Die Frage „Stretching – ja oder nein?“ führt regelmäßig zu hitzigen Diskussionen. Studien und aktuelle Untersuchungen liefern dazu auch keine eindeutige Antwort: Eine allgemeingültige Methode, die Bewegungseinschränkungen vorbeugt, Gelenkschmerzen vermindert und gleichzeitig die stark beanspruchte Muskulatur lockert, gibt es (derzeit) laut Studienlage nicht. In diesem Dehn-Chaos ist Orientierung wichtig. Wir erklären dir, wann der richtige Zeitpunkt fürs Dehnen ist, ob statische oder dynamische Dehnübungen für Läufer und Läuferinnen besser sind und welche Dehnungen in ein Work-out fürs Laufen gehören.
Warum Dehnübungen für Läufer so wichtig sind
Dehn- und Mobilisationsübungen sind so wichtig, weil wir unseren Körper im Alltag normalerweise nur innerhalb unserer Komfortzone beanspruchen. Davon sind auch wir Läuferinnen und Läufer betroffen. Wenn wir unsere Muskulatur dauerhaft weniger nutzen, als es ihr Bewegungsausmaß zulässt, macht sie es sich in diesem Bewegungsbereich gemütlich.
Wer nur läuft, und nicht dehnt, andere Sportarten ausübt oder Kraftsport macht, trainiert einseitig. In diesem Fall schleichen sich Fehlhaltungen und Muskeldysbalancen ein. Die Folge ist eine langfristig eingeschränkte Beweglichkeit. Wer seinen Körper im Alltag funktionell und regelmäßig abseits der Komfortzone beansprucht und nicht nur einseitig trainiert, wird beim Laufen weniger Beschwerden bekommen und leistungsfähiger bleiben.
Ein weiterer Pluspunkt: Dehnen schult unser Körpergefühl. Während einer Dehnung konzentrieren wir uns voll und ganz auf einen bestimmten Körperbereich. Dadurch können wir unser Körpergefühl verbessern und erfahren mehr darüber, welche Muskeln aufgrund ihres Bewegungsdefizits mehr Aufmerksamkeit und Mobilisation benötigen.
Wer sich bei Wettkämpfen oder im Training umschaut, sieht oft Läufer, die minutenlang in einer Dehnposition für die vordere Oberschenkelmuskulatur oder die Wadenmuskulatur verharren. Fragt man sie nach dem Sinn von diesen Dehnungen, geben sie eine bessere Beweglichkeit, Verletzungsprophylaxe und weniger starken Muskelkater an. Doch statisches Dehnen allein hilft dabei nicht. Zu intensives Dehnen vor dem Wettkampf kann sich sogar negativ auswirken. Wichtig vor Wettkämpfen sind vor allem das lockere Einlaufen (Warmlaufen) und ein sanftes Aufwärmprogramm.
Mit statischen Muskeldehnungen wird ausschließlich der Muskel gedehnt. Zu einer funktionellen und schmerzfreien Bewegung gehört aber viel mehr als gut bewegliche Muskulatur: beispielsweise eine gute Koordination, eine optimale Gelenkstellung während der Bewegung und die uneingeschränkte Beweglichkeit von Gelenken, Haut, Sehnen und Nervenstrukturen.
Wenn dein Ziel ist, deine Bewegungsfähigkeit zu verbessern und die Bewegungseffizienz zu erhöhen, verabschiede dich am besten von der rein statischen Dehnung. Stattdessen empfehlen wir dir die Mobilisation. Mobilisationsübungen kannst du auch gut in deinen Alltag integrieren. Bewegungseinschränkungen werden dadurch ganzheitlich behandelt. Denn Dehnungen sind nur gut für die Muskulatur, Mobilisationsübungen jedoch für den gesamten Körper.
Statisches versus dynamisches Dehnen – wo sind die Unterschiede?
Beim statischen Dehnen bringst du den entsprechenden Muskel durch die maximal mögliche Entfernung von Muskelursprung und Muskelansatz in eine Dehnposition. Diese wird gehalten, bis das Zuggefühl nach etwa 30 bis 40 Sekunden langsam nachlässt. Beim passiven statischen Dehnen hält der Trainierende lediglich die Dehnstellung. Diese Dehnvariante gilt als gut kontrollierbar, aber nicht besonders effektiv, und wird deshalb häufig für die Entspannung eingesetzt.
Beim aktiven statischen Dehnen wird der Gegenspieler des gedehnten Muskels gleichzeitig aktiv angespannt. Dehnt man beispielsweise die Oberschenkelrückseite, während man in Rückenlage auf einer Matte liegt und ein Bein gestreckt zum Oberkörper heranzieht, zieht man gleichzeitig die Fußspitzen nach oben und spannt die Oberschenkelvorderseite an. Diese Methode ist jedoch nicht bei allen Muskeln effektiv anwendbar.
Die dritte Variante des statischen Dehnens ist das „Anspannungs-Entspannungs-Dehnen“, oder auch CHRS-Dehnen („Contract-Hold-Relax-Stretch“). Das CHRS-Dehnen basiert auf dem Prinzip, dass auf maximale Anspannung eines Muskels seine maximale Entspannung folgt. Hierbei wird der Zielmuskel vor der Dehnübung maximal angespannt und danach in eine statische Dehnposition gebracht.
Eine CHRS-Dehnung funktioniert am besten mithilfe einer zweiten Person: Für die Dehnung der vorderen Oberschenkelmuskulatur leg dich auf den Bauch und beuge ein Bein im Kniegelenk an. Während dein Laufpartner mit einer oder beiden Händen Widerstand am Unterschenkel gibt, drückst du dein Bein 20 bis 30 Sekunden in Richtung Kniestreckung. Dadurch aktivierst du deine vordere Oberschenkelmuskulatur. Danach lass die Spannung ausklingen und dein Partner bewegt deinen Unterschenkel an dein Gesäß heran, um den vorderen Oberschenkelmuskel zu dehnen.
Beim dynamischen Dehnen wird der zu dehnende Muskel durch Entfernung von Ursprung und Ansatz in eine maximale Dehnposition gebracht, ohne diese lange zu halten. Stattdessen bewegst du dich direkt wieder aus dieser Position heraus bis zu dem Punkt, an dem das Dehngefühl nachlässt, bevor du in einer dynamischen Bewegung wieder bis an das Bewegungsende des Muskels oder Gelenks gehst.
Dynamisch dehnen heißt also in Bewegung dehnen, statisch in einer Halteposition. Um die Beweglichkeit für Sportarten zu verbessern, in denen es darum geht, eine Bewegung häufig zu wiederholen (z. B. Laufen, Schwimmen, Radfahren) scheint diese Art der Mobilisation effizienter zu sein als statische Dehnungen. Im Fitnessbereich fallen dynamische Übungen in den Bereich der Mobilisationsübungen, auch Mobility genannt.
Wann ist der beste Zeitpunkt fürs Dehnen beim Laufen?
Dazu gibt es eine Faustregel: leichtes Aufwärmen und Aktivieren der Muskulatur vor dem Laufen, aber ausgiebiges Dehnen immer im Anschluss. Nach dem Laufen, wenn die Körperstrukturen aufgewärmt sind, kannst du deine Muskulatur am besten dehnen.
Wer vor dem Laufen dehnen möchte, sollte nur dynamische Übungen wählen. Dynamisches Stretchen aktiviert den Muskel. Statisches Dehnen ist nur nach dem Laufen empfehlenswert. Vor einem Wettkampf zu intensiv statisch zu dehnen, ist ein Fehler, denn dadurch wird die Muskelspannung kurzfristig gesenkt und die Leistungsfähigkeit negativ beeinflusst.
Die besten Dehnübungen für Läufer (mit Anleitung)
Wir haben Dehnübungen und Mobilisationsübungen für die verschiedenen Körperpartien zusammengestellt, die besonders für Läuferinnen und Läufer wichtig sind.
Dehnübungen für die Beine
Achillessehne und Wadenmuskulatur dehnen und mobilisieren
Die Wadenmuskulatur, der Musculus Trizeps Surae, hat drei Muskelanteile. Er besteht aus dem zweiköpfigen Musculus Gastrocnemius und dem Musculus Soleus. Der Musculus Gastrocnemius verläuft von der Rückseite des Oberschenkelknochens zur Ferse. Bei Anspannung bewirkt er im Kniegelenk eine Beugung und im Sprunggelenk die Beugung des Fußes sowie eine Supination, also die Hebung des Fußinnenrandes. Um diesen Muskel zu dehnen, musst du das Kniegelenk strecken, den Fußrücken nach oben anziehen und die Fußaußenkante anheben. Der Musculus Soleus hat seinen Ursprung an der Außenseite des Unterschenkels und setzt ebenso wie der Gastrocnemius an der Ferse an. Er macht eine Beugung und eine Supination im Sprunggelenk. Um den Musculus Soleus zu dehnen, ziehst du den Fuß nach oben an und hebst die Fußaußenkante.
Dehnung des Musculus Gastrocnemius und Musculus Soleus:
Stell dich vor eine Wand. Leg die Hände schulterbreit etwas unterhalb deiner Schultern an die Wand. Stell das zu dehnende Bein (hier rechts) einen Schritt nach hinten mit dem Fußballen auf. Lass das vordere Bein (hier links) leicht gebeugt. Beweg nun langsam die Ferse des hinteren Beins zum Boden. Das bewirkt eine Dehnung in der gesamten rechten Wade. Drück den Fußinnenrand zum Boden und zieh den Fußaußenrand leicht nach oben an.

Dehnung des Musculus Soleus:
Stell dich in Schrittstellung aufrecht hin. Das zu dehnende Bein steht hinten. Beuge die Knie langsam an, bis du in der rechten hinteren Wadenmuskulatur ein Dehngefühl spürst. Drück den Fußinnenrand zum Boden und heb den Fußaußenrand leicht nach oben an. Du kannst die Dehnung entweder verstärken und verringern, indem du die Knie wieder streckst und dich aufrichtest, bevor du zurück in die Dehnung gehst, oder indem du dich mit dem gesamten Körper leicht nach vorn lehnst. Die hintere Ferse sollte dabei aber am Boden bleiben.

Erweiterung der Streckung des Sprunggelenks und Mobilisation der Achillessehne:
Stell dich auf einen Stepper oder an den Rand einer Treppenstufe, dabei steht ein Fuß in der Mitte des Steppers. Der andere Fuß steht mit dem Fußballen am hinteren Rand des Steppers. Lass das vordere Bein leicht gebeugt – so kannst du das Gleichgewicht besser halten. Senke die hintere Ferse nach unten ab und das Kniegelenk sollte dabei gleichzeitig durchgestreckt werden.

Mobilisation des Sprunggelenks nach Verletzungen und bei Schmerzen und Spannungsgefühl in der Wade:
Setz dich mit aufrechtem Oberkörper auf einen Gymnastikball. Stell die Füße hüftbreit auf. Dann mit dem Ball langsam nach vorn in Fußrichtung rollen, bis du die Fersen nicht mehr am Boden halten kannst. Roll anschließend zurück bis zu dem Punkt, an dem das Dehngefühl im Bereich der Achillessehne nachlässt.

Mobilisation des Sprunggelenks bei Einschränkungen der Streckbewegung:
Stell das linke Bein nach vorn und geh in den Ausfallschritt. Das hintere rechte Knie wird am Boden abgesetzt. Wenn deine Knie empfindlich sind, kannst du ein kleines Kissen oder eine zusammengerollte Gymnastikmatte unterlegen. Versuche, die vordere linke Ferse zum Boden zu drücken. Schieb rechts das Becken nach vorn und verlagere deinen Oberkörper nach vorn, bis du die linke Ferse nicht mehr am Boden halten kannst. Halte diese Position einen Moment und beweg dich dann zurück in die Ausgangsstellung, bis das Dehngefühl im unteren Wadenbereich nachlässt.

Quadrizeps (vorderen Oberschenkel) dehnen und mobilisieren
Der Musculus Quadrizeps Femoris befindet sich am vorderen Oberschenkel und besteht aus vier Muskelanteilen: Musculus Vastus Lateralis, Musculus Vastus Medialis, Musculus Vastus Intermedius und Musculus Rectus Femoris. Alle Anteile haben ihren Ursprung im oberen inneren und äußeren Bereich des Oberschenkelknochens. Der Ansatz befindet sich kurz unter der Kniescheibe an der Vorderseite des Unterschenkelknochens. Der Quadrizeps streckt das Kniegelenk. Ein Muskelanteil, der Musculus Rectus Femoris, setzt zusätzlich am Beckenknochen an und beugt somit das Hüftgelenk. Wenn du den Quadrizeps mobilisierst, ist es deshalb wichtig, dass du nicht nur das Knie vollständig beugst, sondern auch das Hüftgelenk in eine volle Streckung bringst. Mit einer Kniebeugung bei gebeugter Hüfte dehnst du nur einen Teil des Oberschenkelmuskels. Da die von Läufern häufig praktizierte Quadrizeps-Dehnung im Einbeinstand mit bis zum Gesäß angezogenen Fuß viele Möglichkeiten für Ausweichbewegungen zulässt, solltest du den Quadrizeps lieber im Schrittstand oder in Bauchlage mobilisieren.
Dehnung des Quadrizeps in Bauchlage:
Leg dich mit dem Bauch auf eine Gymnastikmatte. Streck beide Beine aus, du solltest das rechte Knie anziehen und die Ferse so weit wie möglich zum Gesäß bewegen. Umfasse das rechte Sprunggelenk mit der rechten Hand und halte die Dehnung. Wenn die Beweglichkeit deines Kniegelenks nicht ausreicht, kannst du ein Gymnastikband zu Hilfe nehmen. Leg das Band um das Sprunggelenk und zieh den Fuß damit weiter in Richtung Gesäß. Drück gleichzeitig den rechten Beckenknochen und das Schambein zum Boden nach unten.

Mobilisation des Quadrizeps, der Kniegelenksbeugung und der Hüftstreckung:
Stell das linke Bein nach vorn und geh in den Ausfallschritt. Stell das rechte Knie am Boden ab, möglichst auf einem kleinen Kissen, einem Sandsäckchen oder einem zusammengerollten Handtuch. Halte den Oberkörper aufrecht und schieb den rechten Hüftknochen leicht nach vorn. Beug das rechte Kniegelenk an und greif mit der rechten Hand nach dem Sprunggelenk. Zieh den rechten Fuß weiter zum Gesäß und halte die Hüfte gestreckt. Beug das Kniegelenk nach und nach weiter an, während du die Hüfte ein bis zwei Zentimeter nach vorn und dann wieder zurück bewegst.

Hüfte dehnen und mobilisieren
Der bekannteste Hüftbeuger ist der Musculus Iliopsoas. Er besteht aus zwei Muskelanteilen, dem Musculus Iliacus und dem Musculus Psoas Major. Der Iliopsoas zieht von der Außenseite der Lendenwirbelsäule und der Innenseite der Beckenschaufeln zur Innenseite des Oberschenkelknochens. Weitere hüftbeugende Muskeln, die für Läufer relevant sind, sind der Musculus Tensor Fasciae Latae, der Musculus Gracilis und der Musculus Rectus Femoris, der bereits als Anteil des Quadrizeps beschrieben wurde. Um die Hüftbeuger gezielt in die Streckung zu mobilisieren, ist es wichtig, eine Ausweichbewegung der Lendenwirbelsäule in Richtung Hohlkreuz zu vermeiden.
Dehnung der Hüftbeuger in Rückenlage im Überhang:
Setz dich an die Kante von einem Tisch oder Bett. Leg deinen Oberkörper nach hinten ab, sodass du bequem auf dem Rücken liegst. Die untere Hälfte deiner Oberschenkel, die Unterschenkel und die Füße sollten frei in der Luft hängen. Drück die Lendenwirbelsäule nach unten auf die Unterlage. Zieh das rechte Bein zum Bauch an und umgreife den Oberschenkel mit den Händen. Achte darauf, dass das linke Bein unten bleibt und der Oberschenkel nicht von der Unterlage abhebt.

Mobilisation der Hüfte im Ausfallschritt:
Stell das rechte Bein nach vorn und geh in den Ausfallschritt. Leg das linke Kniegelenk auf dem Boden ab. Halte den Oberkörper gerade. Schieb die linke Hüfte nach vorn.

Kombinierte symmetrische Mobilisation der Hüftbeuger und des Quadrizeps:
Setz dich mit dem Gesäß auf deine Fersen. Stütz die Hände hinter dem Körper ab. Schieb das Becken nach oben und streck die Hüfte so weit wie möglich durch.

Mobilisation der Hüfte in die Streckung und die Rotation:
Stell das linke Bein nach vorn und geh in den Ausfallschritt. Leg beide Hände rechts neben dem linken Fuß auf dem Boden ab. Das rechte hintere Knie ist leicht gebeugt. Dreh deinen Oberkörper nun zur linken Seite auf, indem du den linken Arm in einem großen Halbkreis nach oben bewegst. Folge dieser Bewegung mit den Augen und dem gesamten Oberkörper. Geh dann zurück in die Ausgangsstellung und stell die linke Hand kurz wieder am Boden ab. Wiederhole die Bewegung zehnmal. Danach die Beine und die Bewegungsrichtung wechseln.

Adduktoren dehnen
Die Adduktoren des Hüftgelenks führen das Bein aus der abgespreizten Position in die Neutralstellung zurück. Um diese Muskulatur zu dehnen, beweg die Beine nach außen von der Körpermittellinie weg.
Dehnung der Hüftgelenks-Adduktoren im Stand:
Stell die Füße breit auseinander. Verlagere für eine Dehnung der linken Adduktorenseite das Körpergewicht und den Oberkörper nach rechts, bis du ein Dehngefühl am inneren Oberschenkel der linken Seite spürst. Du kannst die Hände locker auf dem rechten Oberschenkel ablegen. So fällt es leichter, das Gleichgewicht zu halten.

Dehnung der Adduktoren im Sitz:
Setz dich aufrecht hin. Stell die Beine nebeneinander auf, sodass sich die Fußinnenkanten berühren. Lass die Knie nach rechts und links nach außen fallen. Beweg die Knie und Oberschenkel so weit zum Boden, wie es dir möglich ist. Halte die Dehnung einige Sekunden.

Dehnung der Adduktoren im Unterarmstütz:
Stell die Knie so weit wie möglich voneinander entfernt auf einer Gymnastikmatte auf. Leg die Füße so am Boden ab, dass die Fußspitzen nach außen zeigen. Stütz dich mit den Unterarmen am Boden ab. Halte den Rücken gerade und schieb das Brustbein in Richtung Boden nach vorn heraus. Beweg aus dieser Position das Gesäß zwei bis fünf Zentimeter nach hinten, um eine Dehnung im inneren Oberschenkelbereich herbeizuführen. Geh mit dem Oberkörper zurück nach vorn, bis die Dehnung nachlässt.

Ischiocrurale Muskulatur dehnen
Die ischiocrurale Muskelgruppe setzt sich zusammen aus dem Musculus Bizeps Femoris, dem Musculus Semimembranosus und dem Musculus Semitendinosus. Alle drei Muskeln haben ihren Ursprung am Sitzbein und ziehen zur Innen- und Außenseite im hinteren Bereich des Unterschenkelknochens kurz unterhalb der Kniekehle. Ihre Hauptaufgabe ist die Streckung des Hüftgelenks. Durch ihren Ansatz kurz unterhalb der Kniekehle beugen diese Muskeln jedoch zusätzlich das Kniegelenk. Um diese Muskelgruppe zu dehnen, musst du deshalb das Hüftgelenk beugen und gleichzeitig das Kniegelenk strecken.
Knie dich auf eine Gymnastikmatte. Stell das rechte Bein gestreckt nach vorn. Leg die Ferse auf der Matte ab. Halte den Oberkörper gerade und zieh nun den rechten Fuß nach oben an. Streck das Kniegelenk durch. Neige den geraden Oberkörper aus der Hüfte nach vorn, bis du die Dehnung im hinteren rechten Oberschenkel spürst.

Abduktoren dehnen
Die Abduktoren des Hüftgelenks spreizen das Bein nach außen ab. Zu den wichtigsten Abduktoren gehört die Gesäßmuskulatur.
Setz dich im Langsitz auf eine Gymnastikmatte. Beug das linke Bein an und stell den linken Fuß rechts neben dem rechten Kniegelenk ab. Greif mit der rechten Hand an die Außenseite des rechten Oberschenkels und drück mit dem rechten Ellenbogen und Oberarm den linken Oberschenkel leicht nach rechts. Dreh gleichzeitig den Oberkörper nach links. Stütz dich dabei mit dem linken Arm hinter dem Oberkörper ab.

Gesäß und Piriformis dehnen und mobilisieren
Der Musculus Piriformis neigt bei Läufern häufig zu eingeschränkter Mobilität und sorgt so für Dysfunktionen im Hüftgelenk und Schmerzen im unteren Rücken. Die Gesäßmuskulatur ist bei Läufern im Vergleich zu den Hüftbeugern häufig schwächer ausgeprägt. Daher sollten die Gesäßmuskeln zwar mit dem Ziel der besseren Hüftgelenksbeweglichkeit mobilisiert werden. Der Fokus sollte jedoch auf der Kräftigung der Gesäßmuskulatur bei gleichzeitiger Mobilisation der Hüftbeuger liegen.
Mobilisation des M. Piriformis im Sitz:
Setz dich mit geradem Oberkörper auf einen Stuhl. Stell die Füße hüftbreit auf. Leg den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel und dreh das Knie nach rechts außen. Leg die rechte Hand auf dem rechten Kniegelenk und die linke Hand auf der Innenseite des rechten Fußes ab. Kippe das Becken leicht nach vorn, sodass du ein Ziehen in der rechten Gesäßhälfte spürst. Beweg zur Verstärkung der Dehnung das rechte Knie ein bis zwei Zentimeter Richtung Fußboden. Drück möglichst nicht mit der Hand nach, sondern versuche, die Bewegung aktiv aus der Hüfte zu machen.

Mobilisation des M. Piriformis in Rückenlage:
Leg dich auf den Rücken und stell beide Beine an. Leg jetzt den linken Fuß auf dem rechten Oberschenkel ab und dreh das linke Kniegelenk nach links außen. Umfasse den rechten Oberschenkel mit beiden Händen und zieh das rechte Bein zum Bauch an, bis ein Dehngefühl über die linke Gesäßhälfte entsteht. Beweg aus dieser Position das linke Knie in Richtung des rechten Fußes, indem du das Knie weiter nach außen drehst. So kannst du die Dehnung weiter verstärken.

Dehnung der Gesäßmuskulatur in Rückenlage:
Leg dich mit dem Rücken auf eine Gymnastikmatte. Stell beide Beine an. Überschlage dann das rechte Bein über das linke Bein, genau wie du es im Büro auf dem Bürostuhl unter dem Tisch tust. Streck den rechten Arm zur Seite aus und leg ihn am Boden ab. Beweg beide Beine zur linken Seite, bis das linke Bein komplett auf dem Fußboden aufliegt. Zieh das rechte Bein so weit an, dass in der Hüfte und im Kniegelenk etwa ein rechter Winkel entsteht. Bring mit der linken Hand über den rechten Oberschenkel einen leichten Zug auf das rechte Bein und versuche, das rechte Knie auf dem Boden abzulegen. Dabei spürst du die Dehnung im Bereich der rechten Gesäßhälfte und am hinteren oberen rechten Oberschenkel.

Dehnung des M. Piriformis im Stütz:
Stell dich an das Ende einer Gymnastikmatte. Mach mit dem rechten Fuß einen großen Schritt nach vorn. Stell beide Hände links neben dem rechten Fuß am Boden auf. Stell nun den rechten Fuß unter der linken Hand ab und dreh das rechte Knie so weit nach außen, dass Oberschenkel und Unterschenkel auf dem Boden aufliegen. Leg das linke Bein gestreckt am Boden ab. Geh mit dem Oberkörper so weit nach vorn, dass du die Unterarme auf der Matte ablegen kannst. Schieb nun langsam immer wieder den linken Beckenknochen in Richtung rechter Hand diagonal nach vorn unten. Dadurch entsteht ein starkes Dehngefühl in der rechten Gesäßhälfte und dem rechten hinteren und äußeren Oberschenkel.

Dehnübungen für den Oberkörper
Brustmuskulatur dehnen und mobilisieren
Für eine aufrechte Haltung beim Laufen sind nicht nur eine gute Gesäßmuskulatur und Rumpfmuskulatur wichtig, sondern auch die Fähigkeit, den Oberkörper vollständig aufrichten zu können. Im Alltag finden fast alle Bewegungen vor dem Körper statt – und beim Laufen fallen Sie nach längerer Belastung ebenfalls nach vorn. Das schränkt langfristig die vollständige Streckfähigkeit der Schultergelenke und die Streckung der Brustwirbelsäule ein. Der bekannteste Brustmuskel ist der Musculus Pectoralis Major. Er besteht aus drei Muskelanteilen und zieht vom Brustbein zum oberen inneren Bereich des Oberarmknochens. Der Pectoralis zieht den Arm an den Körper heran und dreht ihn nach innen. Um diesen Muskel zu dehnen, musst du den Arm abspreizen und nach außen rotieren. Da beim Laufen die aufrechte Körperhaltung im Fokus steht, ist es sinnvoll, beide Seiten parallel zu mobilisieren und damit gleichzeitig die Beweglichkeit der Bauchmuskulatur und des Zwerchfells zu verbessern.
Passive Dehnung der Brustmuskulatur im Stand
Stell dich in die Ecke eines Raumes, den Blick zur Zimmerecke gerichtet. Leg die Hände jeweils seitlich etwas über Schulterhöhe an die Wand. Die Füße stehen hüftbreit auseinander und befinden sich so weit von der Wand entfernt, dass du eine leichte Dehnung über die Brustmuskulatur und vorn über die Schultergelenke spürst. Geh nun während der Einatmung mit einem Fuß einen Schritt nach vorn. Folge der Bewegung mit dem Oberkörper, um die Streckung in der Brustwirbelsäule und die Dehnung in der Brust- und Schultermuskulatur zu verstärken. Stell den Fuß zurück in die Ausgangsposition, um das Dehngefühl zu verringern, und wiederhole danach die Bewegung.

Aktive Mobilisation der Brustmuskulatur
Nachdem du die Brustmuskulatur passiv aufgedehnt hast, kannst du das neu gewonnene Bewegungsausmaß durch eine aktive Mobilisation stabilisieren. Roll dafür ein normales Duschhandtuch zu einer Rolle zusammen. Stell dich mit dem Rücken gegen eine Wand und leg das Handtuch auf Höhe der Brustwirbelsäule längs im Verlauf der Wirbelsäule zwischen Brustwirbelsäule und Wand. Lehn dich daran bequem an und stell die Füße etwa ein bis zwei Fußlängen von der Wand entfernt hüftbreit auf. Heb die Arme auf Schulterhöhe an und beug die Ellenbogen so weit an, dass ein rechter Winkel entsteht. Die Handflächen zeigen dabei nach vorn. Versuche nun, während du einatmest, die Ellenbogen und Unterarme nach hinten gegen die Wand zu drücken.

Mobilisation der Schultermuskulatur und der Brustwirbelsäule
Knie dich auf eine Gymnastikmatte. Leg die Arme gestreckt vor deinem Körper ab. Dreh die Handflächen nach oben. Drück nun das Brustbein zum Fußboden und schieb das Gesäß Richtung Fersen, um die Dehnung zu verstärken. Du kannst die Hände auch erhöht auf dem Sofa, einem Stuhl oder einem Gymnastikball ablegen.

Deine tägliche Läufer-Dehnroutine
Wir geben dir im Folgenden vier Tipps, wie du ein Stretching-Programm zusammenstellst, das ganz auf deinen Körper angepasst ist. Dabei ist es ratsam, deine Schwachstellen besonders gut zu dehnen, am besten täglich.
4 Tipps für dein individuelles Dehnprogramm
Zehn Minuten pro Tag
Plane für dein Mobilisationsprogramm mindestens zehn Minuten pro Tag ein. Jeden Tag. Leg vor einer Mobilisationseinheit fest, welche Bewegung du verbessern möchtest. Ein Beispiel: Du schaffst keine tiefe Kniebeuge, ohne die Ferse des linken Fußes vom Boden abzuheben. Dann lautet dein Ziel, die Beweglichkeit des Sprunggelenks, evtl. auch des Knie- und Hüftgelenks zu verbessern, um eine tiefe Kniebeuge zu schaffen, bei der du die linke Ferse auf dem Boden halten kannst.
» Training für die Sprunggelenke: Mehr Stabilität und Dynamik
Bewegungsverbesserung messbar machen
Mach genau die Bewegung, die du verbessern möchtest, mindestens einmal, bevor du mit den Mobilisationsübungen beginnst. Geh beispielsweise in die tiefe Kniebeuge, spür die Spannung in Sprung-, Knie- und Hüftgelenk. Beobachte genau, wann die linke Ferse vom Boden abhebt. Wenn du die Bewegung am Ende deines Programms wiederholst, erhältst du eine genaue Rückmeldung darüber, ob und wie stark du dich verbessert hast. Zudem speichert dein Gehirn die neue Bewegungsqualität besser, wenn du den Unterschied von vorher zu nachher bewusst wahrnimmst.
Sportartspezifische Übungspositionen aussuchen
Führ die Mobilisation in einer Körperposition durch, die der eingeschränkten Bewegung möglichst nahekommt. So hast du dein Ziel besser vor Augen. Such dir jedoch gleichzeitig eine Position aus, in der du sicher eine physiologische und funktionelle Körperhaltung aufrechterhalten kannst und nicht in Gewohnheiten wie nach vorn fallende Schultern, eine krumme Wirbelsäule oder nach vorn hängenden Kopf verfällst. Trainier aus einer Körperhaltung heraus, die auch für das Laufen relevant ist: im Stand, im Kniestand mit gestreckter Hüfte, im Ausfallschritt.
Dehnen und Mobilisieren ohne Schmerz
Folge deinem Körpergefühl, wenn du die Übungen machst. Gelenke und Gewebe zu mobilisieren, ist in den seltensten Fällen angenehm. Das entstehende Dehnungs- oder Spannungsgefühl sollte jedoch auch genau das sein: ein Dehnungs- oder Spannungsgefühl. Kein unaushaltbarer Schmerz. Viele Sportlerinnen und Sportler vertreten immer noch die Meinung 'Viel hilft viel!' Das ist jedoch der falsche Ansatz. Mobilisationsübungen dürfen unangenehm sein, aber keinesfalls vor Schmerzen kaum auszuhalten!
Häufige Fehler beim Dehnen und wie du sie vermeidest
Fehler beim Dehnen passieren vor allem in der Bewegungsausführung, deshalb solltest du unsere Beschreibungen und die Bilder genau verfolgen. Ein großer Fehler ist außerdem zu denken, dass nur Dehnübungen die Beweglichkeit verbessern. Das stimmt nicht! Zur Beweglichkeit gehören viel mehr als gut gedehnte Muskeln.
Drei wichtige Strukturen für Beweglichkeit: Gelenke, Gewebe und Muskulatur
Um ein Gelenk herum befindet sich die Gelenkkapsel aus Fasergewebe. Sie schützt das Gelenk davor, dass wir es beim Sport oder im Alltag überstrecken. Innerhalb dieser Kapsel kann sich das Gelenk frei bewegen. Stell dir einen nicht aufgeblasenen Luftballon vor, den du über den runden Gelenkkopf deines Hüftgelenkes ziehst. Wenn du beispielsweise häufig lange sitzt, verliert der vordere Teil der Hüftgelenkskapsel an Elastizität – wie das gummiartige Gewebe eines aufgeblasenen Luftballons, das runzelig wird und an Dehnbarkeit verliert, wenn du ihn eine Woche lang in der Ecke liegen lässt. Das Kapselgewebe verhärtet und die Beweglichkeit nimmt ab. Wenn du nun das Hüftgelenk nach hinten streckst, spürst du vorn über dem Hüftgelenk die erhöhte Spannung. „Meine Hüftbeuger sind verkürzt“, würde man salopp sagen.
Wie kann ich die Beweglichkeit eines Gelenks verbessern?
Wenn du Schmerzen oder Spannungsgefühle in einem bestimmten Körperbereich hast, solltest du immer das Gelenk über dem Schmerzbereich sowie das darunterliegende mobilisieren. Hast du zum Beispiel Schmerzen im Oberschenkel, solltest du das Hüftgelenk und das Kniegelenk mobilisieren. Das Gleiche gilt auch andersherum. Schmerzt das Kniegelenk, solltest du Gewebe und Muskulatur in Ober- und Unterschenkel mobilisieren, um die Funktion des Kniegelenks wiederherzustellen. Denn: Sind Knie- und Hüftgelenk nicht ausreichend beweglich, kann die Muskulatur des Oberschenkels nicht in ihrer normalen Funktion anspannen und entspannen.
Viele Probleme in den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken lassen sich durch eine gezielte Mobilisation der Wirbelsäule lösen. Wenn die Wirbelsäulenausrichtung stimmt, verbessert sich auch die Funktion der umliegenden Gelenke. Wer beispielsweise vornübergebeugt steht, wird seine Schultern niemals im vollen Bewegungsausmaß nach oben strecken können. Richtest du dich jedoch gerade auf und streckst die Brustwirbelsäule, kannst du ein gesundes Schultergelenk in vollem Ausmaß strecken. Hat das jeweilige Gelenk seine richtige Stellung wiedergefunden, normalisiert sich meist auch der Tonus der angrenzenden Muskeln und sowohl Spannung als auch Schmerzen nehmen ab.
3 wichtige Fragen zum Dehnen
Das geht schneller, als du denkst! Wichtig ist dabei, konsequent zu bleiben und jeden Tag ein paar Dehnübungen auszuführen. Wer dies schafft, kann erste Ergebnisse bereits nach zwei bis vier Wochen sehen und spüren. Wer in seiner Kindheit und Jugend beweglich war mit einem hohen Bewegungsradius und starker Hüftmobilität, und zum Beispiel vor vielen Jahren in den Spagat kam, kann es mit der nötigen Konsequenz schaffen, zu diesem beweglichen Ausgangszustand zurückzukommen.
Nein, kann es nicht! Das ist leider ein weit verbreiteter Mythos. Es reduziert den Muskelkater nicht, es kann ihn sogar verschlimmern, wenn man stark in den Schmerz reindehnt. Also nicht dehnen bei Muskelkater, sondern: leicht bewegen (z.B. spazieren gehen, locker wandern oder ganz entspannt schwimmen). Auch Massagen und Wärmeanwendungen sowie Faszienrollen können bei Muskelkater helfen. Dehnen fördert aber die Regeneration und ist deshalb als Cool Down nach dem Laufen unbedingt zu empfehlen. Es dient der Muskelentspannung. Laufverletzungen und Muskelverspannungen können dadurch reduziert werden, aber nicht der Muskelkater.
Dehnen allein kann die Lauftechnik nicht verbessern. Es kann sie unterstützen, wenn du beispielsweise aufgrund einer geringen Hüftmobilität kombiniert mit einem "Rundrücken" zu einem "sitzenden, gebeugten Laufstil" neigst. Aber das Dehnen sollte auch dann immer in Verbindung mit Laufstilübungen (Lauf-ABC) und Krafttraining angewendet werden, um einen besseren Laufstil zu erzielen.
Was kann ich außer Dehnen für mehr Beweglichkeit tun?
Nicht nur die Gelenkkapsel, die sich unmittelbar am Gelenk befindet, kann die Gelenkbeweglichkeit einschränken – auch die Verschiebbarkeit des Gewebes über dem Gelenk ist wichtig. Bei Läufern ist häufig die Beweglichkeit des Gewebes im Bereich der Achillessehne, am hinteren und äußeren Oberschenkel, an der Außenseite des Kniegelenks und über der Lendenwirbelsäule eingeschränkt. Alleine durch statische Dehnungen kann man diese „Verklebungen“ nicht lösen.
Übungen mit einer Faszienrolle oder dem Faszienball können hier helfen, die Gewebemobilität wiederherzustellen, verhärtete Muskeln zu entspannen und die Muskelkontraktion im nächsten Training zu verbessern. Leg dazu zum Beispiel das zu behandelnde Bein auf eine Faszienrolle (Faszienrollenset) oder einen Faszienball. Lass die Rolle in den Muskel einsinken und roll dich dann langsam nach unten, sodass sich die Rolle Richtung Körpermitte bewegt. Je langsamer du rollst, desto stärker ist der Druck auf das Gewebe und desto stärker ist die lockernde Wirkung für die behandelten Strukturen.
Verspannungen in der Muskulatur, die als kleine Knötchen oder Verhärtungen tastbar sind, sogenannte Myogelosen, löst du durch das Anspannen und Entspannen der Muskulatur auf einem Faszienball. Leg dafür den verhärteten Bereich auf einem Faszienball ab, beispielsweise einen Bereich der Wade. Lass den Ball in den Muskel einsinken. Zieh den Fuß nach oben an, ohne das Knie anzubeugen. Halte die Spannung für fünf Sekunden und lass dann wieder locker.












