Die Erstellung eines Trainingsplans beginnt mit der Festlegung des Ziels, das Sie damit erreichen wollen. Aber damit ist es nicht getan. Wenn Sie zum Beispiel im Herbst 2020 beim Berlin-Marathon eine neue Bestzeit aufstellen wollen, könnte man denken, dass es genügen würde, sich den entsprechenden Termin im September rot im Kalender anzustreichen und sich dann wieder hinzulegen. Bis dahin ist ja noch viel Zeit. Viel klüger wäre es aber, wenn Sie ganzjährig auf Ihr großes Ziel hinarbeiteten – so wie die Profis es tun.
Die meisten Trainingspläne beschränken sich auf einen Zeitraum von rund drei Monaten, in dem alles gerichtet werden soll, was zuvor im Jahr vernachlässigt wurde. Sprich: Das Frühjahr und den Sommer über läuft man planlos vor sich hin und beginnt genau zwölf Wochen vor dem Tag X ernsthaft zu trainieren. Der Haken an dieser Strategie: Es darf jetzt nichts schiefgehen. Damit das Ziel mit dieser geballten Vorbereitung auch wirklich erreicht wird, muss in den zwölf Wochen wirklich alles glatt laufen. Man darf kaum ein Training ausfallen lassen und sich nicht verletzten.
Erfahrene Läufer und Laufprofis beziehungsweise deren Trainer gehen anders vor. Sie unterteilen den Weg zum Hauptziel der Saison in systematisch aufeinander aufbauende Trainingsphasen, die den Läufer sehr viel gründlicher auf sein Ziel vorbereiten als das übliche Zwölf-Wochen-all-inclusive-Programm. Die Experten sprechen von einer „Periodisierung“ des Trainings. Die einzelnen Phasen unterscheiden sich dabei einerseits durch die angesetzten Trainingsumfänge (wie viele Kilometer pro Tag, pro Woche und pro Monat gelaufen werden sollen), andererseits durch die Intensitäten, also effektiv durch das anzuschlagende Lauftempo beziehungsweise in unseren Plänen durch die dabei gemessene Herzfrequenz.
In der ersten Phase der Periodisierung werden die Grundlagen für einen Ausbau der Leistungsfähigkeit gelegt. Dieser Trainingsabschnitt heißt Vorbereitungsphase I. Darauf folgt die sogenannte Vorbereitungsphase II, in der die individuellen Leistungsmöglichkeiten herausgekitzelt werden. Letzter Schritt vor dem Tag X ist eine kurze Erholungsphase. Dieser dritte Abschnitt nennt sich schlicht und einfach Wettkampfphase. Wann welche Trainingsphase eingeleitet wird, hängt vor allem vom Termin Ihres Trainingsziels ab. Die meisten und auch die größten Marathonläufe finden im Frühjahr und Herbst statt, wenn es noch nicht oder nicht mehr zu heiß zum ambitionierten Laufen ist (wie im Sommer), aber auch nicht zu kalt. Die traditionelle Wettkampfsaison für kürzere Straßen- und Bahnrennen dagegen erstreckt sich ohne größere Unterbrechung von April und bis Ende Oktober.
Dauer: 12 bis 16 Wochen
Trainingsinhalt: Ausdauertraining ohne intensive Trainingsreize
Worum geht’s? Das Hauptaugenmerk der ersten Vorbereitungsphase liegt auf der Ausbildung der aeroben Kapazität. Sprich: Das Training zielt darauf ab, die Mechanismen der Energiebereitstellung und des Sauerstofftransports im Körper zu verbessern. Daher werden über 70 Prozent des Trainings im ruhigen Dauerlauftempo absolviert. Charakteristisch für ein solches aerobes Grundlagentraining sind Belastungen in einem Bereich von 70 bis 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Aber Vorsicht: Da die maximale Herzfrequenz von einer Reihe hoch individueller Faktoren abhängt, lässt sie sich nicht anhand von Formeln ermitteln, sondern nur durch einen Belastungstest (Anleitung: siehe Kasten am Ende des Textes).
Montag | 50 Min. lockerer Dauerlauf (Puls etwa 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz) |
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Dienstag | Leicht belastende Bergaufläufe (etwa 8 x 300–400 m zügig bergauf, abwärts langsam traben) |
Mittwoch | 80 Min. langsamer Dauerlauf (70–75 % HFmax) |
Donnerstag | Ruhetag |
Freitag | 60 Min. Fahrtspiel (= wechselndes Tempo nach Gefühl) |
Samstag | 50 Min. lockerer Dauerlauf (ca. 80 % HFmax) |
Sonntag | 90–120 Min. langsamer Dauerlauf (70–75 % HFmax) |
Extratipp: Am Mittwoch und/oder Sonntag nach den langsamen Läufen fünf bis sechs 100-Meter-Steigerungsläufe machen. Dabei wird das Tempo vom langsamen Trab bis zum Sprint über eine Distanz von 100 Metern kontinuierlich gesteigert. Das heizt die Muskulatur an, bringt demnach ein bisschen Schnelligkeit und verbessert die Laufökonomie. Und das alles, ohne das Herz-Kreislauf-System besonders zu belasten.
Montag | 40 Min. lockerer Dauerlauf (ca. 80 % HFmax) |
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Dienstag | Alternativtraining (Schwimmen, Radfahren, Skaten et cetera) |
Mittwoch | 60 Min. lockerer Dauerlauf (ca. 80 % HFmax) |
Donnerstag | Ruhetag |
Freitag | 50 Min. Fahrtspiel (wechselndes Tempo nach Gefühl) |
Samstag | Ruhetag oder Alternativtraining |
Sonntag | 80 Min. langsamer Dauerlauf (70–75 % HFmax) |
Wichtig: Vernachlässigen Sie nicht das Krafttraining. Läufer brauchen zwar keinen dicken Bizeps und auch nicht unbedingt einen V-förmigen Rücken, aber eine starke Rumpfmuskulatur stabilisiert beim Laufen den ganzen Körper und bewahrt Sie dadurch vor vorzeitiger Ermüdung. In der Vorbereitungsphase I bietet es sich daher an, parallel zum Ausdauerlauftraining ein leichtes Krafttraining zu absolvieren. Mehr als zehn Prozent des Gesamttrainingsumfangs sollte die Kräftigung der Bein- und Rumpfmuskulatur allerdings nicht in Anspruch nehmen.
Dauer: 10 bis 12 Wochen
Trainingsinhalt: Ausdauertraining mit intensiven Trainingsreizen
Worum geht’s? In dieser Trainingsphase verschiebt sich der Fokus von der Länge der Läufe auf die Intensität der Belastungen. Es geht darum, den Körper daran zu gewöhnen, ein hohes Tempo, wie es etwa im Wettkampf angeschlagen wird, über längere Zeit aufrechtzuerhalten. Dazu muss im Training eine etwas härtere Gangart eingelegt werden. Mit Tempodauerläufen (eine Intensität von rund 90 Prozent der maximalen Herzfrequenz wird über 20 bis 45 Minuten gehalten) und Wiederholungsläufen (Tempoläufe im Renntempo oder schneller mit kurzen Trabpausen) werden neue Trainingsreize gesetzt, die körperliche Anpassungsprozesse auslösen und so zu einer höheren Leistungsfähigkeit führen.
Wichtig: Umfang und Intensität dieser stärker belastenden Trainingseinheiten müssen langsam gesteigert werden, weil die Anpassungsprozesse im Körper und vor allem die dazu nötige vorangehende Regeneration Zeit erfordern. Daher nimmt das intensive Training nur etwa 40 Prozent des Gesamttrainingsumfangs ein, während etwa 60 Prozent des Trainings weiterhin sogenannten aeroben Laufbelastungen (so nennt man Trainingsläufe niedriger Intensität, bei denen eine Unterhaltung immer möglich ist) vorbehalten bleiben. Intensive Trainingsreize wechseln sich im Wochenverlauf mit lockeren Einheiten ab.
Montag | 50 Min. lockerer Dauerlauf (80 % der HFmax) |
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Dienstag | 5–8 x 1000 m im 10-km-Renntempo (mit je 600 m Trabpause) |
Mittwoch | 40 Min. langsamer Dauerlauf (70–75 % HFmax) |
Donnerstag | Ruhetag |
Freitag | 25–45 Min. schnell (90 % HFmax) mit Ein- und Auslaufen |
Samstag | 50 Min. lockerer Dauerlauf (80 % HFmax) |
Sonntag | 90 Min. langsamer Dauerlauf (70–75 % HFmax) |
Montag | 40 Min. lockerer Dauerlauf (ca. 80 % HFmax) |
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Dienstag | 8–10 x 400 m (mit je 200 m Trabpause) |
Mittwoch | 40 Min. lockerer Dauerlauf (ca. 80 % HFmax) |
Donnerstag | Ruhetag |
Freitag | 25–45 Min. schnell (90 % HFmax) mit Ein-und Auslaufen |
Samstag | Ruhetag |
Sonntag | 60 Min. langsamer Dauerlauf (70–75 % HFmax) |
Wichtig: Zusätzlich zum intensiven Training auf der Bahn kann auch ein Hügeltraining als intensive Belastung durchgeführt werden.
Dauer: 2 bis 12 Wochen
Trainingsinhalt: geringer Umfang und einige Intensitätssp(r)itzen
Worum geht’s? Nach Abschluss der Vorbereitungsphase II haben Sie alles getan, um am Tag X in optimaler körperlicher Verfassung zu sein. Fast alles. Noch sind Sie nicht bereit für das Rennen. Ihr Körper benötigt noch ein bisschen Zeit, um die Trainingsbelastungen der letzten Wochen und Monate zu verarbeiten. Abhängig von Ihrem Hauptziel dauert diese letzte Phase der Vorbereitung zwei Wochen bis drei Monate. Wenn Sie auf einen Marathon hintrainieren, ist die Wettkampfperiode üblicherweise genau zwei Wochen lang. Nutzen Sie diese Zeit zur Regeneration, damit Ihr Körper wieder zu Kräften kommt, und verringern Sie rigoros sowohl den Umfang als auch die Intensität des Trainings.
Wenn Sie hingegen eine komplette Wettkampfsaison mit mehreren kürzeren Straßen- oder Bahnwettkämpfen absolvieren möchten, so können Sie nach einer gelungenen Vorbereitung (Phase I und II) die Form in der Regel über einen Zeitraum von ungefähr zwei bis drei Monaten halten. Mehr als 60 Prozent des gesamten Trainingsumfangs bestehen in dieser Zeit aus lockeren Dauerlaufeinheiten zur Aufrechterhaltung der aeroben Grundlagenausdauer. (Man könnte auch von aktiver Erholung sprechen.) 15 Prozent sind dem Intervalltraining gewidmet, um Schnelligkeit, Spritzigkeit sowie Stehvermögen aufrechtzuerhalten. Und die restliche Zeit verbringen Sie mit Ihren Wettkämpfen.
Montag | 30 Min. lockerer Dauerlauf (80 % HFmax) |
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Dienstag | 5 km im Marathon- Renntempo mit Ein- Und Auslaufen |
Mittwoch | Ruhetag |
Donnerstag | 30 Min. langsamer Dauerlauf (70–75 % HFmax) |
Freitag | 30 Min. langsamer Dauerlauf (70–75 % HFmax) |
Samstag | Ruhetag |
Sonntag | Marathon-Wettkampf |
Montag | 40 Min. lockerer Dauerlauf (80 % HFmax) |
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Dienstag | 4 x 1000 m im 10-km-Renntempo (mit 600 m Trabpause) mit Ein- und Auslaufen |
Mittwoch | Ruhetag |
Donnerstag | 30 Min. lockerer Dauerlauf (80 % HFmax) |
Freitag | 30 Min. lockerer Dauerlauf (80 % HFmax), anschließend drei 80-m-Steigerungen |
Samstag | Ruhetag |
Sonntag | Marathon-Wettkampf |
Dauer: 4 bis 8 Wochen
Trainingsinhalt: reduzierter Laufumfang; keine Intensitäten; Wechsel zu alternativen Sportarten (etwa Rennrad, Skaten)
Worum geht’s? Auf jeden Wettkampf folgt die Regeneration. Der Gesamtumfang des Trainings sollten in dieser Phase nicht mehr als 20 bis 30 Prozent der Haupttrainingswochen betragen. Wenn Sie also in der Saison bis zu 60 Kilometer pro Woche gelaufen sind, sollten Sie in der Regenerationsphase nur zwischen 10 und 20 Kilometer pro Woche laufen.Das regenerative Training lässt Ihren Körper wieder zu Kräften kommen und auch Ihre Psyche gewinnt Abstand vom Trainingsalltag.
Wichtig: Ziel der Regenerationsphase ist eine völlige Erholung des Muskel-, Skelett- und Herz-Kreislauf-Systems. Damit geht ein gewisser Leistungsabbau einher, doch das ist ein Zeichen für Erholung. Sie müssen aber nicht befürchten, in dieser Phase Ihre Leistungsfähigkeit komplett zu verlieren. Keinesfalls sollten Sie auf diese Phase verzichten oder sie abkürzen! Studien zufolge können Sie mit leichter sportlicher Betätigung (Stichwort „aktive Erholung“) in der Regenerationsphase dafür sorgen, dass Ihre maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit, der wichtigste Parameter der Ausdauerleistungsfähigkeit, sogar voll erhalten bleibt.
... im Frühjahr und Sommer an kurzen Straßenläufen (10 Kilometer etc.) teilnehmen wollen
Oktober bis November: Regenerationsphase
Dezember bis Februar: Vorbereitungsphase I
März bis Mai: Vorbereitungsphase II
Juni bis August: Wettkampfperiode (kürzere Straßenläufe)
… im Frühjahr einen Marathon laufen wollen
Oktober: Regenerationsphase
November bis Januar: Vorbereitungsphase I
Februar bis Mitte April: Vorbereitungsphase II (= Marathontraining)
Mitte April bis Ende April: Wettkampfperiode (= unmittelbare Marathon-Vorbereitung)
Ende April: Marathon
… im Herbst einen Marathon laufen wollen
Oktober bis November: Regenerationsphase
Dezember bis Februar: Vorbereitungsphase I
März bis Mai: Vorbereitungsphase II
Juni: Wettkampfperiode (kürzere Straßenläufe)
Juli bis Mitte September: Vorbereitungsphase II (= Marathontraining)
Mitte September bis Anfang Oktober: Wettkampfperiode (= unmittelbare Marathon-Vorbereitung)
Oktober: Marathon
… im Frühjahr und im Herbst einen Marathon laufen wollen
Oktober: Regenerationsphase
November bis Januar: Vorbereitungsphase I
Februar bis Mitte April: Vorbereitungsphase II (= Marathontraining)
Mitte April bis Ende April: Wettkampfperiode (= unmittelbare Marathon-Vorbereitung)
April: Marathon
Mai: Regenerationsphase
Juni: (verkürzte) Vorbereitungsphase I
Juli bis Mitte September: Vorbereitungsphase II (= Marathontraining)
Mitte September bis Anfang Oktober: Wettkampfperiode (= unmittelbare Marathon-Vorbereitung)
Oktober: Marathon