraumen auszuheilen und die Ermüdung auszugleichen. In manchen Fällen sind bis zu 14 Tage völlige Laufpause sinnvoll, bevor du mit sehr lockerem Wiederaufbautraining beginnst.
Was hilft gegen Muskelkater nach einem Ultra?
Aktive Regeneration in Form von Spaziergängen oder lockerem Radfahren, das Ausrollen der Faszien sowie punktuelle Kältebäder (10 bis 12 °C, 10 bis 15 Minuten) reduzieren Muskelkater am effektivsten. Ergänzend kann eine einmalige leichte Sportmassage in den ersten 24 Stunden das Schmerzempfinden lindern.
Sind Müdigkeit und Antriebslosigkeit nach einem Ultra normal?
Ja, erhöhte Erschöpfung und fehlende Motivation sind typisch – sowohl körperlich durch den Glykogenmangel und Muskelschäden als auch mental durch die hohe Stressbelastung. Sie klingen meist innerhalb von 7 bis 10 Tagen ab, wenn du Schlaf, Ernährung und mentaler Erholung genügend Raum gibst.
Wann kann ich wieder intensivere Einheiten einbauen?
Intensive Schwellen- oder Intervallläufe sollten frühestens ab Tag 10 bis 14 stattfinden, wenn keine starken Muskelschmerzen mehr bestehen. Nimmst du entsprechende Messungen vor, geben dir dein Ruhepuls und die HRV objektive Anhaltspunkte, ob du so weit bist: Sie sollten wieder auf dem Vorwettkampfniveau liegen.
Muss ich in der ersten Woche komplett auf Sport verzichten?
Nein, das ist sogar eher kontraproduktiv für die Regeneration. Leichte, nicht belastende Aktivitäten wie Schwimmen, Radfahren oder Yoga fördern den Stoffwechsel und den Abtransport von Entzündungsstoffen besser als völlige Inaktivität.
Fazit: Mach mal Pause – Erholung nach dem Ultra ist essenziell
Hochzufrieden mit dem Laufergebnis oder zu Tode betrübt, dass die Erwartungen nicht erfüllt wurden: In beiden Fällen neigen leidenschaftliche Langstreckler dazu, sich zu früh ins nächste Abenteuer zu stürzen. Die Regeneration nach dem Ultramarathon wird verkürzt, um möglichst schnell wieder an der Startlinie zu stehen. Das kann böse Folgen haben, denn mangelnde Erholung laugt den Körper aus und begünstigst Verletzungen. Auch die mentale Komponente ist nicht zu unterschätzen – Leistungsdruck erzeugt Dauerstress und der ist immer ungesund. Nimm dir also die Zeit, die dein Körper für die Wiederherstellung seiner vollen Leistungskraft braucht und unterstütze ihn mit gezielten Regenerationsmaßnahmen.