Machen Sie den Test
Sind Sie reif zum Barfußlaufen?

Barfußlaufen hat viele Vor-, aber auch einige Nachteile. Bevor Sie damit loslegen, sollten Sie daher herausfinden, ob Ihre Füße bereit sind.
Barfußlaufen
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In diesem Artikel:
  • Ist es gesund, barfuß zu laufen?
  • Was passiert, wenn man barfuß läuft?
  • Ein Meisterwerk der Evolution: Der Fuß
  • Der Eignungstest fürs Barfußlaufen
  • Der Test: Sind Sie bereit zum Barfußlaufen?
  • Übungen für eine bessere Muskelarbeit beim Barfußlaufen
  • Welche Barfußschuhe sind die besten?
  • Kann man mit Barfußschuhen joggen?

Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob Sie Ihre Laufschuhe wegwerfen sollten? Schließlich predigen die überzeugten Barfuß-Philosophen, dass Laufschuhe Verletzungen verursachen und für einen unnatürlichen Bewegungsablauf sorgen. Moderate Stimmen empfehlen zumindest Barfuß- oder Minimalschuhe, die Ihren Füßen mehr Bewegungsfreiheit lassen, aber dennoch etwas Schutz bieten. Die Verunsicherung wächst. Viele Läufer fragen sich: Wann soll ich – oder wann darf ich – mit dem Barfußlaufen anfangen? Soll ich minimalistische Schuhe tragen – und wie lange darf ich damit laufen? Ist Barfußlaufen nun gesund oder nicht? Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Ist es gesund, barfuß zu laufen?

Der Harvard-Professor Dan Lieberman hat vor zwei Jahren einen viel beachteten Aufsatz in dem amerikanischen Magazin „Nature“ publiziert, in dem er das Barfußlaufen als Lösung für die allermeisten Läuferverletzungen beschrieb. Damit löste er in der Fachwelt eine breite Diskussion aus: Ist Barfußlaufen besser? Lieberman korrigiert: „Das ist die falsche Frage.“ Er präzisiert: „Die Frage ist nicht, ob man barfuß läuft oder nicht, sondern wie man läuft.“

Lieberman hatte herausgefunden, dass Läufer ohne Schuhe einen anderen Laufstil entwickeln: Sie tendieren dazu, auf dem Vorfuß oder Mittelfuß zu landen und nicht auf dem Rückfuß – wie 75 Prozent aller Läufer, die in Schuhen laufen.

Was passiert, wenn man barfuß läuft?

Wenn Sie das erste Mal nach langer Zeit barfuß laufen, werden Sie feststellen, dass das nicht nur ungewohnt ist, sondern auch anstrengend. Die Füße werden anders belastet, was mitunter sogar Schmerzen bereitet. Wie gut Läufer auf das Barfußlaufen oder auch auf minimalistische Schuhe vorbereitet sind, ist sehr unterschiedlich.

Fakt ist: Beim Barfußlaufen werden die Fuß- und Wadenmuskeln deutlich mehr beansprucht als beim Laufen in Laufschuhen. Schon vor dem Aufsetzen des Fußes findet eine Voraktivierung der dämpfenden Wadenmuskulatur und des Fußgewölbes statt. Zudem spannen Sie automatisch stärker Ihre Bauch- und Rückenmuskulatur an. Wer lange nicht mehr barfuß unterwegs war, hat mitunter am darauffolgenden Tag Nackenschmerzen, weil er sich so stark auf die Füße und den Fußaufsatz konzentriert hat, dass die Anspannung in der Schulter-Nacken-Muskulatur vollkommen in Vergessenheit geraten ist. Wie setzt man den Fuß richtig auf?

Ein Meisterwerk der Evolution: Der Fuß

Warum sollte man barfuß laufen? Für was ist Barfußlaufen gut? Oder anders herum gefragt: Warum tragen wir überhaupt Schuhe? Ein Blick auf unseren Fuß, der uns Tausende von Kilometern trägt.

Meisterhaftes Bauwerk: Knochen, Gelenke und Muskeln

Der Fuß ist ein fantastisches Konstrukt, bestehend aus 28 Knochen, 33 Gelenken und zahlreichen Muskeln. Der gesamte Fuß hat eine elastische Struktur, die sich vielfältig verformen lässt. Dabei bewegen sich alle Teile gemeinsam in einem System.

Die Fußgewölbe: Längsgewölbe und Quergewölbe

Nur ein Teil des Fußes hat Bodenkontakt, unterstützt von einigen Fußknochen. Andere Teile werden von der Muskulatur in einer Bogenform gehalten. Am auffälligsten sind hier das Längs- und das Quergewölbe: Das Längswölbe liegt auf der Fußinnenseite, etwa auf halber Strecke zwischen Großzehe und Ferse. Die Stabilisation des Längsgewölbes erfolgt unter anderem durch die Plantarfaszie, die viele Läufer bereits durch eine Plantarfasziitis kennengelernt haben. Das Quergewölbe befindet sich vorn unterm Ballen. Man spürt es mit der Hand, wenn man unter dem Ballen quer über die Fußsohle streicht.

Natürliche Dämpfung: Fußaufsatz und -abdruck

Die Gewölbe an der Fußsohle sind dazu gedacht, Bewegungen auszuführen und abzufedern und sollten daher eigentlich weder durch eine stark ausgeprägte Unterstützung (Pelotte) in Position gehalten werden noch durch zu stabile Laufschuhe. In jeder Phase eines Laufschrittes ändert der Fuß seine Position ein kleines bisschen: Beim Fußaufsatz ist die Fußmuskulatur angespannt (leichte Supination) und beim Abrollen recht entspannt (leichte Pronation). Beim Abdrücken vom Boden spannt sich die Muskulatur wieder an und der Fuß bewegt sich zurück in die Supination.

Schuhe: Schutz und Kontrollverlust

Schuhe bieten Schutz vor dem Untergrund, filtern aber auch die Informationen über die Bodenbeschaffenheit zum Teil komplett aus der Bewegung heraus. Die Fußmuskeln ziehen sich ja nicht zufällig zusammen, sondern sind auf die neuronale Stimulation angewiesen. Je unmittelbarer und direkter diese Meldungen von den Rezeptoren in der Fußsohle zum Gehirn gelangen, desto besser.

Schuhe und Dämpfung

In Laufschuhen steht der Fuß wie auf einer Rampe, also steht auch die Ferse höher. Folge: Die Achillessehne wird weniger gedehnt, als wenn man barfuß läuft. Genau daran muss sie sich beim Barfußlaufen oder in Minimalschuhen erst gewöhnen. Und das geht nicht von heute auf morgen.

Der Eignungstest fürs Barfußlaufen

Damit Sie Ihre persönliche Eignung prüfen können, haben wir vier Tests entwickelt. Damit können Sie herausfinden, wie es um Ihre Füße steht. Wenn Sie einen Test nicht schaffen, heißt das aber nicht, dass Sie lebenslang in schweren, steifen Schuhen laufen müssen. Sie sollten mit dem Barfußlaufen und den minimalistischen Schuhen zunächst nur vorsichtiger sein. Durch Stärkung und Dehnung Ihrer Füße mithilfe der Übungen können Sie einen sanften Übergang einleiten.

Übrigens: Viele langjährige Läufer schaffen auf Anhieb keinen einzigen der vier Tests – ein klares Signal, nicht zu schnell auf Minimalschuhe umzusatteln. Klassische Laufschuhe bieten einfach mehr Unterstützung und fördern zudem Ihren gewohnten Laufstil. Aber auch wenn Sie alle vier Tests auf Anhieb schaffen (Glückwunsch!), sollten Sie nur allmählich beginnen, mit Minimalschuhen zu trainieren, und erst im nächsten Schritt auf Barfußschuhe wechseln: Bänder und Bewegungsapparat brauchen Zeit, um sich anzupassen.

Der Test: Sind Sie bereit zum Barfußlaufen?

Das ganz natürliche Barfußlaufen haben unsere Füße oft verlernt. Testen Sie hier, ob Ihr Fuß bereit ist, Sie auch ganz ohne Laufschuhe zu tragen. Falls eine oder mehrere der Übungen noch nicht klappen – keine Sorge. Wir zeigen Ihnen jeweils Übungen, mit denen Sie Ihre Füße fit machen fürs Barfußlaufen.

1.) Ist die Achillessehne flexibel genug?

Bei dieser Übung sitzen Sie so, dass Knie- und Fußgelenk einen 90-Grad-Winkel bilden. Rutschen Sie nun auf der Sitzfläche so weit nach vorn – die Füße bleiben fixiert –, bis Ihre Kniescheibe knapp hinter oder über Ihren Zehen steht. Wenn Sie in dieser Position Ihre Fußsohlen nicht auf dem Boden ruhen lassen können, ist Ihre Achillessehne verkürzt. Die flexible Achillessehne ist notwendig, damit der Fuß für einen kraftvollen Abdruck beim Laufen hinter die Hüfte kommt. Fehlt Ihnen diese Flexibilität, werden Sie Ihre Achillessehne und Wade in flachen Laufschuhen überbeanspruchen; vor allem werden Sie aber keine richtige Spannung aufbauen können, Energie speichern und wieder freigeben.

So trainieren Sie die Flexibilität der Achillessehne

Dehnen Sie Ihre Achillessehne auf traditionelle Weise: Rollen Sie ein Handtuch zusammen und treten Sie mit Ihrer Großzehe darauf, sodass nur die Fußaußenseite den Boden berührt. So verhindern Sie, dass sich der Fuß nach innen wegdreht (proniert), wodurch er eine Dehnung der Achillessehne umgehen würde. Das andere Bein ist knapp hinter Ihrem Körper. Lehnen Sie sich gegen die Wand, die Ferse bleibt auf dem Boden. Drei Minuten auf jeder Seite halten! Es kann durchaus 10 bis 12 Wochen dauern, bis sich die Elastizität Ihrer Sehnen verbessert.

2.) Ist die Plantarsehne flexibel genug?

Setzen Sie sich so hin wie beim ersten Test. Fassen Sie Ihre Großzehe und ziehen Sie die gerade, gestreckte Zehe um 30 Grad nach oben, wobei der Fußballen flach auf dem Boden bleibt. Wenn er sich dennoch hebt oder Sie diesen Winkel nicht schaffen, ist Ihre Plantarsehne verkürzt. Für den Abrollvorgang und den kraftvollen Abstoß ist aber eine ausreichende Flexibilität nötig. Durch eine zu steife Plantarsehne werden Abroll- und Abstoßphase verkürzt. Oder Ihr Fuß rollt nach innen oder außen und die Kraftausübung über die Großzehe wird schwächer.

So trainieren Sie die Flexibilität der Plantarsehne

So verbessern Sie die Beweglichkeit: Die Plantarsehne ist einerseits sehr kräftig und wirkungsstark, andererseits lässt sie sich nur schwer dehnen. Man kann jedoch versuchen, Verkrampfungen oder Verdickungen zu lösen, um ihre Flexibilität zu steigern. Legen Sie dazu im Sitzen ein Bein über das andere, das Fußgelenk ruht auf dem Knie. Die Plantarsehne verbindet Ferse und Fußballen, Sie können die kräftige Sehne gut ertasten und Verhärtungen spüren. Drücken Sie darauf und bewegen Sie dabei die Zehen. Praktizieren Sie das Ganze vier Minuten täglich, dreimal in der Woche, bis Sie eine Besserung spüren.

3.) Können Sie sicher im Einbeinstand stehen?

Stellen Sie sich mit aufrechter Körperhaltung hin und balancieren Sie auf einem Fuß. Versuchen Sie, nicht zu wackeln, der Standfuß sollte ruhig bleiben. Sie sind gut ausbalanciert, wenn Sie 30 Sekunden auf einem Bein stehen können, ohne den Oberkörper zu bewegen oder mit den Armen zu rudern. Achten Sie auf Unterschiede zwischen beiden Beinen.

So trainieren Sie die Balance im Einbeinstand

Verteilen Sie Ihr Gewicht gleichmäßig auf Vor- und Rückfuß. Viele Läufer „sitzen“ im Stehen und verlagern zu viel Gewicht auf die Ferse, der Körperschwerpunkt liegt zu weit hinten. Versuchen Sie, 30 Sekunden mit geschlossenen Augen zu stehen. Nehmen Sie einen Ball, rotieren Sie Ihren Oberkörper und werfen Sie den Ball an die Wand oder lassen Sie ihn sich zuwerfen.

4.) Können Sie den großen Zeh einzeln bewegen?

Pressen Sie im Stehen Ihren großen Zeh auf den Boden (Plantarflexion), während Sie die anderen Zehen leicht anheben (Dorsiflexion). Mogeln Sie nicht, indem Sie Ihr Fußgelenk nach innen oder außen drehen. Ihre Großzehe sollte sich nicht einrollen. Das wäre ein Zeichen, dass Sie die Schienbeinmuskeln mitbenutzen, da Sie einzelne Muskeln im Fuß nicht isoliert bewegen können. Wenn Sie die Großzehe einzeln bewegen können, lässt sich das Gleichgewicht besser halten. Sie übernimmt bis zu 85 Prozent der Fußkontrolle und hat so eine ähnliche Bedeutung fürs Gleichgewicht wie der Daumen beim Schreiben.

So bewegen Sie die Muskeln der Großzehe isoliert

Lernen Sie als Erstes, die Muskeln, die die Großzehe kontrollieren, isoliert zu bewegen. Stellen Sie Ihren Fuß flach auf den Boden und verteilen Sie die Belastung gleichmäßig. Legen Sie ein dünnes Buch oder stabiles Lineal unter Ihren großen Zeh. Hebeln Sie diesen damit hoch, ohne mit dem Zeh dagegen zu drücken. Ab einem Winkel von etwa 60 Grad drücken Sie mit dem Zeh dagegen, ohne dass er sich einrollt. Geben Sie dem Druck langsam nach. So lernen Sie, Ihren großen Zeh separat zu bewegen.

Übungen für eine bessere Muskelarbeit beim Barfußlaufen

Die folgenden Übungen helfen Ihnen, Ihre Füße besser kennenzulernen und die Fußmuskeln zu kräftigen. Fangen Sie klein an und steigern Sie sich stetig.

Zehen-Yoga für bessere Beweglichkeit

Als zweite Übung führen Sie „Zehen-Yoga“ durch: Heben Sie abwechselnd nur die Großzehe oder die anderen Zehen vom Boden ab. Dies können Sie mehrmals am Tag üben, natürlich am besten ohne Schuhe. Da es hier um das Training der Koordination geht und nicht um die Kraft, werden Sie schnell Verbesserungen bemerken – normalerweise innerhalb von ein paar Tagen bis zu zwei Wochen.

Balancieren auf dem Wackelbrett

Stellen Sie die Füße auf das Wackelbrett und versuchen Sie durch Gewichtsverlagerung eine kreisende Bewegung hinzubekommen, indem Sie nach vorn, nach rechts, nach hinten, nach links usw. rollen.

Zehenfresser

Legen Sie ein Handtuch (zu Anfang ist ein dünnes Geschirrhandtuch empfehlenswert) vor sich auf den Boden. Versuchen Sie, das Tuch mit den Zehen zu "fressen" und ziehen Sie es so langsam unter Ihren Fuß. Wiederholen Sie das dreimal auf jeder Seite.

Einbeinhocke

Stehen Sie aufrecht und strecken Sie ein Bein gerade nach vorn. Gehen Sie nun langsam in die Hocke, und richten Sie sich langsam wieder auf. Beginnen Sie mit acht bis zwölf Wiederholungen pro Bein und versuchen Sie, die Zahl bis auf 20 zu steigern. Zu schwer? Dann gehen Sie einfach ohne ausgestrecktes Bein in die Hocke.

Einbeinsprung vorwärts

Bewegen Sie sich auf einem Fuß springend vorwärts, indem Sie sich nach vorne rechts, vorne links, vorne rechts etc. bewegen. Machen Sie auf jedem Bein 15 bis 20 Hopser.

Zehengreifer

Legen Sie fünf bis zehn kleine Gegenstände (beispielsweise Würfel) auf den Boden. Greifen Sie jeden einzeln mit den Zehen, heben ihn vom Boden auf und legen ihn daneben auf einen Haufen. Dreimal zehn Griffe mit jedem Fuß reichen aus.

Welche Barfußschuhe sind die besten?

Minimalschuhe mit einer Sprengung von etwa vier Millimetern verändern Ihren Laufstil, ohne dass Sie dies merken. Die Sprengung bei klassischen Laufschuhmodellen beträgt meist 12 bis 16 Millimeter. Die Umstellung bei Alltagsschuhen fällt übrigens leichter: Wählen Sie hier so flache Schuhe und stehen Sie, so oft es geht – auch auf einem Bein. Nebenbei: Es ist nicht erwiesen, dass ein Barfußschuh für jeden Läufer besser ist. „Ich habe herausgefunden, dass mir eine geringe Sprengung bei Laufschuhen besser bekommt“, sagt der sechsfache Berglaufweltmeister Jonathan Wyatt, „bei ganz flachen Schuhen bin ich verletzungsanfälliger.“ Das hat er übrigens erst nach einer Verletzung festgestellt.

Kann man mit Barfußschuhen joggen?

Einen minimalistischen Laufschuh sollten Sie eher als Ergänzung in Ihren Schuhschrank stellen, nicht als Ersatz. Wenn Sie einen guten Laufstil trainieren wollen, muss das nicht heißen, dass Sie ab heute nur noch in Barfußschuhen unterwegs sind.

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04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023

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