Joggen ohne Laufschuhe
Barfuß laufen

Barfußlaufen ist anfangs gewöhnungsbedürftig, trägt aber zu einem aufrechten und effizienten Laufstil bei.
Barfuß laufen
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Plattfüße, Krallenzehen, Shin Splints oder Schienbeinkantensyndrom – fast jeder in Laufschuhen laufende Läufer kann von einem dieser Begriffe ein Lied singen. Viele Läufer greifen initial zu Schmerzmitteln oder lassen sich Einlagen für ihre Laufschuhe anfertigen. Doch das führt häufig nicht zum erwünschten Ergebnis. So oder so ähnlich beginnen die meisten Geschichten von Läufern, die sich für das Barfußlaufen entschieden haben und ihren Trainingsalltag mehr oder weniger ohne Laufschuhe bestreiten. Aber was bringt Barfußlaufen wirklich? Und ist es überhaupt für jeden Laufsportler geeignet?

Die Biomechanik des Fußes beim Gehen

Wird der Fuß beim Gehen nach oben angehoben, hebt sich automatisch das Sprunggelenk an und die Zehen werden nach oben gezogen. Diese Bewegung nennt man Dorsalextension. Dabei hebt sich das Längsgewölbe des Fußes an, das den Fuß beim Auftreten stabilisiert. Es entsteht ein schmaler Hohlraum unter dem Fuß. Für diese Bewegung braucht der Vorfuß Platz nach oben, der in herkömmlichen Schuhen häufig nicht gegeben ist. Die Vorspannung und Stabilisierung des Fußgewölbes sind somit nur wenig bis gar nicht möglich. Dann übernehmen andere Muskelgruppen in den Beinen diese Aufgabe, für die sie grundsätzlich nicht gemacht sind. Das wiederum kann zu Überlastungssyndromen im Knie führen.

Wenn das Fußgewölbe nicht stabilisiert werden kann, spricht man vom Plattfuß. Dabei senkt sich der innere Teil des Fußes nach unten ab und kann durch aktive Muskelanspannung kaum angehoben werden. Das Schienbein dreht sich weiterlaufend nach innen, und es entsteht ein dauerhafter Zug auf den vorderen Schienbeinmuskel, den M. Tibialis Anterior. Eine mögliche Folge: Shin Splints, das bei vielen Läufer immer wieder auftretende Schienbeinkantensyndrom.

Barfußlaufen fördert eine aufrechte Körperhaltung

Bei einem korrekten Bewegungsablauf kommt man im Laufschritt mit voraktiviertem Längsgewölbe auf – und beim Abdrücken sorgt die endgradige Streckung des Fußes dafür, dass der gesamte Körper über die Hüfte bis in die Brustwirbelsäule gestreckt wird. Das voraktivierte Fußgewölbe und somit die gesamte Muskelkette stabilisieren den Körper beim Auftreten des Fußes. Das geschieht besonders ökonomisch und schonend, wenn die gesamte Fußsohle in leichter Supinationsstellung, also leicht betont auf der Fußaußenkante, auf dem Boden aufkommt.

Der menschliche Körper funktioniert nicht mithilfe einzelner Muskeln, sondern mit Muskelketten, also mehreren Muskeln, die zusammen eine bestimmte Bewegung ermöglichen. Beim Barfuß laufen wird die gesamte Beweglichkeit des Fußes ausgenutzt, weil das Auftreten ansonsten schmerzhaft wäre. Somit trägt Barfußlaufen zu einer stärkeren Aufrichtung des Oberkörpers bei und stabilisiert die Bauch- und Rückenmuskulatur. Es entsteht eine stärkere Abdruckbewegung vom Boden und der Fußaufsatz findet mit voraktivierter Fußmuskulatur statt – eine gute Voraussetzung für einen effizienten Laufstil.

Ein regelmäßges Lauf-ABC verbessert die Lauftechnik

Auch, wenn Barfußlaufen an sich schon zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur beiträgt: Das Lauf-ABC ist nicht nur für Läufer in Laufschuhen, sondern auch beim Barfußlaufen wichtig. Denn hierbei geht es nicht nur um die richtige Körperhaltung, sondern auch um die Lauftechnik. Durch laufspezifische Bewegungen werden die Mobilität und Bewegungsqualität verbessert. Auch der Takt ist beim Barfußlaufen von Bedeutung: Barfußlaufen mit 180 bpm schont die Gelenke und ermöglicht schnelle Ausweichbewegungen, falls doch einmal eine Scherbe oder kleine Steinchen auf dem Weg liegen.

Der Untergrund bestimmt die Laufgeschwindigkeit

Lehmiger Schlamm ist besonders rutschig und kleine Steinchen oder Scherben nicht sichtbar. Gesalzener Schnee im Winter sollte so gut wie möglich gemieden werden. Die Lufttemperatur ist beim Barfußlaufen eigentlich irrelevant. Viel interessanter für Barfußläufer sind Nässe und Wind.

Was bei Verletzungen zu tun ist

Die routinierten Barfußläufer haben stets ein kleines Erste-Hilfe-Päckchen dabei, bestehend aus einem kleinen Schweizer Taschenmesser, einer Pinzette oder Sicherheitsnadel, Desinfektionsmittel, Sekundenkleber und Leukotape Classic. Mit einer desinfizierten Sicherheitsnadel können kleine Fremdkörper, möglichst noch auf der Laufstrecke, entfernet werden. Nach dem Desinfizieren kann die Wunde mit Sekundenkleber verschlossen werden. Ein oder mehrere Streifen Leukotape verhindern, dass weitere Steinchen oder Schmutz an die Wunde kommen. Größere Wunden sollten gründlich gereinigt und mit Pflaster oder Mullbinden verbunden werden. Danach heilen sie am besten an der frischen Luft.

Die Füße abhärten

Druck- und berührungsempfindliche Füße lassen sich durch Selbstmassagen mit einem Miniball desensibilisieren. Das wiederholte Rollen über den Ball mit mehr oder weniger starkem Druck erhöht die Durchblutung und den Stoffwechsel und verbessert die Regeneration der Muskulatur und aller umliegenden Strukturen. Blasen sollten mit einer desinfizierten Nadel aufgestochen und gründlich desinfiziert werden. Danach schützt ein Pflaster vor dem Eintritt von Schmutzpartikeln.

So gelingt der Einstieg ins Barfußlaufen

Beginnen Sie damit, kurze Strecken zu laufen. 3 - 5 km auf Asphalt, Wiese und festem Erdboden sind für Läufer, die mindestens einmal pro Woche regelmäßig laufen, ein guter Einstieg. Generell gewöhnen sich die Füße am schnellsten an das Barfußlaufen, wenn Sie im Alltag möglichst oft und viele Strecken barfuß zurücklegen. Wichtig ist dabei eine hohe Schrittfrequenz von 170 bis 190 bpm.

Dass sich die Füße anfangs wund anfühlen und leicht schmerzen, ist normal. Die Haut an der Fußsohle wird nach und nach fester, einhergehend mit der Bildung von subcutanem Fett. Steinchen, die sich in den ersten Barfuß-Laufeinheiten an den Füßen festsetzen, werden immer seltener.

Wettkämpfe sind das bessere Training

Wer gerade erst seine ersten Schritte ohne Laufschuhe im Training macht, hat vermutlich noch keine Wettkampfambitionen. Der Vorteil von Wettkämpfen ist aber, dass diese meist auf der Straße stattfinden. Und dort ist der Asphalt häufig deutlich sauberer als auf dem Fußweg.

Die wichtigsten Tipps für den Einstieg ins Barfußlaufen:

  • Passen Sie Ihre Lauftechnik durch kurze Schritte an die neue Belastung der Füße an. Eine Schrittfrequenz von 170 - 190 bpm ist ein guter Richtwert.
  • Mit einem kleinen Ball können Sie die schmerzende Fußmuskulatur selbst massieren und die Regeneration beschleunigen.
  • Mit einer herkömmlichen Handbürste und Seifenschaum lässt sich Schmutz schnell und einfach entfernen.

Das gehört in dein Erste-Hilfe-Set fürs Barfußlaufen:

  • Kleines Schweizer Taschenmesser, Pinzette oder Sicherheitsnadel
  • Desinfektionsmittel
  • Sekundenkleber
  • Leukotape Classic
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04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023

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