Erschöpfung und Lauftraining
Soll ich laufen, auch wenn ich müde bin?

Zu müde fürs Training? Was Sie beim Laufen beachten sollten, wenn Sie sich erschöpft und müde fühlen. Plus: Tricks zum Wachwerden.
Was Sie beim Laufen beachten sollten, wenn Sie sich erschöpft und müde fühlen.
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Grundsätzlich ist es natürlich überhaupt keine Frage: Erschöpft zu laufen macht keinen Spaß. Schon alleine deshalb sollten Läuferinnen und Läufer sich gut überlegen, wann für sie persönlich die beste Tageszeit zum Laufen ist. Was für Menschen mit geregeltem Tagesablauf noch relativ einfach sein kann (außer, wenn generell die Zeitfenster knapp sind), birgt für Schichtarbeiterinnen und -arbeiter besondere Probleme, erst recht, wenn sie häufig in Nachtschicht arbeiten. In diesem Artikel erfahren Sie mehr zum Zusammenhang zwischen Müdigkeit und Training.

Regeneration

Ist es gut, Sport zu machen, wenn ich müde bin?

Müdigkeit ist ein Zeichen des Körpers, dass entweder ein Mangel (Schlaf, Sauerstoff, Flüssigkeit, Nährstoff oder Bewegung) vorliegt oder verstärkt Abwehrkräfte mobilisiert werden. Möchten Sie Ihre geplante Trainingseinheit trotz Müdigkeit dennoch durchziehen, empfiehlt es sich, eine ruhige Laufeinheit zu absolvieren und ein intensives Training zu vertagen.

Empfinden Sie während des Trainings plötzlich das Gefühl von Schlappheit und keine Energie mehr für die sportliche Beanspruchung, dann legt Chefredakteur Martin Grüning nahe, neben der Laufstrecke auch die Intensität und den Umfang anzupassen. So wird der Körper weniger gefordert.

Was kann ich gegen Müdigkeit vor dem Training tun?

Sollten Sie sich vor dem Training zu müde für den Sport fühlen, dann sind hier ein paar Tipps, mit denen Sie wieder fitter werden:

  • Wasser trinken
  • Kaffee trinken
  • Leichte Mobilisations- und Beweglichkeitsübungen
  • Musik hören
  • frische Luft
  • Ellenbogen unter kaltes Wasser halten
  • in die Oberschenkelinnenseite kneifen

Macht Sport wach?

Sport am Morgen macht wach! Schon ein 15-minütiges Training mit moderater Intensität reicht für einen energiereichen Start in den Tag. Grund dafür ist, dass Bewegung den Kreislauf in Schwung bringt, den Stoffwechsel anregt und Botenstoffe wie Enzyme und Hormone freisetzt. Dadurch wird der Blutfluss erhöht, der Herzschlag beschleunigt und somit die Nachtphase beendet. Bewegung stellt also neben Kaffee und kaltem Wasser genauso einen Reiz zum Wachwerden dar.

Wann sollte ich auf Sport bei Erschöpfung verzichten?

Sie sollten beachten: Beim Laufen wird Energie verbraucht, viel Energie. Je mehr Energie der Körper zur Verfügung stellen kann und je schneller er dies kann, desto schneller und länger können Sie laufen. Fühlen Sie sich erschöpft, so ist dies ein Zeichen eines Energiedefizits. Das heißt natürlich auch, dass dem Körper nur wenig Energie für ein Lauftraining zur Verfügung steht. Sie können im erschöpften Zustand also nicht schnell und nicht lange laufen – und Sie sollten dies auch nicht tun. Wenn Sie müde sind (beispielsweise nach einer kurzen Nacht oder gar einer Nachtschicht), können Sie eventuell kurze und langsame Läufe absolvieren, keinesfalls aber ein ambitioniertes Lauftraining. Dieses sollten Sie nur ausgeruht, das heißt nach ausreichendem Schlaf, und gut genährt angehen, ansonsten drohen schwerwiegendere Erschöpfungszustände und auch Verletzungen durch eine verschlechterte Koordination.

Aber: Lockeres Laufen baut auch Stress ab

Wenn Sie sich gut fühlen und etwa jeden zweiten Tag laufen, können Sie durchaus von den positiven Effekten profitieren: Laufen hilft vor allem, den Stress abzubauen, der sich vermutlich bei der Arbeit angestaut hat. Und in Tagen großer Anspannung zählen all die Vorteile doppelt, die lockeres Laufen für den Körper sonst auch bringt: Der Sauerstofftransport wird verbessert, die Durchblutung gefördert, das Immunsystem gestärkt. All das summiert sich zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit – beim Laufen wie auch im Alltag und bei der Arbeit.

Kann ich auch mit Schlafmangel trainieren?

Wenn Sie nachts regelmäßig weniger als sieben Stunden schlafen, droht Schlafmangel. Darunter leidet das Immunsystem, was wiederum dazu führt, dass man anfälliger für Infektionen wird. Außerdem verzögert dies die Wiedergenesung nach einer Krankheit oder Verletzung. Schlafmangel und Spitzenleistungen beim Sport schließen sich gegenseitig aus. Trotzdem müssen Sie nach einer kurzen Nacht nicht auf Sport verzichten. Chefredakteur Martin Grüning handhabt das folgendermaßen: „Erst wenn ich einige Tage schlecht schlafe oder mich total müde fühle, lasse ich mal ein Training ausfallen." Dennoch sollten Sie bedenken, dass Schlafmangel Koordination und Reaktionsfähigkeit verringert. Bewegungen werden dann weniger präzise, wodurch das Verletzungsrisiko steigt.

Die Tagesform entscheidet

Lässt Ihr Tagesablauf tatsächlich kein anderes Zeitfenster zum Laufen als am frühen Morgen zu, so müssen Sie wohlweislich Tag für Tag überprüfen, wie fit Sie sich gerade fühlen. Die Tagesform entscheidet also. Und die Motivation kann da durchaus ein akzeptabler Gradmesser sein, denn auch sie ist in der Regel Ausdruck Ihrer körperlichen Energiebilanz: Haben Sie Lust, schnell zu laufen, dann tun Sie dies, fühlen Sie sich zu kaputt für Sport, dann lassen Sie es.

Schwierig wird es natürlich, wenn Sie nach einem standardisierten Trainingsplan trainieren, der also keinerlei Rücksicht auf Ihre spezielle Situation wie beispielsweise Schichtarbeit nimmt. Solch ein Plan ist für Sie einfach nicht praktikabel. Versuchen Sie die Kerneinheiten dieses Plans zu markieren und diese an den Tagen zu berücksichtigen, wo Sie sich entsprechend ausgeruht fühlen, und legen Sie die regenerativen Laufeinheiten auf Tage, an denen Sie tatsächlich erschöpft nach Hause kommen.

Oft kann man auch mit der Ernährung gegen die Müdigkeit ansteuern, denn durch zu viel Zucker und raffinierte Kohlenhydrate wird Müdigkeit begünstigt. Stattdessen sollten Sie lieber zu Volkornprodukten und ballaststoffreichen Snacks greifen. Auch Lebensmittelunverträglichkeiten und -allergien können eine Ursache dafür sein. Bei unserem RUNNER'S WORLD Ernährungscoaching können Sie sich einen individuellen Trainingsplan erstellen lassen, um bestimmte Lebensmittel zu vermeiden oder einfach um sich gesund und ausgewogen zu ernähren.

Tipps für häufige Alltags-Situation

Hier beantworten wir einige typische Fragen zum Thema Laufen und Müdigkeit von unseren Leserinnen und Lesern.

Ich habe bis spät in die Nacht gearbeitet. Soll ich über Mittag ein kurzes Läufchen einlegen oder mich lieber eine Weile aufs Ohr hauen?

Das kommt drauf an. Schätzen Sie dazu anhand Ihrer subjektiven Selbstwahrnehmung ein, wie Sie sich wohl nach dem Lauf fühlen werden – voller Energie oder total ausgepowert? Falls Letzteres der Fall sein sollte, sorgen Sie zunächst einmal dafür, dass Sie ausreichend schlafen. Dann erst setzen Sie Ihr Trainingsprogramm fort.

Mein Kind ist krank, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Auf meinem Trainingsplan steht heute ein Intervalltraining. Soll ich den Plan einhalten?

Nach Möglichkeit sollten Sie das Training auf einen anderen Tag verschieben. Laufen Sie heute stattdessen locker und absolvieren Sie die belastende Intervall-Einheit an einem Tag, an dem Sie ausgeruht sind. Achten Sie aber beim Verschieben von Einheiten in Ihrem Trainingsplan darauf, dass

Seit ich meinen Laufumfang erhöht habe, sind meine Beine schwer. Soll ich bei meinem Pensum bleiben oder einen Extra-Ruhetag einlegen?

Schwere Beine nach dem Training ist normal. Wenn Schmerzen und müde Beine aber zum Dauerzustand werden, stimmt etwas nicht. Es kann sich um einen Fall von Übertraining handeln. Bleiben Sie flexibel und passen Sie den Trainingsplan Ihrem körperlichen Befinden an. Vielleicht benötigen Sie nach einer harten Trainingseinheit einen Extra-Ruhetag. Oder Sie achten darauf, den Umfang wirklich nur ganz leicht zu erhöhen. „Meine Empfehlung lautet: Steigern Sie den wöchentlichen Umfang zwei oder drei Wochen lang und fahren Sie ihn in der vierten Woche deutlich zurück“, so Sonja von Opel, RUNNER'S-WORLD-Coach und selbst erfolgreiche Läuferin (Marathon-Bestzeit 2:52 Stunden). „In der folgenden Woche kann das Training dann wieder gesteigert werden. In der ruhigeren Woche kann sich der Körper erholen, um wieder für höhere Belastungen bereit zu sein“, sagt von Opel.

Schon nach 10 von geplanten 30 Kilometern spüre ich, dass meine Energiespeicher leer sind. Soll ich weiterlaufen oder den Lauf abbrechen?

„Auch wenn Sie sich immer schlechter fühlen, laufen Sie weiter“, rät Coach Sonja von Opel, „oft geht es einem bei solchen Läufen in der zweiten Hälfte besser. Wenn Ihnen danach ist, machen Sie eine kurze Pause, dehnen, trinken etwas und fallen wieder in den Laufschritt.“ Vorausgesetzt, Sie sind gesund und haben den Lauf ausgeruht begonnen, kann eine solche Erfahrung das Selbstvertrauen vor dem nächsten Wettkampf stärken. Wenn Sie allerdings wenig Schlaf hatten und sich mies fühlen, lassen Sie es lieber bleiben und versuchen es an einem anderen Tag, wenn es Ihnen wieder besser geht.

Nach einem anstrengenden Tag bin ich erschöpft, dabei hatte ich mir vorgenommen, abends noch zu laufen. Soll ich den Lauf auf den nächsten Morgen verschieben?

Laufen Sie trotzdem – zumindest eine kleine Runde. Wenn Sie erleben, wie die Energie nach zwei bis drei Kilometern zurückkehrt, werden Sie froh sein, dass Sie den Lauf nicht ausfallen ließen. Und vielleicht haben Sie dann ja doch Lust auf das ursprünglich geplante Pensum.

Ich muss mich jeden Tag neu zum Laufen motivieren. Wie wird das besser?

Wenn Gesundheitsprobleme wie eine Erkältung oder niedrige Eisenwerte ausgeschlossen werden können und Sie nicht unter Schlafmangel oder einem Übertraining leiden, ist es möglich, dass Sie mental ausgebrannt sind. Suchen Sie sich eine neue Strecke, laufen Sie in einer Gegend, die Ihnen unbekannt ist, verabreden Sie sich mit einem Freund, statt allein zu laufen, melden Sie sich zu einem Wettkampf an, nutzen Sie alternative Trainingsmöglichkeiten. In der Regel brauchen Sie auch bei schwankender Motivation nicht länger aufs Laufen zu verzichten. Hält das Motivationstief trotz Abwechslung an, probieren Sie, ab und zu eine Woche gar nicht zu laufen, um die Freude daran wieder neu zu entdecken.

Fazit

Grundsätzlich stehen Leistungstraining und Müdigkeit im Widerspruch – wer müde ist, ist erstmal weniger leistungsfähig. Falls Sie unregelmäßige Arbeitszeiten haben, sollten Sie diese Rahmenbedingungen also unbedingt in Ihrer Trainings- und Wettkampfplanung berücksichtigen. Ein frühmorgendliches Lauftraining, womöglich gar direkt nach einer Nachtschicht, sollten Sie eher immer etwas vorsichtiger dosieren. Fühlen Sie sich gut, spricht aber nichts dagegen, bei einem lockeren Lauf neue Kraft zu tanken.

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04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023

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